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Filigran, schick – und produktiv - PV-Stahlseilnetze könnten bald das Stadtbild prägen

Dass Solarstromanlagen federleicht den öffentlichen Raum überspannen und dabei geschwungene Formen wie die von Blättern oder Bäumen annehmen, erscheint zwar als Science Fiction, doch erste Projekte gibt es: Die Solarzellen sind in Stahlseilnetze eingehängt, erzeugen Strom und sind nebenbei Schattenspender, Witterungsschutz und allein vom Aussehen her echte Hingucker.

Die Überdachung „Solargate“ auf der Internationalen Automobilausstellung IAA 2011 in Frankfurt am Main bestand aus einem rechteckigen Stahlseilnetzwerk, in das transparente OPV-Folien eingehängt waren. Bild: Belectric OPV

Fünf sogenannte „Solar Trees“ mit Solarzellen aus OPV überragen den Deutschen Pavillon auf der EXPO 2015. Unter den sechseckigen transparenten Solarzellen in unterschiedlichen Formaten ist eine ebenfalls transparente weiße Textilmembran gespannt. Bild: Nussli Group/Nicolas Tarantino.

Beim Deutschen Pavillon auf der EXPO 2015 in Mailand sind die Module aus OPV mittels Verbindungsfedern in ein Sechseck-Stahlseilnetzwerk eingehängt. Bild: Nussli Group/Nicolas Tarantino.

Im Verbund werden die einzelnen OPV-Folien mittels Clips in Reihe geschaltet und die Zuleitungen an den Rändern mithilfe von Kabelbindern an der Stahlseilkonstruktion abgeführt. Innerhalb der Zellen sind die Leiterbahnen aufgedruckt. Bild: Belectric OPV

Die Detailansicht zeigt den Aufbau eines Stahlseilnetzwerkes: An den Ecken der einlaminierten OPV-Zellen befinden sich Befestigungsösen. Diese werden mittels Kunststoff-Schlaufen, alternativ auch mit Federn, mit den Verbindungsstücken an den Stahlseilen befestigt. Letztere können auch die Form von Klammern oder Krampen besitzen. Bild: Belectric OPV

Für einen Werbeturm der Mainova AG in Frankfurt am Main wurden in einer Leichtbau-Seilkonstruktion Zellen in drei Gruppen mit je drei transparenten OPV-Modulfolien montiert. Bild: Belectric OPV

 

Die wesentliche Neuerung bei PV-Stahlseilnetzen ist die Verwendung flexibler Module aus Organischer Photovoltaik (OPV) in Kombination mit einer extrem leichten Aufhängung. Projektierer und Montagefirmen gewinnen dadurch an völlig neuen Freiheiten, indem sie die Ebene von Dach oder Fassade verlassen und sich den dreidimensionalen Raum mit all seinen Möglichkeiten erschließen.

Optisch attraktiv

„Parkhäuser, Industriegebäude, Brücken oder die seitlichen Flächen großer Verkehrsinfrastrukturen könnten damit ausgestattet werden. Damit würden diese Objekte optisch attraktiver und könnten der Energiegewinnung dienen“, sagt Lennart Wiechell. Der Gesellschafter der Firma Schmidhuber aus München ist leitender Architekt des Deutschen Pavillons auf der diesjährigen Weltausstellung EXPO 2015, die von Mai bis Oktober in Mailand stattfindet. Sein Unternehmen ist für räumliches Konzept, Architektur und Generalplanung zuständig.

Solar Trees zur EXPO

Optischer Höhepunkt des Deutschen Pavillons ist zweifellos die Gebäudehülle, die von fünf sogenannten Solar Trees mit Solarzellen aus OPV überragt wird. Die Solarbäume aus weißbeschichteten Stahlrohren schweben cirka 8 bis 9 m über den Köpfen der Besucher. Pro Baum stehen etwa 30 m² solaraktiver Fläche zur Verfügung, was eine Leistung von 1100 Wp je Baum ermöglicht.
Aus gestalterischen Gründen wurden verschieden große Module in den Bäumen mit unterschiedlich großen Zellflächen belegt. So scheint die Sonne sowohl durch die blau durchschimmernde Zellfläche als auch durch das transparente Laminat hindurch und bietet dem Betrachter die Anmutung eines Blätterdaches. Die Anlage ist in ein spezielles Stahlseilnetzwerk eingefügt, das bislang in dieser Form einzigartig ist. Für die Gesamtausführung des Pavillons ist die ARGE Deutscher Pavillon, bestehend aus den Unternehmen Schmidhuber, Milla & Partner und Nüssli verantwortlich.

