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„Es fehlen solare Anlagenbauer als Planer, Projektierer und Betreiber“

Interview mit Uwe Trenkner, Inhaber von Trenkner Consulting, zum Thema solare Prozesswärme

Solare Prozesswärme in der Praxis, Beispiel 1: Das Bild zeigt eine solarthermische Anlage

im Kontext einer solaren Kühlung, auf dem Dach der IHK in Freiburg. Bild: Fraunhofer ISE

Beispiel 2: linear konzentrierender Fresnel-Kollektor der Industrial Solar GmbH. Der Kollektor stellt Wärme für Prozesswärmeanwendungen bei Temperaturen bis 400  °C bereit. Bild: Industrial Solar GmbH

Beispiel 3: Unter Mitarbeit des Fraunhofer ISE entwickelter Prototyp eines Linearen Fresnel Kollektors der Firma Soltigua für solare Prozesswärme bis 250 °C. Bild: Fraunhofer ISE

Beispiel 4: Kollektorfeld der Wäscherei Laguna in Marburg, Lahn. Die RefleC-Kollektorreihe (2 Teilfelder) besitzt eine Glas-Folien-Zweifachabdeckung und einen externen Reflektor. Dieser stützt eine vorgelagerte, ebenfalls doppelt abgedeckte Referenz-Kollektorreihe (Glas-Folien-Kollektor ohne Reflektor, 1. Teilfeld). Bild: Fraunhofer ISE

Beispiel 5: Mirroxx Fresnelkollektor auf dem Dach der Universität von Sevilla/Spanien. Der Kollektor liefert Prozesswärme bei 180  °C und treibt damit eine 2-stufige Absorptionskältemaschine zur solaren Kühlung des Universitätsgebäudes an. Bild: PSE AG/Industrial Solar GmbH

 

Der 45-jährige Politik- und Wirtschaftswissenschaftler Uwe Trenkner ist Inhaber von Trenkner Consulting. Er berät Unternehmen hinsichtlich der Möglichkeiten, solare Prozesswärme zu integrieren. Er lebt mit seiner Familie im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek. Mit ihm sprach IKZ-ENERGY-Redakteur Dittmar Koop über die Gründe, warum die solare Prozesswärme sich so schwer tut, obwohl sie viele Einsatzmöglichkeiten hätte.

IKZ-ENERGY: Herr Trenkner, in welchen Branchen und Unternehmenssparten ist Solarthermie als Erzeugerin von Prozesswärme geeignet?
Uwe Trenkner: Besonders bieten sich natürlich Branchen/Prozesse an, die in einen Temperaturbedarf im Bereich der Solarthermie haben, also bis 200 °C oder 250 °C. Höhere Temperaturen lassen sich mit hochkonzentrierenden Kollektoren erzielen, wie wir sie beispielsweise von den solarthermischen Kraftwerken (CSP) her kennen, aber dieses Segment wird sicher kein Massenmarkt werden. Bereits im Bereich der „normalen“ Flach- und Röhrenkollektoren, also bis ca. 100 °C, gibt es einen enormen Wärmebedarf in der Industrie: Wasch- und Sterilsierungsprozesse, Trocknen, Färben, Lebensmittelverarbeitung etc. Und dann idealerweise dort, wo die Energiekosten hoch sind. Eine der größten solaren Prozesswärmeanlagen steht bei einer Kupfermine in den Bergen von Chile. Die Kosten für den Transport von Diesel mit Lastwagen über mehrere Hundert Kilometer waren so hoch, dass sich ein teilweiser Ersatz durch Solarwärme schnell rentierte.

