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Nachträgliche solarthermische Versorgung im Quartier

Das Forschungsprojekt smartSOLgrid untersucht die Wärmevernetzung im Bestand

Luftansicht des Quartiers mit den verteilten Solarthermie-Anlagen. Bild: Andreas Schmidt, plattformpathos.com

Plan des bestehenden Nahwärmenetzes mit den neu installierten Solarthermieanlagen (weiß markiert). Bild: Andreas Schmidt, plattformpathos.com

 

Übersicht über die installierten Solarthermieanlagen und der Peripherie in der Hindenburgstraße 36 und 57 (HB 36, HB 57) sowie in der Schubertstraße 12 und 21 (SB12, SB21). Tabelle: THI

Anlagenschema zur reinen Einspeisung in den Wärmenetzrücklauf in der Hindenburgstraße 36. Bild: THI

Anlagenschema zur lokalen Trinkwasservorwärmung in der Hindenburgstraße 57. Bild: THI

Anlagenschema zur kombinierten Vor-Ort-Nutzung solarer Erträge und Einspeisung von Überschüssen in der Schubertstraße 12. Bild: THI

Monatlicher Solarertrag, Einspeisung in das Wärmenetz und lokaler Warmwasser-Deckungsanteil in der Schubertstraße 21. Bild: THI

 

Wie sich bestehende Nahwärmenetze mit dezentralen Solarthermieanlagen nachrüsten lassen, haben Forscher der technischen Hochschule Ingolstadt (THI) im Forschungsprojekt „smartSOLgrid – Solares Smart Grid im Wärmebereich“ an einer Ingolstädter Wohnsiedlung analysiert. Entwickelt wurde ein innovatives Einbindungskonzept.

Raumwärme und Trinkwarmwasser machen rund 34 % des Endenergieverbrauchs in Deutschland aus. Da die Bereitstellung bei Temperaturen unter 100 °C erfolgt, könnte ein nennenswerter Teil dieser Energie von Niedertemperaturwärmequellen, wie z. B. Solarthermie, erzeugt werden. Dafür ist jedoch ein deutlicher Ausbau der Anlagen in den nächs­ten Jahrzehnten notwendig. Die geringe Sanierungsquote und die zunehmende Verstädterung erschweren aber in vielen Fällen die Errichtung aufwendiger, gro­ßer solarthermischer Systeme.

Das Ziel und die Projektpartner
Um diesem Konflikt zu begegnen, wurde an der technischen Hochschule Ingolstadt (THI) das Konzept einer dezentralen Anordnung kleiner dimensio­nierter Kollektorfelder und Speicher ent­wickelt mit dem Ziel, die Integration der Anlagen in bestehende Quartiersstrukturen zu erleichtern. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) der Vorgänger-GroKo geförderten Verbundprojekts smartSOLgrid entwickelte dabei das Institut für neue Energie-Systeme (InES) der Technischen Hochschule Ingolstadt intelligente Hydraulik- und Regelungs­konzepte für solarunterstützte Nahwärmenetze. In Zusammenarbeit mit den Projektpartnern CitrinSolar Energie- und Umwelttechnik GmbH und der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Ingolstadt GmbH (GWG) wurden mehrere verteilte solarthermische Anlagen in ein bestehendes Wärmenetz eingebaut, die aktuell einem Monitoring unterzogen werden.

Die Ausgangssituation
Als Forschungsobjekt wurde ein Wärmenetz ausgewählt, an dem insge­samt rund 350 Wohnungen, verteilt über 14 Mehrfamilienhäuser, angeschlossen sind. Nur wenige Gebäude weisen geeig­nete Dachflächen und Ausrichtungen für Solarthermie-Anlagen auf. Die Nach­rüstung großer zusammenhängender Kollektorflächen oder saisonaler Speicher gestaltet sich schwierig. Bedingt durch das Alter der Gebäude steht diesen Einschränkungen andererseits ein hoher Wärmeverbrauch gegenüber. Durch diese Randbedingungen stellt das Wärmenetz einen typischen Vertreter der städtischen Quartiere dar, auf welche das Forschungsvorhaben abzielte.
In den als geeignet eingestuften Gebäuden Hindenburgstraße 36 (HB36), Hindenburgstraße 57 (HB57), Schubertstraße 12 (SB12) und Schubertstraße 21 (SB21) wurden insgesamt vier dezentrale Solarthermie-Anlagen installiert. Alle Konzepte wurden vorab in Systemsimulationen untersucht und bezüglich der Dimensionierung und Einbindung von Kollektorflächen und Wärmespeichern optimiert. Darüber hinaus sind die umgesetzten Anlagen mit umfangreicher Messtechnik ausgestattet, sodass eine Bewertung im realen Betrieb durchgeführt werden kann. Um einen direkten Vergleich der verschiedenen Einbindungskonzepte zu erleichtern, wurden alle Anlagen mit 71 m² Kollektorfläche gleich groß konzipiert.

