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„Die Energiewende gelingt nicht ohne den Wärmemarkt“

Frank Mattat, Geschäftsführer des Energiedienstleisters Gasag Solution Plus, im IKZ-Interview

Zur Person: Der studierte Kaufmann Frank Mattat stieg schnell, jeweils in leitender Funktion, in den Markt der Energiewirtschaft ein, unter anderem bei Harpen EKT, als „Head of Biomass“ bei RWE Innogy und bei der BTB GmbH. Ab 2014 leitete er zunächst die Gasag Contracting. Mit Gründung der Gasag Solution Plus im April 2017 ist er Sprecher der Geschäftsführung in dem neuen Energiedienstleistungsunternehmen. Bild: Sebastian Runge/Bildschön

Innovative CO2-neutrale Versorgung für einen traditionsreichen Standort: der Euref-Campus in Berlin-Schöneberg. Bild: Gasag Solution Plus

Das Quartier Maselake in Berlin-Spandau. Hier werden rund 2500 Wohneinheiten mit Nahwärme versorgt. Bild: Gasag Solution Plus

 

Frank Mattat ist Geschäftsführer des Energiedienstleisters Gasag Solution Plus. Die GmbH wurde im April 2017 gegründet. Davor leitete er die Contracting-Sparte der Berliner Gasag, die neben anderen Bereichen in das neue Tochterunternehmen aufgegangen ist. Wir haben uns mit ihm über dezentrale Versorgungslösungen im urbanen Raum unterhalten, welchen Stellenwert Erneuerbare Energien dabei einnehmen und welche Bedeutung er dem Energieträger Gas beimisst.

IKZ-ENERGY: Herr Mattat, die Gasag fasst die Bereiche Contracting, Metering Services und ganzheitliche innovative Kundenlösungen für Großprojekte in der neuen Tochter Gasag Solution Plus zusammen. Warum diese Bündelung?
Frank Mattat: Diese drei Bereiche bleiben die inhaltlichen Schwerpunkte der ­Gasag Solution Plus. Indem wir sie in einem Unternehmen zusammenfassen, können wir unseren Kunden entlang der gesamten Wertschöpfungskette integrierte Lösungen bieten. Dafür ist es wichtig, ganzheitlich zu denken und Produktion, Verteilung und Nutzung intelligent miteinander zu verknüpfen. Energieeffizient, dezentral, technologieoffen – und das alles aus einer Hand.

IKZ-ENERGY: Ihre Zielgruppen sind die Immobilienwirtschaft, die öffentliche Hand, Industrie und Gesundheitswesen. Die Immobilienwirtschaft liegt Ihnen anscheinend besonders am Herzen, sie haben sich mit zwei Unternehmen aus der Branche zusammengetan.
Frank Mattat: Energieeffizienz ist natürlich ein ganz wichtiges Thema für den nachhaltigen Werterhalt und auch die Wertsteigerung von Immobilien. Wir sind mit der G2Plus GmbH ein Joint Venture mit der Gegenbauer-Gruppe eingegangen. Gemeinsam bieten wir Energiedienstleis­tungen an, insbesondere technische Ins­pektionen, Auditierungen und Energiemanagement-Systeme.
Eine zweite Kooperation sind wir in diesem Jahr mit der CG-Immobiliengruppe eingegangen. Wir haben die CG Netz-Werk GmbH gegründet. Unser Ziel ist, mit effizienten Versorgungskonzepten und ergänzenden Mieterstromprodukten langfristig die Nebenkosten zu minimieren und die Attraktivität der Immobilien zu steigern.

IKZ-ENERGY: In diesem Zusammenhang sprechen sie von Quartierslösungen. Der Fokus auf das einzelne Gebäude ist nicht mehr ausreichend?
Frank Mattat: Je größer das Projekt, des­to mehr haben wir natürlich die Möglichkeit, Systeme sehr viel effizienter einzusetzen. Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist in einer Einzelimmobilie durchaus einsetzbar. Aber ihre gesamte Wirkung entfaltet sich deutlich besser in dezentralen Systemen, in Quartierslösungen. Das hat mit den Skaleneffekten zu tun, sie sich sowohl bei der Investition als auch beim Betrieb niederschlagen. Lassen sie es mich vielleicht ein wenig plakativ sagen: Sie können einfach im Quartier größer denken. Und das schafft Möglichkeiten, die weit über die reine Versorgung mit Wärme, Kälte oder Strom hinausgehen.

