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„Die Absorptionskältetechnik besitzt großes Potenzial“

Interview mit Experten des BTGA zu den Ergebnissen eines fünfjährigen Feldtests

Aufstellung und kompakte Montage in einer bestehenden Zentrale. Dimensionierung und Gewicht waren auch wichtige Kriterien, die im Feldtest beleuchtet wurden.

Anlagenverteilung innerhalb der Feldtestliegenschaften nach Leistung in kW. Als Antriebsenergie wurden in den Liegenschaften zwölfmal Fernwärme, dreimal Abwärme aus einer KWK-Anlage und einmal Abwärme aus einer solarthermischen Anlage genutzt.

Im Rahmen des Projekts wurde ein Nomogramm als Auslegungshilfe entwickelt, mit dem eine erste Abschätzung der zu erwartenden Kälteleistung ermittelt werden kann.

Stefan Tuschy: „Steht Abwärme aus anderen Prozessen wie beispielsweise KWK zur Verfügung, sollte eine Kälteerzeugung durch Einsatz von Wärme immer als Option betrachtet und näher untersucht werden.“

Clemens Schickel: „Sowohl Fachplaner als auch ausführende Unternehmen sind in der Lage, die Anlagen auch außerhalb des begleiteten Forschungsvorhabens fachgerecht zu planen und zu errichten.“

 

Im Juli 2018 endete ein fünfjähriger Feldtest zur Marktfähigkeit einer neuen Generation von Absorptionskälteanlagen. Die Ergebnisse wurden nun vorgestellt. Ein Feldtestpartner war der Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung (BTGA). Im Interview sprachen wir mit Stefan Tuschy und Clemens Schickel über den Aufbau des Projekts und zu den Erkenntnissen, die gewonnen werden konnten. Beide sind technische Referenten im BTGA.

IKZ-Klima: Wie war der Feldtest aufgebaut und welche Kältenutzungen wurden an den unterschiedlichen Standorten konkret erprobt?
Stefan Tuschy: Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden in insgesamt 16 Feldtestliegenschaften 25 Absorptionskälteanlagen mit einer Kälteleistung von 2,26 MW betrieben. Unter den Feldtestliegenschaften waren sowohl Industriebetriebe und Gewerbeimmobilien als auch Handelsunternehmen. Somit gab es ein breites Spektrum in den Anforderungen. Neben Klimakälte wurden ebenso Labor-/Prozesskälte, Rechenzentrumskälte sowie Krankenhauskälte erzeugt.

IKZ-Klima: Ging es hier immer um den Einsatz von Anlagen im Bestand oder auch im Neubau?
Clemens Schickel: Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden die Absorptionskälteanlagen sowohl in Neubauprojekten als auch im Bestand eingesetzt. Im Rahmen von Modernisierungen bestehender KWK-Anlagen bietet die neue Absorptionskältetechnik allerdings ein großes Potenzial: Insbesondere bei der Kälteversorgung von bestehenden Gebäuden, bei welchen die Anlagen zumeist über nicht veränderbare Zugangswege in bestehende Technikzentralen eingebracht werden müssen. Dabei spielen sowohl das Gewicht der Hauptkomponenten als auch deren Maße eine zentrale Rolle.

IKZ-Klima: Im Feldversuch wurden ­Lithiumbromid-Absorptionskälteanlagen (AKA) eingesetzt. Wann kommt gerade diese Konstellation besonders infrage und worin zeichnet sie sich gegenüber anderen AKA aus?
Clemens Schickel: Die Vorteile der Lithiumbromid-Wasser-AKA sind die niedrige Austreibertemperatur sowie die weit auseinanderliegenden Siedetemperaturen. Aufgrund der guten stofflichen und kalorischen Eigenschaften sind Lithiumbromid und Wasser in Absorptionskälteanlagen zur Gebäudeklimatisierung das meistverwendete Arbeitsstoffpaar.

Stefan Tuschy: Im Bereich der Kälteerzeugung unter 0 °C setzt man hingegen meist Ammoniak und Wasser als Betriebsmittel ein. Der Absorptionskälteprozess in einer Ammoniak-Wasser-Kälteanlage ist ähnlich dem der Lithiumbromid-Wasser-AKA. Jedoch erfolgt hier nach dem Austreibungsprozess zusätzlich ein thermisches Trennverfahren. Ein typisches Anwendungsfeld für Ammoniak-Wasser-AKA ist zum Beispiel die Lebensmittelindustrie.

IKZ-Klima: Die im Projekt federführende TU Berlin wollte technische Verbesserungen erzielen. Was ist der Anlass bzw. welche Schwachstellen kennzeichnet die Technik noch?
Clemens Schickel: Um trotz steigenden Kühlbedarfs den CO2-Ausstoß zu vermindern und den Klimaschutz zu stärken, werden energieeffizientere Anlagen gefordert. Eine Möglichkeit besteht darin, bereits existierende Verfahren durch deren Verwendung in neuen Einsatzgebieten effizienter zu gestalten, wie z. B. die Verbindung von Absorptions-Kälteanlagen mit der Kraft-Wärme-Kopplung, also ein KWKK-System. Hierbei werden bis dahin ungenutzte Abwärmepotenziale aus dem KWK-Prozess eingesetzt. Auch ist eine stärkere Auslastung der Fernwärmenetze, insbesondere im Sommer zu Schwachlastzeiten möglich, also zu Zeiten, in denen meist nur Wärme für die Trinkwassererwärmung benötigt wird. Die zusätzliche Wärmeanforderung durch AKA-Systeme führt zu einer besseren Auslastung der Fernwärmenetze und somit zu einer Verbesserung der Wirkungsgrade der Erzeugung und Verteilung der Fernwärme.

