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Neue Geschäftsmodelle gefragt Warum Solarfassaden sich am Markt bisher nicht durchsetzen

Die noch geringe Verbreitung der Gebäudeintegrierten Photovoltaik (engl.: building integrated photovoltaics bzw. BIPV) und Solarthermie wird zumeist mit den vermeintlich hohen Kosten und fehlendem Know-how der Architekten begründet. Der folgende Beitrag erklärt, warum selbst bei sinkenden Kosten und Erreichen der Grid-Parity Solarfassaden nicht automatisch zum Selbstläufer werden und daher neue Finanzierungskonzepte und Geschäftsmodelle gefragt sind.

Oft können Architekten ihren Auftraggeber nicht davon überzeugen, dass BIPV ökonomisch sinnvoll ist.

Die verwirklichten Projekte mit BIPV spiegeln bei Weitem nicht die Bandbreite an Produkten wieder, die auf dem Markt zur Verfügung stehen.

Es bedarf einer ganzheitlichen Planung und eines fachübergreifenden Dialoges zwischen allen Beteiligten, um ein Energiekonzept für ein bestimmtes Gebäude zu entwickeln: Tragwerk, Heizung/Lüftung, Bauphysik und Fassade müssen in Abhängigkeit voneinander gesehen werden. Im Bild das Firmengebäuder der DEGERenergie.

Damit Bauherren verstärkt in Erneuerbare Energien investieren, sind neue Finanzierungskonzepte und Geschäftsmodelle erforderlich. Nur so können Energiefassaden aus ihrer Marktnische heraus geführt werden und sich zu einem marktgängigen Produkt entwickeln.

Oft stehen die Komponenten einer energetischen Sanierung, wie beispielsweise Gebäudedämmung, Lüftung mit WRG oder eine Solaranlage, in Konkurrenz zueinander, anstatt dass diese als sich ergänzende Maßnahmen betrachtet werden.

 

Nur selten können Architekten ihren Auftraggeber davon überzeugen, dass Gebäudeintegrierte Photovoltaik ökonomisch sinnvoll ist. Für eine fundierte Entscheidung über den Bau einer BIPV-Fassade benötigen Architekten und Bauherren Informationen über die Kosten und Erträge einer Anlage sowie über deren Mehrkosten im Vergleich zu einer traditionellen Fassade. Oft kommt die Idee, Solarenergie in ein Gebäude zu integrieren, im Laufe eines Bauprojektes auf, wird dann aber nicht realisiert, weil diese Informationen nicht vorliegen.
Eine Untersuchung des Lawrence Berkeley National Laboratory hat gezeigt, dass Bauherren während der einzelnen Bauphasen derartig viele Entscheidungen treffen müssen, dass sie sich im Zweifelsfalle gegen eine Solaranlage entscheiden. Die Kosten werden als zu hoch vermutet oder die Umsetzung als zu komplex bewertet, insbesondere weil hierbei  unterschiedliche Gewerke zusammen arbeiten müssen.
Wirtschaftlich interessante Ergebnisse lassen sich aber nur dann erzielen, wenn Photovoltaik und Solarthermie nicht nachträglich auf das Dach geständert, sondern als integraler Bestandteil des Gebäudes und der Anlagentechnik bereits in der Planungsphase berücksichtigt werden. Nur wenn bereits zu Projektbeginn ein energetisches Konzept im Rahmen einer integrativen Planung erstellt wird, kann ein optimales Verhältnis zwischen Bau- und Betriebskosten erreicht werden, und die Lebenszykluskosten eines Gebäudes können optimiert werden.
Es bedarf einer ganzheitlichen Planung und eines fachübergreifenden Dialoges zwischen allen Beteiligten, um ein Energiekonzept für ein bestimmtes Gebäude zu entwickeln: Tragwerk, Heizung/Lüftung, Bauphysik und Fassade müssen in Abhängigkeit voneinander gesehen werden. Nur so lassen sich zukünftige Heiz- und Kühlleistungen vorhersagen und Heizung- und Lüftungsanlagen optimieren. Das heißt, eine integrative Planung erfordert die gleichzeitige Lösung mehrerer Probleme durch mehrere Experten, die ein Optimum zwischen Baukosten, Betriebskosten und Nutzer-Komfort anstreben.

