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Anpassung der Heizungsanlage an das Gebäude

Frank Hartmann

Grundlage einer umfassenden energetischen Sanierung von Wohngebäuden ist die Verbesserung des Wärmeschutzes sämtlicher Umschließungsflächen, die mit dem Außenbereich in Berührung stehen und folglich als thermische Hülle definiert werden. Denn: Die beste Energie ist die, welche nicht benötigt wird. Die Art der Wärmeerzeugung steht - auf dem Weg zur konsequent angewandten Energieeffizienz - weit hinten in der Prioritätenliste. Viel wichtiger ist die Betrachtung der Bereitstellung und Verteilung von Wärme im Gebäude. Dies wird leider sehr oft übersehen und somit werden Optimierungspotenziale häufig nicht genutzt.

 

 

"Centra"-Aufsatzregler mit Heizkennlinie.

Die Verbesserung des Wärmeschutzes, der Austausch von Fenstern und die Beseitigung von Wärmebrücken und anderen Schwachstellen in der thermischen Hülle haben nicht selten mehr als eine Halbierung des Heizwärmebedarfs zur Folge. Zudem verändern sich die Anforderungen an die Wärmeübertragung an den Raum dergestalt, da das Auskühlverhalten durch die verringerte Wärmetransmission von innen nach außen positiv beeinflusst wird. Eine höhere Oberflächentemperatur an den Innen-Wandflächen und die Verringerung von Luftbewegungen erlauben auch eine wesentlich niedrigere Raumluft-Iinnentemperatur von oft mehr als 2 °C.
Wo früher 22 °C und mehr notwendig waren, um Undichtigkeiten und andere Mängel zu "kompensieren", genügen nach der Optimierung der thermischen Hülle in der Regel 19 °C - 20 °C vollkommen.

Heute schon und in Zukunft, werden von Anlagensystemen höhere dynamische Leistungen und flexiblere Regelstrategien gefordert. In Altbauten mit hohem Wärmebedarf fallen Störgrößen und Lastprofile durch hohe Defizite bezüglich Wärmeschutz und Luftdichtigkeit kaum ins Gewicht und wurden daher kaum entsprechend beachtet. Vielmehr konstruierte man sich durch die altbekannten Überdimensionierungen einen vermeintlichen doppelten Boden. Je besser ein Gebäude aber Wärme- und lüftungstechnisch optimiert ist, desto offensichtlicher und schwerwiegender werden die Einflüsse diverser Anlagenparameter spürbar. Umso mehr ist die Anpassung der Heizungsanlage an das Gebäude und seine Bewohner von elementarer Wichtigkeit, will man die Energieeffizienz auf den Punkt bringen und zugleich Wärmekomfort nachhaltig sicherstellen.

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50 % weniger keine Seltenheit
Allein die Halbierung des Heizwärme-bedarfs aber erlaubt - oder sollte man nicht besser sagen: verlangt - die objektspezifische Anpassung der Anlagenhydraulik, insbesondere der Heizkennlinie und diverse Regelungsparameter der Heizungsanlage. Die maximale Vorlauftemperatur zur Abdeckung des Heizwärmebedarfs, kann nicht selten um mehr als 15 °C reduziert werden, ohne die Heizflächen auszutauschen. Der energetische Aufwand zur Bereitstellung von Wärme wird also erheblich reduziert.

Niedrige Systemtemperaturen sichern nicht nur eine effiziente Nutzung der Brennwerttechnik, sondern ermöglichen auch einen entsprechend nennenswerten  Deckungsanteil der solaren Heizungsunterstützung. Abgesehen davon gilt es zu bedenken, dass bei hohen Bereitstellungstemperaturen die Wärmeverluste immer entsprechend höher sind, als bei niedrigen Temperaturen.

