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Holzpellets in XXL

Biobrennstoff im knallhart durchkalkulierten Umfeld

Das Nahwärmenetz versorgt den kompletten Marc Cain Campus mit einer gesamten Nutzfläche der Gebäude von über 55 000 m2. Bild: Viessmann

Fundament des neuen Heizkonzepts bei Marc Cain: Ein Holzpelletkessel mit 950 kW Leistung sorgt für die Grundlast. Bild: Viessmann

Vereinfachtes Hydraulikschema der multivalenten Anlage bei Marc Cain. Außer Pellet- und Gas-Brennwertkessel wurde ein kleines ­Blockheizkraftwerk installiert. Dessen Abwärme fließt in die Wärmeversorgung ein. Bild: Viessmann

Ein Gas-Brennwertkessel deckt die ­Spitzenlast ab. Bild: Viessmann

 

Holzpelletgroßkessel punkten mit dem Brennstoff. Invests in solche in Kommunen, Gewerbe und Industrie zahlen sich auch noch weiter aus. Die kleinen Presslinge sind in der Lage, selbst große Objekte zu versorgen. Ein Beispiel ist der Textilhersteller Marc Cain.

Das 1973 gegründete Unternehmen Marc Cain ist heute eine weltweit operierende Premium-Marke für Damenmode mit eigenem Produktionsanteil in Deutschland. Das Unternehmen beschäftigt fast 1000 Mitarbeiter.
Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit wurden zuletzt rund 82 Mio. Euro in Verwaltung, Produktion sowie Forschung und Entwicklung investiert. Allein 35 Mio. Euro flossen in ein Logistikzentrum. Im Zuge dieser Investitionen galt ein beträchtlicher Posten auch dem Bau einer neuen Energiezentrale am Stammsitz des Unternehmens in Bodelshausen unweit von Tübingen.

Nahwärme statt Fernwärme
2015 wurde die bisherige Fernwärmeversorgung eines ortsansässigen Energieversorgers gekündigt und stattdessen eine eigene Heizzentrale mit einem angeschlossenen Nahwärmenetz gebaut. „Die Versorgung durch Fernwärme hat nicht so funktioniert, wie das unseren Planungen und Vorstellungen entsprochen hätte“, sagt Harald Scherm, der bei Marc Cain für die Haustechnik zuständig ist. „Daher fiel zusammen mit dem Neubau des Logistikzentrums auch die Entscheidung für ein eigenes Nahwärmenetz.“ Dieses Netz versorgt den kompletten Marc Cain Campus mit einer gesamten Nutzfläche der Gebäude von über 55 000 m2.

Primärenergie aus Biomasse
Um die Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) zu erfüllen, dass bei einem Neubau zur Wärmeerzeugung 25 % regenerative Brennstoffe und Energien eingesetzt werden müssen, hat sich Marc Cain gleich für die Primärenergie Biomasse entschieden. „Gegenüber Hackschnitzeln erwies sich die Verwendung von Pellets als wartungsfreundlicher“, begründet Scherm die Entscheidung für den Einsatz von Holzpellets als Brennstoff.

Blick in die XXL-Welt
Auf rund 12 000 Anlagen schätzt der Deutsche Energieholz- und Pellet-Verband e. V. (DEPV) hierzulande den Bestand an größeren Pelletfeuerungen mit Leistungen über 50 kW Ende 2018. Der jährliche Zuwachs ist mit rund 800 Anlagen zwar überschaubar, aber auch seit Jahren stabil.
Die Nachfrager sind Kommunen, Gewerbebetriebe und Industrieunternehmen, die mit den kleinen Presslingen heizen wollen. Dafür gibt es ökonomische und ökologische Gründe. Für Unternehmen wie für Kommunen spielt eine weitere Rolle für die Investitionsentscheidung pro Pellets auch der Zugewinn an Image.
Kommunen beziehen über Klimaschutzstrategien und -pläne das Heizen mit Pellets in die Planungen ein zur Reduktion von Treibhausgasen, und es geht den Kommunen dabei auch um eine Vorbildfunktion für die eigenen Bürger, es der Kommune nachzumachen in den eigenen vier Wänden. Studien zeigen, dass Konzerne vermehrt dazu neigen, Zulieferbetriebe nur dann zu beauftragen, wenn sie Konzepte vorlegen, wie sie ihren Kohlendioxidausstoß verringern werden.
Was für Kleinverbraucher gilt, gilt auch für die größeren Nachfrager: Die höheren Anschaffungskosten für die Kessel im Vergleich zu Heizöl oder Erdgas machen sich über niedrigere Betriebskosten durch günstigeren Brennstoff über die Jahre bezahlt.
Bei größeren Pelletfeuerungen kommt noch eine Art Skalierungseffekt hinzu: Mit steigender Leistung nehmen die Kos­ten pro installiertem kW ab. Die Anlagen amortisieren sich schneller.

Holzpelletkessel deckt die Wärmegrundlast
Den Zuschlag im Marc-Cain-Projekt erhielt Viessmann. Ein Grund dafür war auch, dass Viessmann alle Komponenten des geplanten Systems aus einer Hand liefern konnte.
Es handelt sich im Gesamten um eine multivalente Anlage. Im Grundlastbetrieb sorgt ein Holzpelletkessel mit einer Leis­tung von 950 kW für Heizwärme und warmes Wasser. Selbsttätige Funktionen für Brennstoffzuführung, Ascheaustragung und eine pneumatische Heizflächenreinigung ermöglichen den vollautomatischen Betrieb des Kessels. Ein Zyklonfilter und ein elektrostatischer Filter halten sämtliche Schwebteile im Abgas zurück. Spitzenlasten deckt ein Gas-Brennwertkessel ab. Für die Bevorratung einmal erzeugter Wärme wurden vier Heizwasser-Pufferspeicher mit insgesamt 20 000 l ins­talliert.
Für eine Unabhängigkeit von öffentlichen Energieversorgern hat Marc Cain ein
Blockheizkraftwerk (20 kWel) und eine Photovoltaik-Anlage mit 450 kWp installiert.

Fünf t Pellets pro Tag
Das Pelletlager fasst 160 t, von denen pro Tag bis zu fünf t verbraucht werden. Für einen Endverbraucher sind solche Zahlen astronomisch, Marc Cain verbraucht einen Jahresbedarf an Holzpellets einer Durchschnittsfamilie an einem Tag.
Betrachtet man den Tagesbedarf, dann ist das Pelletlager im herkömmlichen Sinne recht klein. Für einen Hausbesitzer ist die Frage recht einfach zu lösen: Er plant das Volumen für die Menge des errechneten Jahresbedarfs. Im Fall von Marc Cain bietet ein volles Lager Puffer für 32 Produktionstage.
Was sich zunächst horrend anhört, bleibt doch ein guter Deal für beide Seiten. Denn der Anlagenbesitzer muss im gegebenen Fall eines hohen Verbrauchs nicht in ein adäquates und damit möglicherweise teures Lager investieren. Dem Brennstoffproduzenten bzw. Händler garantiert der Großverbraucher Absatz und auch Planbarkeit, was er honoriert. Voraussetzung ist allerdings dabei, dass der Lieferant möglichst den Inhalt eines vollen Silofahrzeugs beim Kunden loswerden kann, wenn er ihn häufig anfahren muss.

Autor: Dittmar Koop, Journalist für Erneuerbare Energien

 


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