Lebenszykluskosten oft vernachlässigt

Die Planungspraxis sieht anders aus, und eine integrative Planung, bei der auch der Energieplaner von Anfang an zum Team gehört, ist die Ausnahme. Noch immer wird in einzelnen, unabhängigen Schritten geplant, und Entscheidungen werden nicht im Hinblick auf die Optimierung des Ganzen, sondern vielmehr auf die Lösung von Teilproblemen getroffen. Selbst die Kostenschätzungen energieeffizienter Gebäude beruhen laut der Zeitschrift Estimating Today auf der Summe einzelner Aufwandsposten, die unabhängig voneinander entfernt oder hinzugefügt werden, anstatt diese in Abhängigkeit von einander zu betrachten. Dies führt dazu, dass Komponenten einer energetischen Sanierung, wie beispielsweise Gebäudedämmung, Wärmepumpe oder eine Solaranlage, in Konkurrenz zueinander treten, anstatt dass diese als sich ergänzende Maßnahmen betrachtet werden.
Selten werden die kompletten Lebenszykluskosten eines Hauses betrachtet, das sind diejenigen Kosten, die nicht nur die Baukosten, sondern auch die Kosten für den Gebäudebetrieb über Jahrzehnte berücksichtigen. Bauherren und Immobilienkäufer lassen sich bei ihren Investitionsentscheidungen noch zu sehr von niedrigeren Baukosten „blenden“ und vergessen dabei den Energieverbrauch eines Gebäudes. Langfristig werden sie teuer für ihre Kurzsichtigkeit bezahlen – heißt es doch im Englischen so treffend: „The bitterness of a poor quality remains longer than the sweetness of a low price.“
Während Investoren ein Gebäude oft gleich nach Fertigstellung oder schon während der Bauphase veräußern und daher nur an niedrigen Baukosten interessiert sind, haben diejenigen Bauherren, die später auch Nutzer des Gebäudes sein werden, auch ein Interesse an niedrigen Betriebskosten. Mit der Länge des Betrachtungszeitraums nimmt der Anteil der Energiekosten an den Gesamtkosten an Bedeutung zu. Über die gesamte Nutzungsdauer eines Gebäudes betrachtet, betragen die Baukosten oft nur ein Drittel der Gesamtkosten eines Gebäudes.

Lange Refinanzierungszeit als Barriere

Man könnte vermuten, dass Eigentümer, die gleichzeitig auch Nutzer eines Gebäudes sind, in Energiefassaden oder energetische Sanierungen investieren. Tatsächlich aber investieren viele Bauherren nicht in Erneuerbare Energien, weil ihre Sichtweise aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation kurzfristig ist. Je enger der finanzielle Rahmen eines Bauherrn, desto wertvoller ist für ihn das Geld, über das er in der Gegenwart verfügt. Mit zunehmender Länge des Betrachtungszeitraums sinkt die Bereitschaft, in Erneuerbare Energien zu investieren. Dies gilt nicht nur für private Bauherren, sondern insbesondere auch für öffentliche Auftraggeber, die angesichts schrumpfender Etats ihre Bauprojekte nur selten energetisch optimieren. Eine akzeptable Refinanzierungszeit bzw. Amortisationszeit von Investitionen ist in diesen Fällen extrem kurz und tendiert gegen null. Die Refinanzierungszeit ist der Zeitraum, den eine Investition benötigt, um über Gewinne bzw. Einsparungen
ihre Anschaffungskosten zu erwirtschaften.
Die Anwendung der Refinanzierungszeit als Entscheidungskriterium ist insbesondere bei langlebigen Gütern unvorteilhaft, da sie den Ertrag bzw. die Energieersparnis, welche nach dem Betrachtungszeitraum anfallen, unberücksichtigt lassen. Oft werden Investitionen mit einer kürzeren Amortisationszeit bevorzugt, da sie vermeintlich ein geringeres Risiko bergen. „Beispielsweise bevorzugt diese Methode ein Investment mit einer zweijähigen Refinanzierungszeit und einem dreijährigen Lebenszyklus über eine zweijährige Refinanzierungszeit bei einem zehnjährigen Lebenszyklus,“ erklärt Cédric Philibert von der International Energy Agency in seinem Bericht „Barriers to Technology Diffusion: The Case of Solar Thermal Technologies“.
Nicht nur private Haushalte, sondern auch viele Unternehmen, kleine wie große, entscheiden sich in 14 von 15 Fällen gegen eine solarthermische Anlage, da sie ihre Entscheidung implizit aufgrund der Refinanzierungszeit fällen, ergänzt Philibert. Obwohl energetische Sanierungen und Investitionen in Erneuerbare Energien für Bauherren und spätere Nutzer ökonomisch sinnvoll sind, sich bei rationaler Betrachtung geradezu aufdrängen, werden diese mangels Kapital nicht realisiert – der Bauherr verhält sich also wie ein Investor, der kurzfristig seine Rendite optimieren möchte.
Auch Bauherren mit größerem finanziellen Spielraum investieren nur selten in Erneuerbare Energien, weil von staatlicher Seite eine kurzfristige Sichtweise gefördert wird: In vielen Ländern sind steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten so ausgelegt, dass Baukosten nur langfristig über Jahrzehnte abgeschrieben werden können, hingegen der monatliche Energieverbrauch sofort steuerlich absetzbar ist. Diese Situation verstärkt die Tendenz, Baukosten möglichst niedrig zu halten und die Energieeffizienz zu vernachlässigen.

