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„Man sollte nicht auf eine einzige Lösung setzen“

Die E-Mobilität ist auch bei Nutzfahrzeugen angekommen

E-Mobilität im Kurzstreckenbetrieb: Der britische Milchlieferant Milk & More setzt auf Elektrofahrzeuge. Bild: Deutsche Post

Eric Sax, Leiter des Instituts für Technik der Informationsverarbeitung am KIT. Bild: KIT

 

Neben Tesla mit dem E-Truck haben eine ganze Reihe weiterer Hersteller elektrisch angetriebene Zugmaschinen angekündigt oder testen diese bereits, darunter MAN, Volvo oder Daimler. Aber es gibt noch viele Unsicherheiten – etwa ob die Batterie, die Brennstoffzelle oder doch die Oberleitung die geeignetste Stromquelle ist. In IKZ-Energy äußert sich zu diesem Thema Professor Eric Sax vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Ist der E-Lkw überhaupt eine gute Idee? „Auf jeden Fall“, meint Eric Sax, Leiter des Instituts für Technik der Informationsverarbeitung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Dabei sollte man aber nicht auf eine einzige Lösung setzen, sondern für jede Anwendung individuelle Antworten geben.“
Die Bandbreite im Lastverkehr erstreckt sich von Kurierdiensten, die vornehmlich mit 3,5-t-Transportern unterwegs sind und verhältnismäßig kurze Strecken zurücklegen über 40-t-Sattelschlepper im Fernverkehr bis zu Monster-Maschinen wie Minenfahrzeuge.
Die Bandbreite bezieht sich aber auch auf die Nutzweise. Sax nennt ein Beispiel, um das Bewusstsein für individuelle Lösungen zu schärfen: „Bei Zusteller-Fahrzeugen oder auch der Müllabfuhr, die ständig stoppen und wieder anfahren, gibt es beispielsweise ein gewaltiges Potenzial für Energierückgewinnung aus dem Bremsvorgang.“ Zusätzlich führen solche Fahrzeuge in der Regel abends zurück ins Depot, wo sie aufgeladen werden könnten.

Hybride werden im Lieferverkehr kommen
Beim Lieferverkehr für den Einzelhandel, der vornehmlich mit mittelschweren Lkws von 18 bis 20 t abgewickelt werde, böten sich laut Sax Hybridfahrzeuge an. „Wegen der geringen Lagerkapazitäten in den Märkten werden diese im Schnitt dreimal am Tag beliefert. Das bedeutet jedes Mal 20 km rein in die Stadt, wo vielleicht 10 km gefahren werden, und dann wieder 20 km raus aus der Stadt. Hier könnte innerstädtisch im Batteriebetrieb gefahren werden, meint er. „Das wird spätestens passieren, wenn die Diesel-Fahrverbote kommen.“ Die Mehrkosten in der Anschaffung amortisierten sich hier binnen 4-6 Jahren. Denn kleinere Verbrennungsmotoren reichten aus, was Gewicht und Sprit spare, speziell beim Einsatz eines seriellen Hybriden.

Skepsis bei Oberleitungen
Wenn Laster stets die gleiche Strecke in einem Pendelverkehr führen wie in Kieswerken, Steinbrüchen oder Bergwerken, also zu einer zentralen Stelle wie einem Terminal oder Hafen, könne man über Oberleitungen nachdenken, sagt Sax. Allerdings gebe es hier noch zahlreiche ungelöste Probleme, wie den im Gegensatz zum Zugverkehr unregelmäßigen Verschleiß der Stromabnehmer und deren großen Platzbedarf, der Ladefläche koste.

Brennstoffzelle für Schwerverkehr
Im Fern- und Schwerlastverkehr hält Sax die Brennstoffzelle für die vielversprechendste Variante. Hier sei es schon aus Umweltgründen unerlässlich, vom Diesel wegzukommen. „Alle Effizienzgewinne der vergangenen 30 Jahre wurden von der Gewichtszunahme der Fahrzeuge und der Zunahme des Verkehrs insgesamt aufgefressen“, so Sax. Außerdem werde der Lastverkehr auf der Straße künftig weiter zunehmen. „Selbst wenn es gelänge, das Volumen des Güterverkehrs auf der Schiene zu verdoppeln, hätten wir nur 8 % weniger Verkehr auf der Straße.“ Las­ter mit Batterie hält der Experte dabei für keine gute Lösung: „Bei einem 40-Tonner würden wir 10 t Batterie durch die Gegend fahren.“

Verkannter Kandidat
„Vielleicht ist hier doch die Brennstoffzelle der Stein der Weisen“, sagt Sax. Diese sei noch zu wenig erforscht. „Wir wissen, wie lange ein Dieselmotor und ein Kraftstofftank halten – nämlich sozusagen ewig –, über die Lebensdauer der Brennstoffzelle in unterschiedlichen Einsatzszenarien wissen wir im Vergleich dazu fast nichts.“
Sax plädiert für eine Offenheit zur Vielfalt möglicher Mobilitätslösungen. „Jetzt müssen wir vor allem praktische Erfahrungen sammeln, und das heißt raus auf die Straße“, fordert er. Auch mache es wenig Sinn, die Wirtschaft wegen des Lastverkehrs zu verteufeln. „Stattdessen müssen wir praktikable Lösungen anbieten. Schließlich wollen wir alle jeden Tag frisches Obst im Supermarkt kaufen.“

Autor: Dittmar Koop, Fachjournalist

 


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