IKZ-ENERGY: Können Sie dies an Projekten erläutern?
Frank Mattat: In Hohenschönhausen, hier in Berlin, wird in diesem Jahr ein kleiner Stadtteil errichtet werden. Investiert wird durch einen privaten Projektentwickler, später erwerben kommunale Wohnungsbaugesellschaften der Stadt das Quartier. Die Wärmeversorgung wird durch ein dezentrales System von Blockheizkraftwerken (BHKWs) sichergestellt. Der generierte Strom wird als Mieterstrom angeboten, gelabelt als Strom der Kommunalgesellschaften. Solch ein Modell haben wir schon einmal an anderer Stelle umgesetzt. In Hohenschönhausen werden wir aber zusätzlich zum Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung Mieterstrom über Photovoltaik-Anlagen anbieten. Die Lösung hatten wir übrigens schon bedacht, da war das Mieterstromgesetz noch gar nicht verabschiedet. Wir werden auch über Mobilitätskonzepte für das Quartier sprechen, d. h. über Carsharing, aber auch über E-Bike-Sharing-Systeme. E-Mobilität und die dafür benötigten Ladeinfrastrukturen sind natürlich bedeutend. Ein Mobilitätskonzept macht in einem Quartier natürlich sehr viel mehr Sinn als bei einer Einzel­immobilie. In Berlin-Wilmersdorf haben wir für ein Neubauviertel mit gut 1000 Wohnungen eine komplette Ladeinfrastruktur in den Tiefgaragen implementiert. Auch dort werden wir gemeinsam mit einem Partner ein Carsharing-Angebot entwickeln.

IKZ-ENERGY: Mit der Provedo GmbH haben sie in diesem Jahr einen Smart-Home-Anbieter erworben. Wozu benötigen Sie dieses Know-how?
Frank Mattat: Mit dem Erwerb der Provedo haben wir nun das Know-how zur Hand, die energetischen Bereiche von Gebäuden automatisiert zu vernetzen und so eine Optimierung des Energieverbrauches zu erzielen, beispielsweise, in dem sich die Heiztemperatur an das Nutzungsverhalten anpasst. Aber damit sind die Potenziale der Gebäudeautomation natürlich noch lang nicht ausgeschöpft. Was uns zunehmend umtreibt, ist die Frage der intelligenten Vernetzung von Produktion, Distribution und Konsumtion. Hier sind wir bei einem ganz spannenden Aspekt der Digitalisierung: Wie kann ich über Algorithmen ein System in die Lage versetzen, selbstlernend Verbrauchsverhalten in die Energieproduktion einzubeziehen? Wie kann ich Wetterprognosen einfließen lassen, wie können letztlich auch Markdaten in ein intelligentes System einfließen?
In dem Bereich arbeiten wir sehr eng mit der Provedo und Geo-En Energy Technologies zusammen.

IKZ-ENERGY: Sie haben den Geothermie-Spezialist Geo-En aus Berlin im April übernommen. Welche Bedeutung hat die Geothermie in ihrem Portfolio?
Frank Mattat: Wir beschäftigen uns derzeit sehr mit multivalenten Versorgungssystemen, bodennaher Geothermie in Verbindung mit Kraft-Wärme-Kopplung, Photovoltaik, Solarthermie. Das sind Systeme, die eine hohe Komplexität, aber auch eine sehr hohe Effizienz haben. Ich denke, die Nachfrage wird in Zukunft stark sein.

IKZ-ENERGY: Welche Bedeutung hat Gas in Ihrem Portfolio?
Frank Mattat: Wir sind überzeugt, dass Gas in den kommenden Dekaden eine maßgebliche Rolle bei der Erreichung der Klimaschutzziele spielen wird und spielen muss. Spielen wird, weil wir über eine gut funktionierende Infrastruktur verfügen, weil wir einen Markt haben, der faire Preise generiert und weil wir Erzeugungstechnologien einsetzen können, die hocheffizient sind. Spielen muss, weil wir die Energiewende bezahlbar machen müssen. Technisch ist viel möglich, aber wir müssen die Kosten im Auge behalten. Mit dem deutschen Verbundnetz und seinen Erdgasspeichern haben wir ein hervorragendes Speichersystem zur Verfügung – und mit Power-to-Gas lässt sich Erzeugung und Verbrauch beim Ökostrom räumlich und zeitlich entkoppeln. Das Gasnetz wird quasi zum Speicher der Energiewende.

IKZ-ENERGY: Wie sieht es aus mit Batteriespeichern? Können Sie diese schon wirtschaftlich einsetzen?
Frank Mattat: Batteriespeicher rechnen sich für uns noch nicht. Wir sehen aber einen massiven Preisverfall und wir können davon ausgehen, dass sie in den nächsten drei bis fünf Jahren zu marktgerechten Preisen zur Verfügung stehen werden. Bei einem Projekt, das wir gerade in der Umsetzung haben, haben wir Flächen für Batteriespeicher eingeplant. Technisch macht das Sinn, wirtschaftlich zum heutigen Stand noch nicht.