Neue Finanzkonzepte und Geschäftsmodelle erforderlich

Damit Bauherren verstärkt in Erneuerbare Energien investieren, sind neue Finanzierungskonzepte und Geschäftsmodelle erforderlich. Nur so können Energiefassaden aus ihrer Marktnische heraus geführt werden und sich zu einem marktgängigen Produkt entwickeln. Da Leasing als Finanzierungsform nur bei beweglichen Gütern infrage kommt, kann diese nicht bei Energiefassaden zum Einsatz kommen, es sei denn, die Module lassen sich leicht wieder abnehmen, ohne dass die Funktion der Fassade beeinträchtigt wird. Ein bereits existierendes Konzept ist das  sogenannte Energy Performance Contracting. Hierbei übernimmt der Auftragnehmer –  der Contractor – die Verantwortung für alle Phasen des Gebäudes: von der Planung über das Bauen, der Finanzierung, dem Betreiben, teilweise sogar bis hin zum Abriss des Gebäudes. Der Nutzer des Gebäudes zahlt einen vorab vereinbarten Festpreis, ähnlich einer Warmmiete, die alle Kosten beinhaltet; lediglich in Extremfällen (extrem heiße Sommer oder kalte Winter) darf zusätzlicher Energiebedarf in Rechnung gestellt werden.
Beim Contracting tritt der Contractor als Generalunternehmer auf, und Architekten sowie ausführende Betriebe werden zu seinen Subunternehmern. Der Vorteil des Energy Performance Contracting ist, dass im Idealfall eine integrierte Planung die Investitions- und Betriebskosten optimiert; außerdem wird dem Bauherren eine Energieeinsparung garantiert, womit das Investitionsrisiko auf den Contractor abgewältzt wird. Das Know-how des Contractors führt oft auch zum Einsatz innovativer Technologien, insbesondere der Erneuerbaren Energien. Des Weiteren kann Contracting auch den Investitionsstau der öffentlichen Auftraggeber auflösen.
Mehrere Energieeffizienzprojekte des Intelligent Energy Europe Programms der EU Kommission in Brüssel haben gezeigt, dass über ein Energy Performance Contracting die Gebäudehülle optimiert werden kann. Weil Refinanzierungszeiten für derartige Projekte sehr lang sind und das erforderliche Know-how, insbesondere der Bauphysik, oft nicht vorhanden ist, wurden bei Energy-Performance-Contracting-Projekten, die energetische Sanierungen zum Ziel hatten, zumeist nur diejenigen Maßnahmen durchgeführt, die eine kurze Refinanzierungszeit hatten, beispielsweise der Austausch von Heizkesseln; hingegen wurde der Einbau von hochdämmenden Fenstern oder eine Energiefassade nicht realisiert, weil diese kostenintensiv sind und Lebenszeiten von über 30 Jahre haben.
Obwohl es sich beim Contracting um eine Win-Win-Situation handelt, bei der beide Vertragspartner einen Vorteil erzielen, ist Contracting wenig verbreitet. Die Bemühungen des amerikanischen Unternehmens Enron, im großen Maßstab mit Firmen und privaten Haushalten Contracting-Vertäge abzuschließen, scheiterten, weil jedes Gebäude unterschiedliche Voraussetzungen mitbrachte. Das Geschäftsmodell von Enron beruhte auf dem Verkaufsprinzip „low-touch high-volume”.
Energieeffizienzmaßnahmen lassen sich jedoch nur schwer reproduzieren und erfordern projektspezifische Verträge bzw. Finanzierungsvarianten. Die Millionen von Dollar, die Enron Energy Services in die Werbekampagne investierte, brachten wenig neue Kunden; im Dezember 2001 ging das Unternehmen mit einem Verlust von über 500 Mio. Dollar in Konkurs.
Ein anderes, ebenfalls von der EU Kommission gefördertes Projekt namens „Cost Effective“, entwickelt derzeit Produkte, Geschäftsmodelle und Finanzierungsformen für die Integration von Erneuerbaren Energien in die Fassade. Auf einem Workshop, der vom deutschen Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme und dem französischen Centre Scientifique et Technique du Bâtiment (CSTB) organisiert wird, werden die Ergebnisse des Cost Effective Projekts vorgestellt. Der Workshop findet am 5. Dezember im Rahmen des Energy Forum on Solar Building Skins in Brixen, Südtirol, statt. Auf dem Energy Forum wird das Thema „Kosten von Solarfassaden“ vertieft.


Der Autor, Andreas Karweger, ist Geschäftsführer des Economic Forum und Veranstalter des ENERGY FORUM. Weitere Informationen unter www.energy-forum.com

Bilder: IKZ-ENERGY Archiv

 


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