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Die schwierige Suche nach Ersatzkältemitteln

Phase-Down macht die Kältebranche nervös – auch, weil es an Alternativen derzeit noch mangelt. Eine erhöhte Verfügbarkeit rückgewonnener Kältemittel könnte einen längeren Betrieb von Kälteanlagen ermöglichen

Integrierte Kälteanlage in einer RLT-Anlage. Bild: Wolf

 

Es herrscht Unruhe in der Kälte- und Klimabranche. Die gezielte Verknappung von Kältemitteln treibt die Preise in nicht vorhergesehene Höhen. Die Verbände schlagen Alarm und warnen in einer gemeinsamen Verbändeposition bereits vor ungewollten volkswirtschaftlichen und klimapolitischen Kollateralschäden.

Hintergrund dieser Situation ist die beschlossene Reduzierung von klimaschädlichen Treibhausgasen, die nach einem festgelegten Fahrplan seit 2017 erfolgt. Seit Januar 2018 greift die zweite Stufe, in der nur mehr 63 % dieser Gase im Vergleich zu 2010 in den Verkehr gebracht werden dürfen. Dies betrifft alle gängigen Kältemittel, die momentan in der Klimatechnik verwendet werden. Da ein Ersatz mit alternativen, klimafreundlichen Gasen nicht so leicht umzusetzen ist, führt diese Reduktion zu einer Verknappung der verfügbaren Kältemittel, was einerseits die Preise stark steigen lässt und andererseits die Verfügbarkeit für die Handwerksbetriebe einschränkt. Die Branche steckt nun in der Zwickmühle zwischen dem Klimaschutz, der durch die Verbände ausdrücklich befürwortet wird, und der Umsetzung in der Praxis.

Am Anfang war das ­Kyoto-Protokoll…
Im Kyoto-Protokoll einigten sich 1997 die beteiligten Staaten zu einer Verringerung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase. In einer ersten Verpflichtungsperiode von 2008 bis 2012 sollten die Treibhausemissionen um 5,2% gegenüber 1990 reduziert werden. Deutschland wurde dabei in einem EU-internen Lastenverteilungsverfahren zu einer Einsparung von 21% verpflichtet. Die Umsetzungsregeln traten am 16. Februar 2005 in Kraft. Bis Dezember 2011 wurde das Protokoll von 191 Staaten und der EU ratifiziert.
In Doha / Katar wurde 2012 die Fortführung des Kyoto-Protokolls mit einer zweiten Verpflichtungsperiode von 2013 bis 2020 als „Kyoto II“ beschlossen. Die EU hat sich dabei zu einer Reduzierung der Treibhausgase um 20% bekannt. Deutschland hat diese zweite Verpflichtungsperiode Ende 2017 ratifiziert.

… dann kam die F-Gase-Verordnung
Um die Emissionen der im Kyoto-Protokoll erfassten Treibhausgase einzudämmen, zu unterbinden und damit zu reduzieren, wurde 2006 die Verordnung (EG) Nr. 842/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über bestimmte fluorierte Treibhausgase erlassen. Diese sogenannte F-Gase-Verordnung regelt die Kontrolle von Anlagen, welche treibhausfördernde Fluorkohlenwasserstoffe enthalten. Darin wurde eine regelmäßige Dichtheitsprüfung in von der Füllmenge abhängigen Abständen und deren Protokollierung vorgeschrieben. Die Prüfungsintervalle wurden mit 12 Monate für Anwendungen ab 3 kg Füllmenge, 6 Monate ab 30 kg Füllmenge und 3 Monate ab 300 kg Füllmenge festgelegt.  
Die Verantwortung liegt dabei beim Betreiber, der dafür sorgen muss, dass zertifiziertes Personal die Kontrollen durchführt. Die verpflichtende Dokumentation erfolgt in der Regel in einem Betriebshandbuch, das der Betreiber aufbewahrt.
Betroffen von der F-Gase-Verordnung sind praktisch alle gängigen Kältemittel in der Kälte- und Klimatechnik, wie beispielsweise R407C, R410A oder R404A.
Zum 1. 1. 2015 wurde diese erste F-Gase-Verordnung durch eine neue Version ersetzt, die Verordnung (EU) Nr. 517/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über fluorierte Treibhausgase und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 842/2006. Darin ist die regelmäßige Dichtheitsprüfung weiterhin vorgeschrieben, allerdings werden die Abstände nicht mehr in Abhängigkeit der Füllmenge, sondern des CO2-Äquivalents zur Füllmenge bestimmt. Ausnahmen gibt es bei hermetisch geschlossenen Einrichtungen mit weniger als 10 t CO2-Äquivalent, die nicht den Dichtheitskontrollen unterliegen.
Das CO2-Äquivalent der Füllmenge berechnet sich aus dem Produkt der Füllmenge in kg und dem GWP-Wert. GWP steht dabei für Global Warning Potenzial und gibt das Maß für die erhöhte klimaschädliche Wirkung des betrachteten F-Gases im Vergleich zu Kohlendioxid im Zeitraum von 100 Jahren an. Die GWP-Werte einiger gängiger Kältemittel zeigt Tabelle 2.
Das Kältemittel R410A hat beispielsweise eine 2088 mal so hohe schädliche Wirkung als CO2, oder anders gesagt, 1 kg R410A entspricht der Wirkung von 2088 kg CO2.
Das CO2-Äquivalent wird mit Füllmenge x GWP-Wert berechnet. Bei 5 kg R410A ergäben sich 5 kg x 2088 = 10 044 kg, also 10,04 t. Eine Dichtheitsprüfung müsste daher alle 12 Monate durchgeführt werden.
Werden bei einer Dichtheitsprüfung Leckagen festgestellt, so müssen diese unverzüglich repariert werden. Einen Monat nach erfolgter Reparatur muss die betroffene Anlage erneut von zertifiziertem Personal untersucht werden.