Viele Einsatzmöglichkeiten

Für Solar-Stahlseilnetzwerke gibt es eine Vielzahl denkbarer Einsatzmöglichkeiten an Gebäuden oder im öffentlichen Raum. Neben der Überdachung von Bahnhöfen, Plätzen, Innenhöfen etc. könnten auch größere Freiflächen ausgestattet werden.
Zusätzlich zur Stromerzeugung kann die darunter liegende Fläche weiter genutzt werden und bietet je nach Konstruktion des aufgespannten Daches Schutz vor Sonne, Wind und anderen Witterungseinflüssen. Mit ihren leichten, flexiblen und transparenten Zellen bieten Solar-Stahlseilnetzwerke vor allem die Möglichkeit, große Spannweiten zu erzielen.

Planung und Realisierung

Bei der Planung sind vor allem statische Anforderungen zu beachten: Neben der Windlast sind es u.a. mögliche Schneelasten im Winter. EXPO-Architekt Len­nart Wiechell erklärt, worauf es dabei ankommt: „Zunächst haben wir bei der Konstruktion der Bäume darauf geachtet, dass der Formverlauf mit dem Verlauf der wirkenden Kräfte zusammengeht. Von allen möglichen Kräften an diesem Projekt wirken die Windkräfte am stärksten.“
Angriffsfläche sei aber vor allem das weiße formgebende Gewebe. Die Solarmodule seien dagegen geringer betroffen. „Unser Statiker konnte mittels einer speziellen Software simulieren, wie sich die Membran beim Einbringen der Kräfte verhält. Da der Pavillon auf der EXPO nur im Sommerhalbjahr steht, konnten wir aber auch einige Lasten vernachlässigen. So waren zum Beispiel keine Schneelasten zu berücksichtigen.“

Aufbau des Stahlnetzes

Die Komponenten für Solar-Stahlseilnetzwerke sind bei Spezialherstellern zu beziehen, oft noch als Sonderanfertigungen. Zur Aufhängung dienen Masten oder Befestigungen an bestehenden Bauwerken. An dieser wird eine umlaufende Rahmenkonstruktion befestigt, die das Stahlseilnetz trägt. Sie kann als Reling oder Stahlseil ausgeführt sein – letzteres mit Stärken zwischen 6 und 16 mm.
In diesen Aufbau wird das Stahlseilnetz eingehängt, welches verschiedenste Maschenweiten haben kann: quadratisch, rechteckig, dreieckig – sogar sechseckig, wie bei dem jetzigen EXPO-Projekt, für das die in Süßen zwischen Stuttgart und Ulm ansässige Carl Stahl GmbH das Netz lieferte.
Hierzu entwickelte Carl Stahl spezielle Netzklemmen, die die Seile führen und als Anknüpfungspunkt für die Solarzellen dienen. Generell können dafür auch Klammern oder Krampen verwendet werden. Die einzelnen Seile des Netzes haben beim EXPO-Projekt eine Stärke von 4 mm, können je nach Anforderung aber von 1,5 bis 4 mm variieren. In manchen Partien des Netzes werden sie konstruktiv bedingt doppelt geführt, meistens aber einfach.