Dokumentation und Bewertung
Grundlage für eine derartige Optimierung der Wärmeübertragung an den Raum ist allerdings die Dokumentation, Bewertung und Leistungsbestimmung sämtlicher Heizkörper im Rahmen der Bestandsaufnahme als Bestandteil einer konzeptionell schlüssigen energetischen Sanierungsmaßnahme. Nicht selten lässt sich feststellen, dass die installierten Heizkörper überdimensioniert sind und die Vorlauftemperatur vielleicht sogar auf 50 °C im Auslegungsfall reduziert werden können. Erst bei diesen Temperaturen wird eine solare Heizungsunterstützung praktisch realisierbar.

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Drehzahlgeregelte Umwälzpumpe mit Wärmedämmschale.

Warum sollte ein Gebäude, dessen Wärmeschutz entsprechend verbessert wurde, überhaupt noch Temperaturen jenseits von 50 °C für die Wärmeübertragung an den Raum benötigen? Die Reduzierung der maximalen Vorlauftemperatur kann durchaus auch im Vorfeld einer Modernisierungsmaßnahme durch Veränderung der Heizkennlinien ausprobiert werden. Zu empfehlen ist eine vollständige Heizperiode mit Dokumentation der Raumlufttemperaturen im Verhältnis mit der jeweiligen Außentemperatur und Befragung der Bewohner, um entsprechend verlässliche Erfahrungswerte zu sammeln.

Nicht nur im Neubau, sondern auch in modernisierten Bestandsgebäuden ist es vielmehr die Warmwassertemperatur, welche zur zentralen Anforderung für das Heizungssystem wird. Aber es ist nicht nur die hohe Bereitstellungstemperatur für Warmwasser, sondern auch andere Faktoren wie Hygiene, Gleichzeitigkeit, Warmwasserkomfort kommen merklich hinzu und rücken den Warmwasserbedarf aus dem Schatten der Raumheizung.

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Auf die Verteilung kommt es an
Natürlich ist es nicht allein mit der Optimierung der Leistungsbereiche von Heizflächen getan. Es muss auch die Rohrleitungsführung zur Verteilung der Wärme geprüft und während der Bestandsaufnahme erfasst werden. Verteil-, Strang- und Anschlussleitungen und die Längen sowie Rohrleitungsquerschnitte sind zu ermitteln. Nur so kann die Möglichkeit eines wirkungsvollen hydraulischen Abgleichs sichergestellt werden. Dieser ist bei grö-ßeren Heizungsanlage nicht nur mit der  Feineinstellung an den einzelnen Heizkörperventilen erschöpft, sondern verlangt auch den Einsatz entsprechender Strang-Regulierventile, will man die Massenströme schon in den Verteilleitungen den jeweiligen Strängen zuordnen. Umso einfacher und genauer lässt sich die Feineinstellung an den Heizkörperventilen vornehmen.

Nicht zuletzt für den hydraulischen Abgleich, sondern auch für die genaue Auslegung von Heizkreispumpen, sind möglichst genaue Kenntnisse des Rohrnetzes bezüglich Bestandteile, Längen und Querschnitte elementar. Auch wenn der Massenstrom für die entsprechende Wärme-übertragung an den Raum klar definiert ist, ist die Kenntnis diverser Bestandteile und Komponenten des Rohrnetzes nicht zuletzt für die Ermittlung der hydraulischen Widerstände wichtig.

Mikro-Luftblasenabscheider - Schnitt.

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Neben dem Umtausch einer stufengeregelten Umwälzpumpe gegen eine drehzahlgeregelte Pumpe mit dem Energieeffizienzlabel A gilt es freilich auch, fehlende Wärmedämmungen an den Rohrleitungen konsequent zu ergänzen und auch nicht auf Wärmschutzpackungen von Bauteilen - nicht zuletzt der Umwälzpumpe - zu verzichten. Die Aufbereitung der Heizungswasserqualität tut sein Übriges, um eine optimale Wärmeübertragung und eine energieeffiziente und nachhaltige Betriebssicherheit der gesamten Anlage sicherzustellen. Dennoch sollte beispielsweise auf Mikro-Luftblasenabscheider und Schmutzfänger mitnichten verzichtet werden.
All diese Handlungen lassen sich in den Bereich geringinvestive Maßnahmen einordnen und sind jene Prioritäten, die völlig unabhängig von der Art der Wärmeerzeugung zu erledigen sind. Unabhängig von der Reduzierung des Heizwärmebedarfs, der natürlich den Löwenanteil an Energieeinsparung stellt, können durch geringinvestive Maßnahmen bei bestehenden Heizungsanlagen bis zu 20 % Betriebskosten eingespart werden. All diese Hausaufgaben sind zu machen, bevor man über die Art der Wärmeerzeugung nachdenkt.