Das Projekt im Detail (I): Hindenburgstraße
Für die Hindenburgstraße 36 wurde eine einfache Rücklaufeinspeisung in das Wärmenetz gewählt. Da die Wohnungsbaugesellschaft GWG sowohl die Gebäude als auch die Solaranlagen und das Wärmenetz betreibt, ergibt sich hier im Gegensatz zur Einspeisung in ein fremdbetriebenes Wärmenetz kein Konflikt bei der Aufteilung von Erträgen und Verlusten auf Anlagen- und Netzbetreiber.
Das Wärmenetz wird bisher mit ei­ner Soll-Vorlauftemperatur von 80 °C und einer Soll-Rücklauftemperatur von 60 °C betrieben. Durch die reine Rücklaufeinbindung kann dieses für solarthermische Anlagen relativ hohe Temperaturniveau gegenüber einer Einspeisung in den Netzvorlauf teilweise kompensiert werden, da bereits Kollektortemperaturniveaus deutlich unter 80 °C zu einem Nutzwärme-Ertrag führen.
Da im 9-stöckigen Gebäude Hindenburgstraße 57 das Verhältnis von Dachfläche zu Wärmeverbrauch gering ist, stand eine reine Trinkwasseranlage im Fokus. Hierfür stellte der Einsatz eines Hygiene-Pufferspeichers mit Edelstahl-Wellrohrwärmetauscher zur Trinkwasservorwärmung eine effiziente Nachrüstlösung dar. Durch die Verwendung dieser Wellrohrwärmetauscher wird die Reduktion der Anlagenerträge durch die täglich durchzuführende thermische Desinfektion minimiert, da ein komplettes Durchheizen des Speichervolumens vermieden wird.

Das Projekt im Detail (II): Schubertstraße
Die Objekte Schubertstraße 12 und 21 sind, abgesehen von Dachausrichtung und Anzahl der Wohneinheiten, sehr ähnlich aufgebaut. In beiden Gebäuden ist eine Bestandsanlage vorhanden, die aus einem 750-l-Vorwärmspeicher und 21 m² Vakuumröhrenkollektoren im Falle der Schubertstraße 12 12 bzw. 17 m² Flach­kollektoren in der Schubertstraße 21 bestehen. In diesen Gebäuden ist das Verhältnis von Dachfläche zu Wärme­verbrauch deutlich besser als in der Hindenburgstraße 57. So ist bei Ausnutzung der vorhandenen Dachflächen im Sommer ein deutlicher Überschuss an Solarwärme vorhanden. Die naheliegende Lösung war daher, die Bestandsanlagen zur lokalen Trinkwasservorwärmung zu optimieren bzw. zu erweitern und die Überschüsse analog der Anlage in der Hindenburgstraße 36 in das Wärmenetz einzuspeisen. Bei anfallenden solaren Überschüssen wird der Puf­ferspeicher über eine zusätz­liche Einspeisepumpe in den Netzrücklauf entladen, sodass die Wärme in anderen Gebäuden genutzt werden kann. Ebenso wird damit eine Stagnation der Anlage vermieden. In der Schubertstraße 12 wurden die Bestandskollektoren in die neue Anlage integriert, in der Schubertstraße 21 auf­grund des altersbedingten, schlechten Zustands demontiert.
Mithilfe der mittlerweile seit etwa einem Jahr erfassten Messergebnisse wurden die Simulationsmodelle bestätigt und die Erträge für ein Jahr mit durchschnittlichem Wetter am Standort Ingolstadt berechnet.