Aufhängung der Solarzellen

Die Solarzellen besitzen an ihren Ecken verstärkte Ösen, damit sie mittels Laschen oder Schlaufen eingehängt werden können. Beim EXPO-Pavillon bilden Spiralfedern die Verbindung zwischen Netz und Modulen. Da die Monteure die OPV Module erst nach dem Aufhängen des Netzes einfügen, bietet diese Lösung größere Toleranzen für deren Montage.
Bei einem ersten Projekt aus dem Jahr 2012, dem frei stehenden Werbeturm des Energieversorgers Mainova in Frankfurt am Main, wurden neun OPV-Folienzellen mittels Klammern an vertikalen Stahlseilen befestigt. Thomas Ferwagner von dem beteiligten Unternehmen Solartension aus Stuttgart erklärt, auf was bei den Übergängen zu achten war: „Sie müssen den unterschiedlichsten Witterungseinflüssen und Belastungen wie UV-Licht, Wind, Eis und Schnee standhalten, die Folien dauerhaft unter Zugspannung halten, da sie sonst unkontrolliert flattern und an den Punkten zerren. Außerdem müssen sie Bau- und Montagetoleranzen aufnehmen können und mit der Detailierung der Kabelführung der Module abgestimmt sein.“

Montage geht rasch vonstatten

Spätestens auf der Baustelle spielen die Stahl-Netzwerke ihre Trümpfe aus: Der Aufbau erfolgt besonders einfach, wie das EXPO-Projekt gerade erst zeigte: „Die Montage ging erstaunlich fix. Die Stahlnetze wurden vorgefertigt angeliefert und mussten auf der Baustelle nur noch ausgebreitet werden“, berichtet Lennart Wiechell aus Mailand. „Mithilfe von Hubsteigern wurden sie nach oben gehoben und an ihrer Position befestigt. Anschließend konnten die Module mittels der Federn eingehängt werden.“ Eine separate Montage von Netz und Modulen habe sich dabei als praktikabler erwiesen.

Pioniere

Hersteller gibt es für diese Zellen erst sehr wenige. Zu jenen mit der meisten Erfahrung zählt Belectric OPV GmbH aus Nürnberg, die die Technologie und das Stammpersonal 2012 vom US-Unternehmen Konarka übernommen hatte und jetzt auch die Zellen für das Mailänder Projekt lieferte. Das in Nürnberg und Kitzingen ansässig Unternehmen ist Teil der BelectricC-Gruppe, einem der weltweit führenden PV-Projektierer.
Marketing- und Verkaufschef Hermann Issa erwartet, dass seinen Produkten nun bald der lange erwartete Durchbruch bevorsteht: „Die Expo ist für uns aktuell das wichtigste Projekt, um der Internationalen Architekturbranche die Potenziale in der Anwendungs- und Gestaltungsvielfalt der gedruckten OPV zeigen zu können.“

Weiter denken

Issa mahnt, hier viel weiter zu denken: „Wir müssen in den kommenden Jahren die Photovoltaik aus der verhängnisvollen Ecke der Finanzderivate heben. In Zukunft muss der energetische Aspekt in den Vordergrund gestellt werden. Für uns als PV-Hersteller werden die Anforderungen einer dezentralen Energieversorgung von Bauwerken und der energetischen Effizienz von Gebäuden und Hüllen zum bestimmenden Thema werden.“
Vor diesem Hintergrund würden integrative Produktlösungen immer wichtiger. „Das Zulassen von gestalterischen Merkmalen und deren Umsetzung in der Architektur sind hier die maßgeblichen Eintrittsfaktoren, um einen Markt der Architektur­anwendungen zu entwickeln.“ Die jetzt im Deutschen Pavillon gezeigte Integration von PV in eine architektonische Netzlösung als Verschattungssystem und Gestaltungskomponente zeige, dass nicht der finanzielle Ansatz die Triebfeder war, sondern die Machbarkeit in Verbindung mit einer zusätzlichen aktiven Komponente.

