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8300 m² Solarfläche fürs Fernwärmenetz

Großsolaranlage Senftenberg – Ergebnisse des ersten Betriebsjahres

Bild: 1: Das Kollektorfeld in Senftenberg.

Bild: 2: FW-Versorgungsgebiet Senftenberg mit Heizwerk (HW) und Spitzen-HW sowie (vergrößert) ehemalige Deponie „Altes Laugkfeld“ mit Solaranlage.

Bild: 3: Soll-Ist-Vergleich Einstrahlung und Erträge.

Bild: 4: Kumulierter Ertrag (rot), Tagesertrag (blau) und Tagesnutzungsgrad (grün).

Bild: 5: Tagesnutzungsgrad (rot) und Tagesnetzertrag (blau) in Abhängigkeit von der täglichen Einstrahlung.

Bild: 6: Aufzeichnungen vom 1. Juni 2017.

Bild: 7: Aufzeichnungen vom 4. September 2016.

Bild: 8: Aufzeichnungen vom 27. Januar 2017.

Bild: 9: Hydraulisches Schema der Solaranlage.

Bild: 10: Temperaturen im Kollektorfeld, Momentaufnahme am 24.08.2016, 13:35:41 Uhr.

Bild: 11: Die Solarpumpen neben der hydraulischen Weiche.

 

Vor zwei Jahren ging in Senftenberg auf einer ehemaligen Deponie die bislang größte thermische Solaranlage Deutschlands nach ca. fünfmonatiger Bauzeit in Betrieb. Mit 8300 m² Kollektorfläche ist sie zugleich die weltweit größte Solaranlage mit Vakuumröhrenkollektoren und die erste Megawattanlage, die in Deutschland in ein klassisches städtisches Fernwärmenetz einspeist. Die Ergebnisse nach einem Betriebsjahr belegen, dass solarthermische Anlagen auch unter anspruchsvollen Bedingungen wie z. B. hohe Vor- und Rücklauftemperaturen oder häufige Druck- und Lastwechselvorgänge zuverlässig und wirtschaftlich funktionieren können.

Das Fernwärmenetz der Stadtwerke Senftenberg hat eine Gesamtlänge von rund 33 km und bei einem Anschlusswert von rund 50 Megawatt (MW) einen jährlichen Wärmebedarf von etwa 100 Gigawattstunden (GWh) sowie eine Sommergrundlast von ca. 3,8 MW. Die Solaranlage hat eine Spitzenleistung von ca. 4,5 MW und deckt mit maximal 4 GWh im Jahr rund 4 % des Jahresbedarfs. Im Sommer erbringt sie tagsüber knapp 20 % Überschuss und versorgt dann das Netz allein.
Die 8300 m² große Solaranlage ist über eine Wärmeübergabestation in die Ringleitung zum Heizwerk und den Verbrauchern angebunden. Im Heizwerk wurde zudem ein Bypass eingebaut, damit die 2000 m³ Wasserinhalt des Fernwärmenetzes an besonders strahlungsreichen Tagen die Überleistung der Solaranlage aufnehmen und damit als Puffer dienen. Dadurch kommt die Solaranlage trotz ihrer Größe ohne einen Speicher aus. Bei schwächerer Einstrahlung, vor allem morgens beim Anfahren und abends zur „Resternte“, schaltet die Solaranlage auf Rücklauftemperaturanhebung um und speist Wärme auf niedrigem Niveau in das Heizwerk. In der Regel erfolgt die Einspeisung der Solarwärme wie im Heizwerk in den Vorlauf mit jahreszeitlich gleitenden Temperaturen zwischen 85 und 105 °C.