IKZ-ENERGY: Aber warum setzt sich solare Prozesswärme nur so schwer durch – was sind die Gründe?
Uwe Trenkner: Das ist sehr vielschichtig. Ich nenne nur einige wichtige: erstens die Kurzfristigkeit von Investments. Selbst wo sich Solarwärmeanlagen rentieren, sind deren Amortisationszeiten meist länger als die absurd kurzen, in denen viele Industrieunternehmen denken. Ein Beispiel: Ein Freund von mir arbeitet in einer Unternehmensgruppe im Anlagenbau mit weltweit mehreren Milliarden Euro Umsatz. Er arbeitet dort im Bereich Nachhaltigkeit und eine seiner Aufgaben ist es, Maßnahmen zu entwickeln und vorzuschlagen, die sowohl der Firma als auch der Umwelt nützen. Ich fragte ihn, über welchen Zeitraum sich die Maßnahmen rentieren müssen. Seine Antwort: „Also Projekte, die sich innerhalb eines Jahres rentieren, bekomme ich meistens durch, bei 2 Jahren geht es manchmal, wenn sie besonders interessant sind.“ Es gibt aber wohl keine Solarthermieanlage in der Industrie, die eine solche Amortisationszeit bieten kann. Als Politikwissenschaftler sehe ich in diesem Beispiel ein klassisches Marktversagen, bei dem derzeit die berechtigten Interessen der Gesellschaft – Nachhaltigkeit, Verringerung der Importabhängigkeit im Energiesektor etc. – hinter den Investoreninteressen zurückstehen. Wenn die industriellen Inves­toren nicht umdenken kann es sein, dass die Gesellschaft bzw. die Politik sie dazu zwingt – über höhere Steuern oder Abgaben auf fossile Energien oder den CO2-Ausstoß. Oder durch klare Regulierung, z. B. Mindestanteile von Erneuerbaren Energien bis hin zu Verboten von besonders schädlichen Technologien.

IKZ-ENERGY:
Also fehlt eigentlich die Chance, weil die Bosse anders ticken?
Uwe Trenkner: Die Heineken-Gruppe bspw. hatte sich auch lange Zeit nicht für so ein Investment interessiert, das sich rechnerisch nach 8 – 10 Jahren rentierte. Erst die Finanzkrise mit dem Fehlen von alternativen Investmentmöglichkeiten hat dann die Möglichkeit eröffnet, auch einmal etwas Längerfristigeres zu machen. Der österreichische Verband Austria Solar kam einmal zu dem Schluss, dass Zielgruppen für solare Prozesswärme gerade alte, familiengeführte Unternehmen seien. Dort haben die heutigen Eigentümer die Anlagen bereits von ihren Eltern und Großeltern geerbt und es ist einfach klar, dass ihre Investionen heute auch einmal der nächsten Generation zugute kommen soll. Das ist ein ganz anderes Denken/Entscheiden als z. B. bei börsennotierten Unternehmen.

IKZ-ENERGY: Okay, diese kann man gewinnen. Aber die entscheiden ja auch nicht aus dem Bauch. Wer sind die anderen Akteure, die eigentlich rational beraten und dann abraten?
Uwe Trenkner: Die Haupthürde ist der Konservatismus bei Ingenieuren. Gerade, wo es um Prozesse geht, die „mission critical“ sind, wollen Ingenieure lieber die seit Jahrzehnten erprobten Wege gehen und keine Risiken eingehen. Wenn die Raumheizung oder das Warmwasser in der Werkskantine ausfällt, ist das nicht schön – aber es stoppt nicht den gesamten Betrieb. Wenn die Wärme aber für die Produktion unabdingbar ist, dann soll das aber auch unterbrechnungsfrei zur Verfügung stehen. Da sind die zuständigen Ingenieure verständlicherweise risikoavers. Das trifft dann halt alle Lösungen, die nicht dem althergebrachten Standard entsprechen – auch die Solarwärme. Deshalb sind viele solare Prozesswärme-Systeme als Pre-Heater konzipiert. Hierbei wärmt solare Energie ein Medium vor und ein weiterer – meist konventioneller – Wärmeerzeuger sorgt dafür, dass immer genug Wärmeenergie zur Verfügung steht. Ein Ausfall solarer Wärme, z.B. aufgrund ungenügender Sonneneinstrahlung, kann somit einfach kompensiert werden.

IKZ-ENERGY:
Wie kann ich mir die Skepsis vorstellen?
Uwe Trenkner: Im Fall der Bierbrauer war zum Beispiel ein zentrales Problem, dass der Brauprozess zwar mit Temperaturen von 80 °C – 90 °C auskommt, seit einem Jahrhundert dieser aber mit Dampf auf 120 °C gespeist wird. Hier musste ein Umdenken der Zulieferindustrie erreicht werden, was im konkreten Fall möglich wurde, weil Heineken als ein großer Kunde dies ausprobieren wollte. Am Markt gab es solche Anlagen zuvor gar nicht.