IKZ-ENERGY: Auf dem Euref-Campus in Berlin nutzen Sie überschüssigen Sonnen- und Windstrom aus dem Berliner Umland, um eine Anlage zu betreiben, die sowohl Wärme als auch Kälte produziert.
Frank Mattat: Mit dem Euref-Campus haben wir schon zusammengearbeitet, als die Contracting-Sparte noch ein Teil der GASAG war. Wir betreiben dort u.a. ein biomethan-betriebenes BHKW und ein Kältenetz mit entsprechenden Anlagen, erreichen schon heute die Klimaschutzziele für 2050 – zu Kosten, die vergleichbar mit denen klassischer Fernwärme sind. Jetzt haben wir dort eine Power-to-Heat-Anlage mit einer Leistung von 500 kWel in Kombination mit einer Power-to-Cool-Anlage, die 200 kWel erzeugt, installiert. Diese Kombianlage ist in die bestehende Wärme- und Kälteversorgung integriert. Sie ist Teil des WindNODE-Projektes, mit der wir Techniken testen, die Erzeugung und Verbrauch erneuerbaren Stroms optimal aufeinander abstimmen.
Wir können mit dem System aus Strom­überschüssen Wärme oder Kälte produzieren. Zudem ist die Anlage in unserem EcoPool eingebunden, ein virtuelles Netzwerk aus dezentralen Blockheizkraftwerken. Die im EcoPool gebündelten Anlagen werden maximal ausgelastet, das ist für die wirtschaftliche Optimierung wichtig. Der ungenutzte Strom wird wie von einem einzigen Großkraftwerk auf dem Handels- und Regelleistungsmarkt verkauft. Die Vergütung fließt an die Anlagenbesitzer. Sie sehen, der Energieversorger ist mittlerweile auch ein Systemintegrator.

IKZ-ENERGY: Halten Sie Ordnungsrahmen für Energieeffizienz in Deutschland ausreichend?
Frank Mattat: Die Energiewende gelingt nicht ohne den Wärmemarkt. Eine entscheidende Frage dabei ist: Was machen wir mit dem Bestand? Wir haben ausreichende Rahmenbedingungen für den Neubau. Da sind wir tatsächlich sehr gut aufgestellt. Wenn ich mir Bestandsimmobilien und die Sanierungsquote bei Energieerzeugungsanlagen anschaue, dann wird deutlich: Wir brauchen mehr Anreize, um stärker in die Sanierung von Wärmeerzeugungsanlagen zu investieren. Das ist für mich ein maßgeblicher Hebel zum Erreichen einer hohen Energieeffizienz und der Klimaschutzziele für 2050.

IKZ-ENERGY: Lassen Sie uns konkret werden: Welche Effekte lassen sich mit Sanierungen im Bestand erzielen?
Frank Mattat: Wenn sie die Versorgungssysteme erneuern, sind 10 bis 15 % Einsparung immer möglich. Wir streben in der Regel 25 % plus X an. Wir haben hier in Berlin das Ullstein-Haus energetisch saniert, haben dort die Ener­gieversorgung auf biomethan-basierte KWK umgestellt und die Erzeugungsanlage erneuert. Die Eingriffsmöglichkeiten in die Bausubstanz waren stark eingeschränkt, das Gebäude ist denkmalgeschützt. Dennoch haben wir 35 % Energieeinsparung erreichen können. In einem anderen Projekt mit einer Wohnungsbaugesellschaft haben wir in einem Wohnquartier nach bautechnischer Sanierung die energetische Versorgung neu konzipiert. Unsere Lösung waren zwei biomethan-betriebene BHKWs, die den Energieverbrauch noch einmal um 50 % reduzierten.

IKZ-ENERGY:
Herr Mattat, Sie sind Jahrgang 1968, da bleibt viel Zeit, einiges zu bewegen. Wenn Sie in knapp 20 Jahren in den Ruhestand gehen: Wie wird die Energielandschaft Deutschlands aussehen?
Frank Mattat: Ballungsräume werden sich deutlich von ländlichen Regionen unterscheiden. In urbanen Bereichen werden sie dezentrale, komplexe und intelligent vernetzte Versorgungslösungen haben. In 20 Jahren wird die Elektroenergie eine wichtige Rolle spielen, auch im Wärmebereich. Zudem wird Geothermie einen festen Platz einnehmen, Gas wird über Power-to-Gas annähernd CO2-neutral bereitgestellt. Ich denke, wir werden Power-to-Gas eher auf dem Land einsetzen, an den Wind- und Solarparks. Das Gasnetz sorgt für die Distribution in die urbanen Räume. Power-to-Heat wird sich in den ­Städten etabliert haben. Zudem werden wir neue Player im Markt haben. Damit meine ich insbesondere den Prosumer, also den Produzenten und Konsumenten in einer Person. Und natürlich wird die Gasag, die dann fast 200 Jahre bestehen wird, auch dann noch den Markt mit den passenden Energiedienstleistungen versorgen.

IKZ-ENERGY: Herr Mattat, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 


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