IKZ-Klima:
Welche technischen Verbesserungen wurden konkret erzielt?
Stefan Tuschy: Hier sind verschiedene Faktoren ausschlaggebend: Beispielsweise verfügt die AKA über eine Wärmeübertragerauslegung, die Antriebstemperaturen von nur 55 °C für die Kälteerzeugung ermöglicht. Auch kann diese Generation von AKA mit trockenen Rückkühlwerken kombiniert werden, was bis dahin für Absorptionskälteanlagen als nicht machbar galt. Gerade im Hinblick auf das Thema Hygiene in Verdunstungskühlanlagen kann dementsprechend zukünftig eine sichere Alternative in Betracht gezogen werden.
Darüber hinaus zeichnen sich die im Feldtest eingesetzten Anlagen durch eine hohe thermische Effizienz (COP) von bis zu 0,81 im Lastbereich zwischen 25 und 150 % aus.
Nicht zuletzt sind insbesondere auch die geometrischen Parameter von 2 x 0,85 x 1,9 m sowie die Transportmasse von unter 1 t zu nennen.

IKZ-Klima: Wie marktfähig ist die neue Generation bereits, woran muss noch weiter geschraubt werden?
Clemens Schickel: Um nicht nur energetisch, sondern auch wirtschaftlich mit der Kälteerzeugung durch Kompression konkurrieren zu können, bedarf es für die Absorptionstechnik einer Konsolidierung der Gestehungskosten. Bei steigenden Absatzzahlen und zunehmend automatisierten Produktionsprozessen bei der Herstellung der Komponenten könnte dies möglich werden.

Stefan Tuschy:
Weiterer wichtiger Baustein bei der Verbreitung der AKA-Technik ist die Kostenentwicklung für elektrische und thermische Energie. Bleibt Strom güns­tig und wird Fernwärme gerade im Sommer durch steigende Preise unattraktiv, wird es die Technik im Vergleich zu Kompressionskältemaschinen schwer haben. Steht jedoch Abwärme aus anderen Prozessen wie beispielsweise KWK zur Verfügung, sollte eine Kälteerzeugung durch Einsatz von Wärme immer als Option betrachtet und näher untersucht werden.

IKZ-Klima: Für wann ist die Serienreife geplant? In welchem Leistungsspektrum sollen die Anlagen angeboten werden und für welche Einsatzfelder sind sie eine Option?
Stefan Tuschy: Laut dem im Forschungsvorhaben eingesetzten Hersteller ist eine Serienreife bereits heute möglich. Die im Projekt zum Einsatz gekommenen Absorptionskälteanlagen konnten mit Kältemodulen in zwei Leistungsklassen zu 50 kW und 160 kW ausgewählt werden. Mittlerweile ist eine dritte Leistungsklasse mit 500 kW vorhanden.
Clemens Schickel: Eine besondere Her­ausforderung der Planung von Absorptionskälte­anlagen stellt deren Anpassung an die zumeist vorgegebenen Anforderungen der Kaltwassertemperatur sowie an das Temperaturniveau der Wärmeversorgung dar. Unter Einbeziehung der möglichen Rückkühltemperaturen ergeben sich für jeden Einsatzfall individuelle Leistungsdaten des Absorbers. Dazu hat der Hersteller der Absorptionsanlage ein Nomogramm erstellt, mit dem eine erste Abschätzung der zu erwartenden Kälteleistung erfolgen kann. Eine genauere Untersuchung und Planung des Einzelfalls kann diese Arbeitshilfe jedoch nicht ersetzen.

IKZ-Klima: Wo sind in der Ausführung solcher Projekte noch Baustellen bei Planern und Monteuren – was lehren hier die Feldtests?
Clemens Schickel: Sowohl Fachplaner als auch ausführende Unternehmen sind in der Lage, die Anlagen auch außerhalb des begleiteten Forschungsvorhabens fachgerecht zu planen und zu errichten. Zwar musste im Rahmen des Feldtests die Konstruktion der AKA verbessert werden, um eine Montage gerade in bestehenden Gebäuden deutlich zu vereinfachen, dennoch handelt es sich dabei um zu erwartende Prozesse bei der Markteinführung eines neuen Produktes. Es wurden im gesamten Projektzeitraum keine grundsätzlichen Mängel vorgefunden, welche ursächlich auf die Absorptionstechnik zurückgeführt werden könnten.
Stefan Tuschy: Das bestehende Normenwerk zur Planung und Ausführung von AKA-Systemen ist umfänglich und ausreichend. Eine Schulung der ausführenden Unternehmen ist nach jetzigem Erkenntnisstand nicht von Nöten. Zur komplexen Anlagenhydraulik bietet der Endbericht des Forschungsvorhabens verschiedene Standard-Verschaltungen an, auf deren Grundlage auch Schulungen für Planer von AKA-Systemen entwickelt werden könnten.

Die Fragen stellte Dittmar Koop, Journalist für Erneuerbare Energien

Bilder: BTGA

 


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