IKZ-ENERGY: Was kann man daraus ableiten als grundsätzliche Parameter dann für andere?
Uwe Trenkner: Wichtig ist der zeitliche Verlauf des Wärmebedarfs. Ideal sind Industrien/Prozesse, die vor allem dann Wärme benötigen, wenn auch ausreichend Solarenergie zur Verfügung steht. Thermischer Speicher ist zwar viel kos-
tengünstiger als elektrischer, aber immer auch nicht kostenlos. Außerdem fehlt mitunter der Platz für große thermische Speicher. Ein Beispiel für eine Anwendung, die gut zur Solarthermie passt: Flaschenspülen in einem Mineralwasserbetrieb. Denn der Absatz an Mineralwasser – und damit der Wärmebedarf für das Flaschenspülen – erreicht seinen Höhepunkt im Sommer, wenn viel Solarenergie zur Verfügung steht. In anderen Fällen kann es genau umgekehrt sein: Der größte Wärme­bedarf besteht im Winter. Dann muss man schauen, ob saisonale Speicher infrage kommen, die genügend Wärmeenergie im Sommer aufnehmen können, um damit im Winter Wärme bereitstellen zu können. Manchmal kommt man aber auch zu dem Schluss, dass Solarthermie hier nicht die richtige Technologie ist.

IKZ-ENERGY:
Welche Hürden gibt es noch?
Uwe Trenkner: Zu geringe Kosten für konventionelle Energie. Das ist nach wie vor ein wichtiger Aspekt. Solange die Industrie nicht die wahren Kosten der fossilen Energienutzung zahlen muss, haben Erneuerbare Energien einen Nachteil. Und eine weitere Hürde: zu geringe Bekanntheit. Viele Entscheider kennen Solarwärme nicht und kommen nicht einmal auf die Idee, diese für ihre Zwecke zu nutzen. Wenn man sich das erfreulich zunehmende Interesse in der Fernwärme-Branche in Deutschland anschaut, ist das z. T. ein langwieriger Prozess. In Dänemark wird solare Fernwärme ja seit Jahrzehnten und schon lange ohne Subventionen ausgebaut. In anderen Ländern ist das immer noch „neu“ oder „innovativ“, verbunden mit größerer Vorsicht aufseiten der Unternehmen.

IKZ-ENERGY:
Welche Hausaufgaben müssen also gemacht werden?
Uwe Trenkner: Für das Segment der industriellen Prozesswärme muss sich die Solarthermiebranche anders aufstellen: Jahrzehntelang hat sich der Markt auf Wohngebäude ausgerichtet und der überwiegende Markt in Deutschland – und anderswo – waren und sind Ein- und Zwei-Familienhäuser. Hersteller haben sich als Hardware-Lieferanten verstanden, die Produkte – oft über den Großhandel – an SHK-Installateure verkauft, die es dann an die Endkunden verkaufen/installieren. Dieses Marktmodell funktioniert im industriellen Segment nicht. Hier müssen Firmen Projekte entwickeln, Finanzierungen mitbringen, vielleicht sogar Wärmecontracting anbieten. Dieses Dienstleistungswissen haben die wenigsten Solarwärmeunternehmen je gelernt. Es fehlen solare Anlagenbauer als Planer, Projektierer und Betreiber!

IKZ-ENERGY: Herr Trenkner, vielen Dank für das Gespräch!


Zur Person:
Uwe Trenkner war von 2005 bis 2009 Generalsekretär des Europäischen Solarwärmeverbands ESTIF (heute „Solar Heat Europe“). Der Branche ist er anschließend treu geblieben – als Managementberater in der Solarthermie mit Schwerpunkten Strategie, Märkte und Policies. Ein weiteres Standbein ist die Jobbörse greenjobs.de für „Umweltfachkräfte“, die er im Jahr 2000 mit einem Freund gründete. Gemeinsam mit den Machern der Zeitschrift Solarthemen betreibt er zudem die Jobbörse eejobs.de für Jobs in den Erneuerbaren Energien und seit Mitte letzten Jahres auch den SolarServer.


 


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