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Klimaschutzbericht: Akademisches Rechenexempel

Das Bundeskabinett hat den Klimaschutzbericht 2017 beschlossen. Demnach steuert Deutschland beim Klimaschutz bis 2020 derzeit auf eine CO2-Minderung von etwa 32% gegenüber 1990 zu, so die Schätzung der Bundesregierung. Angestrebt war ursprünglich ein Ziel von 40%, so dass die „Handlungslücke“ voraussichtlich rund 8 Prozentpunkte beträgt. Der Bericht steht nun bereits im Kreuzfeuer der Interessengemeinde.

Bild: Dittmar Koop

Der Klimaschutzbericht steht in der Kritik. Es gibt eine Lücke, sagt die Regierung. Es wird nichts getan, sagen die Kritiker. Bild: Pixabay

 

Interessant ist, dass überhaupt von einer Lücke ausgegangen wurde. Nach eigenem Bekunden hatte die Bundesregierung bereits 2014 erstmals eine rechnerische Lücke bei der Zielerreichung erkannt. Um sie zu schließen, wurden damals das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 sowie der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) beschlossen. Die Maßnahmen sollten zusätzliche Minderungen in einer Größenordnung von 62 bis 78 Mio t CO2 erbringen. Das hat nicht ganz funktioniert, sagt die Bundesregierung.

Der Klimaschutzbericht zeigt nun, dass diese Maßnahmenpakete im Jahr 2020 maximal 52 Mio t CO2 einsparen werden, also zwei Drittel des ursprünglichen Zielwertes. Das liege daran, dass einige Maßnahmen bislang noch nicht den gewünschten Effekt erreicht hätten, lautet die Begründung. Das gelte für alle Sektoren, insbesondere für den Verkehrssektor und den Gebäudesektor.

Überschätzt, vorhergesagt, gedacht, voraussichtlich

Dass die Lücke nun viel größer ist als 2014 angenommen, liege an mehreren Faktoren: Erstens wurde überschätzt, um wie viele Tonnen die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen den CO2-Ausstoß mindern. Das gelte besonders für den Verkehrssektor. Zweitens sei die Wirtschaft deutlich stärker gewachsen als vorhergesagt. Drittens wäre die Bevölkerung stärker gewachsen als gedacht.
Aktuelle Trends unter anderem bei der Wirtschaftsleistung und beim Verkehrsaufkommen ließen befürchten, dass die Lücke sogar noch größer als die derzeit geschätzten 8 Prozentpunkte ausfallen werde.
Der Bericht listet die zirka 110 Maßnahmen auf und stelle detailliert dar, welche CO2-Einsparung diese Maßnahmen im Jahr 2020 voraussichtlich haben werden. Diese Quantifizierung werde durch ein wissenschaftliches Konsortium durchgeführt.

Überzogene Interessen-Reaktionen
Der Unternehmensverband Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) schoss gleich übers Ziel hinaus und titulierte polemisch, dass der Klimaschutzbericht erfolglose Klimaschutzpolitik dokumentiere. „Der bundespolitische Kurs in der Klimaschutzpolitik ist offenkundig wirkungslos, die Zielverfehlung noch größer als erwartet. Die Bundesregierung muss nun zügig alle notwendigen Hebel in Bewegung setzen, um Erfolge beim Klimaschutz zu erzielen“, fordert Simone Peter, Präsidentin des BEE.
Christiane Averbeck, Geschäftsführerin der Klima-Allianz Deutschland, einem Bündnis für Klimaschutz von Organisationen aus dem Bereich Umwelt, Kirche und Gewerkschaften erkennt in dem Bericht sogar einen klimapolitischen Offenbarungseid: „Satte acht Prozentpunkte fehlen zum 2020-Ziel. Seit Jahren herrscht absoluter Stillstand beim Klimaschutz, doch statt endlich Taten sprechen zu lassen, verlagert die Bundesregierung die politische Verantwortung für den Kohleausstieg und die Klimaziele in die Kohlekommission. Zudem rechnet die Bundesregierung ihr eigenes Versagen in der Klimapolitik klein.“

Der Klimaschutzbericht 2017 findet sich unter www.bmu.de/PU492
Die Studie zur 8-Prozent-Lücke findet sich unter
https://www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/Memo-Ueberpruefung-Emissionsminderung-2020.pdf

von Dittmar Koop


Statt Panikmache und Rechenexempel Technik sagen
Dass man den Klimaschutz rechnerisch errechnen und politisch festlegen, dann erreichen oder verfehlen kann, ist sicherlich trotz aller erworbenen Fähigkeiten, die die Menschen besitzen, überzogen. Niemand hat jemals festgelegt, erst recht nicht rechnerisch bezogen auf 1990, was die Welt rettet. Man sollte sich überdies von dem Grundgedanken verabschieden, dass die Welt gerettet werden muss.
Auch angesichts der anstehenden Intersolar: Statt ewige Erneuerbare-Lobby-Panikmache, dass die Welt untergeht und vor dem Ausverkauf steht, wenn nicht schnell mehr Erneuerbare-Energien-Anlagen in die Welt verkauft werden und angeblich davon viel zu wenig überdies, sollten die Realitäten gesehen werden, dass Windkraft, Photovoltaik und Solarthermie boomt. Auch in Deutschland. Einfach, weil es funktioniert.
Auf der Intersolar werden einfach nur Geschäfte gemacht. Und das ist gut. Man sollte das einfach mehr thematisieren und nicht ewig das Klimaschutz-Mantra für Geschäftsabschlüsse vorschieben.
Die Politik indes sollte sich nicht hinter Prozent-Zahlen verschanzen, die kein Mensch auf dieser Welt verbürgen kann. Und rein praktisch gesehen kann auch kein Handwerker zum Kunden mit dem Verkaufsargument gehen, dass es klimapolitisch gerade eine Handlungslücke von geschätzt 10 bis 20 Mio t CO2 gibt und ob er nicht seinen Beitrag dazu leisten möge, diese zu schließen, in dem er eine Photovoltaik-Anlage kauft. Die ganze CO2-Debatte klingt doch sehr wie im 16. Jahrhundert der katholische Ablasszettel und sie besitzt definitiv religiöse Züge. Statt Panikmache, Weltuntergangsstimmung und schätzender Rechenexempel einfach Technik sagen.

von Dittmar Koop


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