Absenkbetrieb und Regelgüte
In jedem Falle werden die Regelungsparameter nach einer energetischen Sanierung eines Wohngebäudes neu definiert. Allein die Möglichkeit eines entsprechenden Absenkbetriebs ist im Detail zu prüfen, da das verbesserte Auskühlverhalten des Gebäudes hier weitere Potenziale der Energieeinsparung birgt. Voraussetzung eines ausgereizten Absenkbetriebs ist jedoch eine flinke Regelgüte der einzelnen Wärmeübertragungssysteme.

Was bislang mit überhöhten Vorlauftemperaturen schier problemlos möglich war, verlangt bei Niedrigtemperatursystemen eine gewissenhafte Betrachtung. Regelungstechnisch besteht die wohl einfachste Möglichkeit darin, die Vorlauftemperatur für eine entsprechende Zeitspanne anzuheben, um in der sogenannten Aufheizphase nach dem Absenkbetrieb ein schnelleres Aufheizen zu ermöglichen. Dies ist im Einzelnen mit dem jeweils anstehenden Nutzerprofil und vor allem mit dem energetischen Standard der Gebäudehülle abzugleichen.

Während in Gebäuden mit einem mäßigen Wärmeschutz der Umschließungsflächen lediglich ein Absenkbetrieb von nur 2 °C für eine relativ kurze Zeit möglich ist, kann der Absenkbetrieb in hochwertigen Gebäuden faktisch mit einer Ausschaltung der Wärmeübertragung für eine verhältnismäßig lange Zeit einer Tagesperiode gleichgesetzt werden.

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Energieeffizienz auf den Punkt
Erneuerbare Wärme allein ist mitnichten ein Garant für Energieeffizienz. Vielmehr gilt es, die Komplexität der Systemtechnik einer Heizungsanlage im Kontext mit der Gebäudekonstruktion, der Bauphysik und Baubiologie mit den jeweiligen Anforderungen der Nutzung zu einer integralen Vorgehensweise zu vereinen.
Energieeffizienz auf den Punkt bringen bedeutet auch, dass der Anlagenoptimierer, der Betreiber sowie der Nutzer eine strategische Allianz bilden.

Optimierung der Heizkennlinie und des Absenkbetriebs
Das Forum Wohnenergie legte in den letzten Jahren in Zusammenarbeit mit einigen Fachhandwerkern eine Versuchsreihe auf, um geringinvestive Optimierungspotenziale in der Praxis zu analysieren. Während der Wartungsarbeiten wurden an bestehenden Heizungsanlagen die Heizkennlinien um bis zu 20 % (bezogen auf die maximale Vorlauftemperatur) flacher eingestellt als vorgefunden. Parallel wurden im Rahmen eines Heizungs-Checks die wesentlichen Anlagenparameter, Verbräuche und Nutzergewohnheiten erfasst, um diese Werte ein Jahr später bei den gleichen Anlagen zu vergleichen. In keinem der dokumentierten Fälle mussten die Bewohner frieren oder andere Abschläge des Wohnwärmekomforts hinnehmen. Lediglich in 18 % der Anlagen musste vor Ablauf des Versuchsjahres nachreguliert werden, was aber dennoch mit einer Reduktion der Vorlauftemperaturen und endete. In allen Fällen wurde eine nachhaltige Betriebskostenreduzierung erreicht.

Autor
IKZ-ENERGY Autor Frank Hartmann ist Geschäftsführer des Forums Wohnenergie.
97509 Zeilitzheim,
Tel. 09381 716831,
Fax 09381 716330,
hartmann@forum-wohnenergie.de,
www.forum-wohnenergie.de

 


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