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Dem Geheimcode auf der Spur

Die unscheinbaren Formulierungen im Arbeitszeugnis verständlich übersetzt

Arbeitgeberzeugnisse sind wichtige Dokumente, die das Berufsleben erleichtern oder erschweren können. Mehrere Bewerber auf einen freien Arbeitsplatz werden oftmals zunächst nach Zeugnissen selektiert. Deshalb sollte man seine Rechte als Auszubildender, aber auch seine Pflichten kennen.

Erst wenn man als Azubi die Aussagen in seinem Arbeits­zeugnis übersetzt, weiß man wirklich, was der Chef von einem hält.

 

Allgemeines
Im Gegensatz zu einem „normalen Arbeitsverhältnis“ hat der Auszubildende einen Rechtsanspruch auf ein Ausbildungszeugnis. Es muss nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses und ebenso im Falle eines Abbruches unaufgefordert vom Lehrherrn ausgestellt werden.
Das Zeugnis muss einige formale Kriterien erfüllen, u.a. in schriftlicher Form auf einem offiziellen Firmenbriefbogen verfasst und von einer bevollmächtigten Person unterzeichnet sein. Der Lehrherr muss ein Original aushändigen, E-Mail oder Fax sind nicht zulässig.

Arten von Zeugnissen
Man unterscheidet – wie auch bei Zeugnissen im normalen Arbeitsverhältnis – zwischen dem „einfachen“ und „qualifizierten“ Zeugnis. Das „einfache Zeugnis“ enthält lediglich die Eckdaten über die Person, Art sowie Dauer des Arbeitsverhältnisses. Weiterhin müssen die geleisteten Arbeiten wertfrei aufgelistet sein. In der Regel geht ein Arbeitgeber davon aus, dass es bei Vorlage des „einfachen Zeugnisses“ zu Unstimmigkeiten mit dem früheren Arbeitgeber gekommen ist. Daher sollte man immer ein „qualifiziertes Zeugnis“ verlangen. Das enthält neben den Eckdaten die ausführliche Beschreibung und Bewertung der Leistungen, fachlichen und persönlichen Fähigkeiten sowie Sozialverhalten.

Geheimcodes und Benotung
Bei der Abfassung des Zeugnisses kann der Arbeitgeber in eine Zwickmühle geraten. Einerseits zwingt ihn die Rechtsprechung, ein Zeugnis wahrheitsgemäß auszustellen, andererseits soll es „wohlwollend“ sein. So entstehen Umschreibungen und Formulierungen, die eine schlechte Leistung oder Eigenschaft positiv „verpacken“. Selbst ein mangelhaftes Zeugnis kann demnach wohlwollend verfasst sein. Gewünscht ist sozusagen eine strikt höfliche Ausdrucksweise. Nicht erlaubt wäre z.B.: Herr Knecht kommt regelmäßig zu spät zur Arbeit.“ Im Zeugnis würde es dann heißen: „Herr Knecht bemühte sich, immer pünktlich zu sein.“
Fakt ist, dass die neutrale Bewertung einer Arbeitsleistung kaum möglich ist. Diese wird immer subjektiv abgegeben und wird auch subjektiv vom nächsten Arbeitgeber aufgenommen. Bestimmte Verschlüsselungstechniken sind jedoch eindeutig als positiv oder negativ aufzufassen. Und ihre Unterscheidung ist manchmal gar nicht so einfach. Liste 1 zeigt einige Beispiele.
Eine Benotung im klassischen Schulnotensystem hat sich etabliert. Die Liste?2 zeigt die Rangwertungen.
Abschließend sollte im Zeugnis ein Hinweis darauf sein, ob man als Geselle in dem Betrieb übernommen wurde und wenn dies nicht möglich war, aus welchen Gründen. Von besonderer Bedeutung sind „Dankesformel“ und „Zukunftswünsche“. Sie können ebenfalls einen Hinweis enthalten, ob der Arbeitgeber mit der erbrachten Leis­tung zufrieden war (Liste?3).

Wissenswertes rund ums Zeugnis
Enthält das Zeugnis Unrichtigkeiten oder ist es nicht vollständig, kann man vom Arbeitgeber verlangen, dass es berichtigt wird. Ein Zeugnis darf allerdings keine Änderungen oder Streichungen enthalten. Deshalb muss ein vollständig neues erstellt werden. Falls der Arbeitnehmer Änderungen hinsichtlich der „Benotung“ bzw. „Beurteilung der Arbeitsleistung“ möchte, kann er dies zwar verlangen, einen Anspruch darauf hat
er aber nicht. Er muss ihn nötigenfalls einklagen. Bei einem schlechten Arbeitszeugnis (Note ausreichend bis mangelhaft), muss der Arbeitgeber dann beweisen, dass die Beurteilung zutreffend ist. Verlangt man hingegen eine bessere Benotung (sehr gut oder gut), muss man selbst beweisen, dass die gewünschte Leistungsbeurteilung gerechtfertigt ist (siehe Infokasten).

Fazit
Zusammenfassend kann man sagen, dass ein Arbeitszeugnis eine Wissenschaft für sich ist, in der ein Laie sich kaum zurechtfindet. Selbst Vorgesetzte sind manchmal mit den Feinheiten der Zeugnissprache nicht vertraut. Im ehrlichen Glauben, dem Arbeitnehmer gute Leistungen zu bescheinigen, kann die Wahl einer bestimmten Formulierung von anderen Arbeitgebern als eine eindeutig negative Bewertung verstanden werden.
Manche Chefs bitten sogar darum, das Zeugnis selbst zu schreiben. Das ist durchaus gängige Praxis und zulässig. Das selbstgeschriebene Zeugnis ist nichtsdestoweniger nur ein Entwurf und muss letztendlich nicht vom Lehrherrn unterschrieben werden. Auf den ersten Blick erscheint dies sehr verlockend. Aber auch hier gilt: Wer sich mit den Eigenheiten der „Zeugnissprache“ nicht auskennt, kann schnell auf die Nase fallen.

www.zeugnisdeutsch.de


Aktuelles Gerichtsurteil zum Thema
Erst kürzlich beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht mit dem Thema Arbeitszeugnis (Az.: 9 AZR 584/13). Eine 25-Jährige klagte gegen ihren früheren Arbeitgeber, weil der ihr eine in ihren Augen zu schlechte Bewertung gab. Er bescheinigte ihr: „Sie hat ihre Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.“ Das entspricht einer durchschnittlichen Leistung (Note 3). Die Klägerin forderte aber ein „gut“ für ihr Zeugnis, aufgrund von überdurchschnittlicher Arbeitsleistung. Zwei Vorinstanzen gaben ihr Recht, allerdings sah das Bundesarbeitsgericht die Sachlage anders: „Will ein Mitarbeiter eine bessere Bewertung, muss er genaue Gründe dafür darlegen.“ Die fehlten bis dato. Das Landesarbeitsgericht muss jetzt prüfen, ob die von der Klägerin vorgetragenen Leistungen eine Beurteilung im oberen Bereich der Zufriedenheitsskala rechtfertigen und ob die Beklagte hiergegen beachtliche Einwände vorbringt (Stand 21.11.2014).

 


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