OPV ideal für filigrane Tragwerke

Zellen aus OPV sind für Stahlseilnetzwerke ideal, da sie einlaminiert in Kunststofffolien leicht genug für solche filigranen Tragwerke sind. Anders als klassische Photovoltaik nutzt OPV Kunststoffe aus Kohlenstoffverbindungen als photoaktive Schichten. Diese können im Druckverfahren hergestellt werden und haben gerade im Schwachlichtbereich und unter schwierigen Einstrahlungsbedingungen überdurchschnittliche Leistungswerte, was von Vorteil ist, wenn die Anlage nicht so optimal ausgerichtet ist.
Bislang sind OPV-Produkte aber ein Nischenprodukt. Dies liegt mit daran, dass diese Technologie weniger leistungsstark pro Fläche ist als etwa kristalline Technik. Die Wirkungsgrade liegen dabei meist um 4 bis 5%, unter Laborbedingungen werden bis zu 10% erreicht.
Zur Lebensdauer kursieren noch widersprüchliche Angaben. Die Verkapselung der Zellen gilt als große Herausforderung. Bei BelectricC OPV sieht man das Thema gelassen. Hermann Issa: „Die Zellen bei der Mainova-Anlage sind jetzt vier Jahre alt und zeigen keine Degradation. Unsere eigenen Tests sagen mittlerweile in Folie mindestens zehn Jahre Lebensdauer voraus. IEC-Alterungstests beim TÜV haben unsere Folienmodule positiv durchlaufen.“

Weg von den Demonstrationsprojekten

Eine der Herausforderungen bestand lange darin, vollzugelassene Produkte zu bekommen. Dieses Problem ist laut Hermann Issa inzwischen gelöst. Zuvor hatten die Projekte meist temporären Charakter. Noch auf der Internationalen Automo­bilausstellung IAA 2011 in Frankfurt/Main wurde die „Solargate-Überdachung“ nach zwei Wochen wieder abgebaut (Foto). Auch der EXPO-Pavillon in Mailand wird nach seinem Einsatz wieder abgebaut, doch für drei der fünf Bäume ist bereits eine Nachnutzung vorgesehen.
Kurzfristige Einsatzzwecke könnten in der Anfangszeit auch weiterhin nützlich sein, um die Technologie bekannter zu machen: „Gerade bei temporären Veranstaltungen wie bei Sport- oder Musikevents wären solche Konstruktionen auch in Zukunft denkbar, beispielsweise um Besuchern die Möglichkeit zu bieten, dort ihre Handys aufzuladen“, sagt etwa Lennart Wiechell von Schmidhuber. Sollen sie dann auch zum Witterungsschutz dienen, könnten die OPV-Module zudem so gefertigt werden, dass sie sich ähnlich einer Reptilienhaut überlappen und somit für Schutz sorgen.

Weniger ist oft mehr

Die Kosten von Solar-Stahlseilnetzwerken lassen sich derzeit erst schwer ermitteln, gerade weil es sich bei den wenigen Projekten meist um Demonstrationsprojekte handelt. Als Kosten alleine für die OPV-Zellen kann man etwa mit um die 250 – 350 Euro/m² rechnen. Pro installiertem kWp lassen sich aber auch bis zu 30% mehr Stromproduktion als bei klassischen Solarzellen erzielen.
Dass OPV-Projekte ein wirtschaftliches Potenzial besitzen, steht außer Frage: „Grundsätzlich sind vorgespannte Seiltragwerke äußerst materialminimierte Konstruktionen – weniger geht eigentlich nicht mehr“, sagt etwa Thomas Ferwagner von Solartension. „Wenn die OPV den Sprung vom Labor zu einer kostengünstigen Massenfertigung abgeschlossen hat, wird sie mehr als wettbewerbsfähig sein.“ Sobald die letzten Hürden der Technologie ausgeräumt sind, könnte der Verbreitung von Solar-Stahlseilnetzwerken nur wenig im Wege stehen.   

Autor: Martin Frey


Der deutsche EXPO-Pavillon 2015
„Feeding the Planet, Energy for Life“ lautet das Thema der EXPO 2015 in Mailand (1. Mai bis 31. Oktober 2015). Unter dem Motto „Fields of Ideas“ präsentiert sich Deutschland dort als lebendige, fruchtbare „Landschaft“ voller Ideen für die Ernährung der Zukunft. Zentrales Gestaltungselement des Pavillons sind die Anlagen aus Organischer Photovoltaik: stilisierte Pflanzen, die als „Ideen-Keimlinge“ aus der Ausstellung an die Oberfläche emporwachsen und ein großes Blätterdach entfalten.


Weitere Informationen:
Belectric OPV GmbH, www.belectric.com, www.solarte.de
Carl Stahl GmbH, www.carlstahl.com
Schmidhuber, www.schmidhuber.de
Solartension GmbH, www.solartension.com

 


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