Aufzeichnungspflicht und Mengenbegrenzung
Der Betreiber ist verpflichtet, Aufzeichnungen mit ausführlichen Informationen über Art und Menge der verwendeten F-Gase und die durchgeführten Wartungen zu führen und diese mindestens 5 Jahre aufzubewahren. Den Unternehmen, die im Auftrag des Betreibers Arbeiten an den Anlagen durchführen, wird empfohlen, eine Kopie der Aufzeichnungen ebenfalls 5 Jahre lang zu archivieren. Folgende Informationen werden dabei dokumentiert:

  • Menge und Art der F-Gase,
  • Menge an F-Gasen, die bei einer Wartung oder sonstigen Tätigkeit hinzugefügt wurden,
  • Rückgewonnene F-Gase,
  • Datum und Ergebnisse der Dichtheitskontrollen,
  • Bei Stilllegung: Maßnahmen zur Rückgewinnung und Entsorgung der F-Gase.

Als ein weiteres Ziel der neuen F-Gase-Verordnung kommt nun noch eine Begrenzung für das Inverkehrbringen von teil­fluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKWs) und damit ein Abbau der vorhandenen Menge dieser klimaschädlichen Gase hinzu. Dies erfolgt stufenweise in dem sogenannten „Phase-Down“-Ablauf, in dem Höchstmengen für das Inverkehrbringen festgelegt sind. Weiterhin wurden Stichtage für Verbote des Inverkehrbringens bestimmter Anlagenausführungen festgelegt. Bis 2030 sollen die Gesamtmengen so auf ein Fünftel der Mengen von 2010 reduziert werden.

Quotensystem hat Auswirkungen auf Preise

Um die vorgegebene Reduzierung erreichen zu können, wurde ein Quotensys­tem für alle Hersteller und Einführer, die HFKWs von mehr als 100 t CO2-Äquivalent pro Jahr importieren bzw. produzieren, eingeführt. Für die Verwaltung der Quoten wurde von der EU ein zentrales elektronisches Register angelegt. Die Zuweisung der Quoten auf die Hersteller und Einführer basiert zunächst auf den durchschnittlichen Mengen von 2009 bis 2012 und wird von der Europäischen Kommission überwacht. Dieser Wert wird alle drei Jahre neu berechnet. Die Registrierung in dem Regis­ter ist für alle Hersteller und Einführer, die eine Quote zugewiesen bekommen haben, verpflichtend.
Die Reduzierung der F-Gase wirkt sich bereits stark auf die Kältemittel-Preise aus. Die Verbände beklagten eine Preissteigerung bei den wichtigsten marktgängigen Kältemitteln zwischen erstem und drittem Quartal 2017 um den Faktor 2 bis 5. Eine Marktanalyse der Europäischen Kommission hat ebenfalls einen dramatischen Anstieg seit Anfang 2017 festgestellt. Besonders bei R404A, dessen Verwendung aufgrund des hohen GWP-Wertes ab 2020 verboten wird, wurde um 500% teurer. Daher empfehlen die Industrieverbände AREA, ASERCOM, EFTCT und EPEE dringend den sofortigen Ausstieg aus R404A und nicht erst 2020, wenn das Verbot greift.