Erste Ergebnisse
Exemplarisch sind die Solarerträge, der Deckungsanteil zur lokalen Trinkwarmwasserbereitung und die in das Wärmenetz eingespeiste Energie der Schubertstraße 21 im Jahresverlauf: Der Deckungs­anteil in den Sommermonaten bewegt sich teilweise im Bereich bis über 140 % des Trinkwarmwasserverbrauchs inklusive Zirkulation. Dies wird durch die Einspeisung der Überschüsse in das Wärmenetz möglich. Es können demnach die Erträge, welche üblicherweise bei fehlender Abnahme im Sommer verloren gehen, durch die anderen Verbraucher im Netz genutzt werden. Bei geringer Einstrahlung steht trotzdem die Möglichkeit zur Verfügung, über das Trinkwasser eine Wärme­senke mit niedrigem Temperaturniveau zu erschließen und dadurch die Effizienz zu erhöhen.

Weitere Optimierungsmöglichkeiten
Der Vergleich der unterschiedlichen Konzepte zeigt wie erwartet Vorteile für eine reine Netzeinspeisung bezüglich der geringen Komplexität und des entsprechend geringen Raumbedarfs. Eine zwei Meter breite Installationswand im Keller ist ausreichend, um alle Hydraulik- und Regelungskomponenten unterzubringen. Die Erträge sind jedoch stark von der Netzrücklauftemperatur abhängig. Eine zukünftige Optimierung des Netzbetriebs im Untersuchungsobjekt, auch zur Reduzierung der Verteilverluste im Netz, ist daher zu empfehlen. Bisher zeigen die Ergebnisse deutlich höhere Rücklauftemperaturen als erwartet, was an fehlerhaften Einstellungen der zentralen Netzpumpe und einiger Unterstationen liegt. Darüber hinaus könnte eine Absenkung der Vorlauftemperatur im Sommer die Erträge erhöhen.
Eine reine Trinkwasservorwärmung ist bei entsprechender Auslegung die effizienteste Integrationsvariante, erlaubt in diesem Fall jedoch nur einen begrenzten Beitrag zur Wärmeversorgung des Gesamtobjekts.
Die dezentralen Einspeiser mit zusätzlicher Nutzung der Solarerträge vor Ort stellen die komplexeste Konfiguration in der Untersuchung dar. Ein wichtiger Ansatzpunkt zu weiteren regelungsseitigen Verbesserungen sind hier die Temperaturschwellen und Volumenströme der Überschusseinspeisung. Auch diese Anlagen würden von einer verbesserten Wärmenetzregelung profitieren.

Blick auf die Kosten
Die Kosten, welche bisher mit den Anlagen erreicht wurden, bewegen sich ohne Förderung zwischen 11,7 Ct/kWh und 18,9 Ct/kWh. Unter Berücksichtigung der Förderung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sowie der angesprochenen Betriebsoptimierungen des bestehenden Wärmenetzes, lassen sich die Kosten jedoch auf 8,3 bis 10,4 Ct/kWh reduzieren. Damit wurde das ursprünglich gesteckte Ziel von 8 bis 12 Ct/kWh erreicht. Für eine darüber hinaus gehende Verbesserung ist in erster Linie der Personalaufwand für den Aufbau der Anlagen effizienter zu gestalten. Eine Standardisierung der erarbeiteten Lösungen sowie eine Kombination der Installation der Solarthermieanlagen mit weiteren Sanierungsmaßnahmen am Gebäude ist anzustreben.
Seit Projektabschluss Ende Dezember 2016 führt die THI in Absprache mit den Projektpartnern das Monitoring fort, um zukünftig weitere Erkenntnisse und Langzeiterfahrungen ableiten zu können. Der vollständige Abschlussbericht kann bei der Technischen Informationsbibliothek Hannover (www.tib.eu) eingesehen werden.

Autoren:
Dipl.-Ing. (FH) Daniel Beckenbauer
Dr.-Ing. Michael Klärner
Prof. Dr.-Ing. Wilfried Zörner

 


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