Alternativen sind nicht einfach zu finden
Als größte Herausforderung in der Kältebranche gilt es nun, geeignete Alternativen zu finden und einzusetzen. Bei vorhandenen Anlagen, deren Lebensdauer noch lange nicht vorbei ist, ist dies jedoch nicht so einfach. Wenn hier der Bedarf einer Nachbefüllung vorhanden ist, kann nicht einfach ein anderes Kältemittel verwendet werden, da die Anlagen zum Betrieb mit dem eingesetzten Mittel ausgelegt sind. Ein solcher „Drop-In“ wirkt sich auf die Effizienz und die Einsatzgrenzen der Anlage aus, im schlimmsten Fall könnten Komponenten sogar beschädigt werden und Anlagen ausfallen. Ein kompletter Austausch einer Anlage ist aus wirtschaftlichen Gründen oft nicht vertretbar. Man muss also davon ausgehen, dass bei vorhandenen Anlagen noch so lange wie möglich herkömmliches Kältemittel eingesetzt wird. Da rückgewonnene HFKWs mit einem GWP > 2500 zu Wartungszwecken noch bis 2030 verwendet werden dürfen, werden diese bei Anlagen mit R404A hierbei eine besondere Rolle spielen. In der EU recycelte Kältemittel mit niedrigerem GWP, wie beispielsweise R407C, fallen nicht unter den Phase-Down. Eine erhöhte Verfügbarkeit rückgewonnener Kältemittel könnte daher den Druck des Phase-Down vermindern und einen längeren Betrieb von Kälteanlagen ermöglichen.

Bei Neuanlagen müssen in Zukunft Alternativen zu den ausscheidenden

HFKWs wie R404A verwendet werden. Auch für Gase die weiterhin zulässig sind, wie R407C oder R410A, müssen Alternativen gefunden werden. Damit die Hersteller und Einführer trotz niedriger Quoten ausreichend Kältemittel liefern können, sind möglichst niedrige GWP-Werte unbedingt erforderlich. Natürliche Kältemittel, wie Propan, Butan, Ammoniak und CO2, haben zwar sehr niedrige GWP-Werte und gute thermodynamische Eigenschaften. Allerdings sind diese Stoffe brennbar oder giftig oder benötigen hohe Anlagendrücke. Der Einsatzbereich ist daher stark eingeschränkt. Für Anwendungen, wie beispielsweise integrierte Kälteanlagen in RLT-Anlagen, sind brennbare und toxische Gase ungeeignet.
Der Zusammenschluss EPEE (European Partnership for Energy & the Enviroment) empfiehlt bei R404A zunächst eine Umstellung auf R134A. Der deutlich geringere GWP von 1430 erlaubt die Verwendung auf längere Sicht. Trotzdem ist aufgrund der allgemeinen Reduzierung auch R134A von Preissteigerungen und Verknappung betroffen.
Als Ersatz für R407C und R410A gelten momentan das schwer entflammbare R32 und Gemische aus R32 und HFO. Durch den geringen GWP-Wert von 675 sollte R32 auf längere Sicht verfügbar sein. Da der Wert unter der Grenze von 750 liegt, wäre es auch für Mono-Split-Klimageräte nach 2025 einsetzbar. Allerdings ist R32 leicht brennbar und daher nicht für jede Anwendung unbedingt geeignet. Nicht brennbare Alternativen mit vergleichbarer Kälteleis­tung und Effizienz stehen aktuell nicht zur Verfügung. Solange dies nicht der Fall ist, wird R410A und R407C wohl zumindest teilweise weiter verwendet werden.
Insgesamt wird sich der Markt den Vorgaben der F-Gase-Verordnung anpassen müssen. Kältemittel mit hohen GWP-Werten müssen durch klimafreundlichere ersetzt und gleichzeitig vermehrt rückgewonnene Kältemittel eingesetzt werden. Weiter werden Kälteanlagen mit geringen Füllmengen an Bedeutung gewinnen. Langfristig wird im Angesicht eines stetig wachsenden Bedarfs von Kälteanlagen die Entwicklung von geeigneten Ersatzkältemitteln weiter forciert werden müssen, um auch über 2030 hinaus den Betrieb vorhandener Anlagen sicherzustellen und den Bedarf von Neuanlagen zu decken.

Autor: Alexander Mörwald, Teamleiter Kundenservice/Technische Dienstleistungen Klima, Wolf GmbH

Literatur:
[1] Umweltbundesamt (www.umweltbundesamt.de)
[2] Amtsblatt der Europäischen Union: Verordnung (EG) Nr. 842/2006 desEuropäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über bestimmte fluorierte Treibhausgase
[3] Bayerisches Landesamt für Umwelt: Die neue EU F-Gase-Verordnung 2014
[4] Merkblatt des Landesamts für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit
[5] Broschüre „Bleiben Sie im Geschäft“ der Verbände AREA, ASERCOM, EFCTC, EPEE
[6] Verordnung (EU) Nr. 517/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über fluorierte Treibhausgase und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 842/2006
[7] Verbändeposition zum F-Gas-Phase-Down, 01/2018
[8] Präsentation „Der HFKW Phase-Down in Europa“, EPEE


Betroffen von der F-Gase-Verordnung sind praktisch alle gängigen Kältemittel in der Kälte- und Klimatechnik.


1 kg R410A entspricht der Wirkung von 2088 kg CO2.

 


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