Mehr Ertrag als erwartet
Am 15. August 2016 wurde das Kollektorfeld von den Solarpumpen mit Wasser gefüllt. Vom 16. bis 18. August wurde die Anlage getestet. Die offizielle Wärmemengenzählung im automatischen Betrieb begann am 19. August des Jahres. Bild 3 zeigt die Monatsergebnisse des ersten Betriebsjahres. In den ersten 12 Monaten speiste die Anlage 4,1 GWh Wärme ins Netz ein und damit etwas mehr als die vorausberechneten 3,8 GWh.
Die Solaranlage erzielte einen Jahresnutzungsgrad (Verhältnis aus der ins Netz eingespeisten Wärmemenge zur Einstrahlungssumme) von 42,3 %. Bild 4 zeigt, wie der Gesamtertrag (rot) ab Mitte September immer langsamer wuchs, wie Tagesertrag (blau) und Tagesnutzungsgrad (grün) im Winter nachließen und wie bis Mitte September und ab Mitte April Tagesnutzungsgrade von über 50 % erzielt wurden. Bild 5 zeigt die Tagesnutzungsgrade (rote Punkte und linke y-Achse) als Funktion der Tageseinstrahlung und die entsprechenden Tagesnetzerträge (blaue Punkte und rechte y-Achse). Der Ertrag stellt sich proportional zur Einstrahlung ein, der Tagesnutzungsgrad nimmt hingegen bei schlechtem Wetter überproportional ab. Der Break-even-Point, ab dem die Anlage überhaupt etwas bringt, liegt etwa bei 1 kWh/m² Tageseinstrahlung. Um täglich mindestens 10 MWh ins Netz einspeisen zu können, was im Jahresmittel von der Anlage erwartet wird, sind Tageseinstrahlungen von mindestens 3 kWh/m² notwendig.
Nach einem sonnigen Herbst 2016 folgten ab Oktober ein besonders trübes, nebliges und regnerisches Jahresende bzw. viele Tage mit geringerer Tageseinstrahlung. Wenn die Sonne so flach steht, dass die für Sommerbetrieb optimal geneigten Kollektoren sie kaum noch „sehen“ können, kommen diese an ihre Grenzen. Dies ist aber gerade auch jene Zeit, in der zum Heizen die meiste Energie gebraucht wird. Je nach Verbrauchsprofil kann Sonnenenergie deshalb ohne Ener­giespeicher prozentual nur kleine Beiträge zur Gesamtversorgung leisten. Die Anlage in Senftenberg ist extra so ausgerichtet und ausgelegt, dass sie ohne Speichertank und damit zu geringen Wärmegestehungskosten im Sommer ihren Beitrag leistet, wobei das Netz als Speicher genutzt wird. Mit einem Tagesspeicher von 20 000 m³ (das entspricht dem Bedarf eines Wintertages) könnte ein 10-mal größeres Kollektorfeld in Senftenberg das gesamte Sommerhalbjahr und ca. 30 % des Jahresbedarfs abdecken. Hingegen brächte ein Wochenspeicher von 140 000 m³ kaum weitere 4 %. Die Speicherung von Heizwärme über ein oder zwei Tage ist technisch kein Problem, erfordert jedoch einen entsprechenden Standort und verursacht Zusatzkosten. Wollte man weit mehr als die Hälfte des Jahresbedarfs solar decken, müsste die saisonale Verschiebung zwischen dem Bedarf von Herbst bis Winter und der Einstrahlung in Frühjahr und Sommer mit viel größeren Speichern ausgeglichen werden, was technisch möglich, aber relativ teuer und platzaufwendig wäre. In der zukünftigen Entwicklung kann Saisonalspeicherung einmal nicht nur notwendig, sondern auch wirtschaftlich sein. Solange jedoch noch nicht einmal 0,1 % des mit Solarwärme versorgbaren Wärmebedarfs auch mit Solarthermie versorgt wird, erscheinen Saisonalspeicherprojekte heute realitätsfern und nicht zeitgemäß. Die technischen Herausforderungen hierzu sind nach zahlreichen vor allem deutschen und dänischen Pilotanlagen bereits beherrschbar, aber deren Solarnutzungsgrad ist viel geringer als in Senftenberg, und die Lücke zum heutigen Wärmepreis kann noch nicht sinnvoll überbrückt werden.

Gute und schlechte Tage
Der beste Tag des ersten Betriebsjahres war der 1. Juni 2017. Bei makelloser Einstrahlung (gelb) speiste die Anlage bis zu knapp 5 MW und insgesamt ca. 37 MWh ins Wärmenetz (grün, Bild 6). Die kumulierte Solareinstrahlung (braun) erreichte 70 MWh. Der Tagesnutzungsgrad (violett, oben) wuchs bis auf 53 %. Die Netz-Solltemperatur (violett, unten) lag immer bei 90 °C. Etwa 13 Stunden speiste die Solaranlage ins Netz ein, fast 11 Stunden davon in den Vorlauf des Netzes. Morgens die erste dreiviertel Stunde bzw. abends die letzte speiste sie in den FW-Netzrücklauf ein, um die Sonnenwärme maximal zu nutzen. Nach Sonnenuntergang und morgens gegen 4:30 Uhr wurde noch einmal die hydraulische Weiche ins Netz geleert. Die Netzeinspeisung erfolgt nach der morgendlichen Aufwärmzeit ab einer Einstrahlung von ca. 2,5 MW (ca. 300 W/m²) kontinuierlich. Eine taktende Einspeisung erfolgte gar nicht.
Der 4. September 2016 (Bild 7) war dagegen ein Tag voller Wolken und ab dem späten Vormittag verregnet. Trotzdem erreichte die Solaranlage mühelos die Solltemperatur und speiste knapp 8 Stunden ein, mehr als 3 davon sogar in den heißen Netzvorlauf, und erreichte am Abend eine Solarernte von immerhin noch 8 MWh. Selbst unter diesen ungünstigen Bedingungen betrug der Tagesnutzungsgrad fast 40 %. Am 27. Januar 2017 speiste die Anlage bei schönem Wetter und winterlichem Frost 6,3 MWh mit ca. 90 °C ins Netz ein, obwohl die Anlage zu dieser Jahreszeit teilweise im Schatten steht und die nur 20 Grad geneigten Kollektoren zur Sonne einen sehr flachen Winkel bilden (Bild 8).

Anlagenaufbau – einfach und wirkungsvoll
Der Aufbau der Anlage ist einfach (Bild 9). Sie arbeitet mit Heizungswasser nach VDI 2035. Ein Wärmetauscher sowie eine eigene automatische Druckhaltung waren aus Sicherheitsgründen notwendig, weil das Netzwasser Zusatzstoffe enthält, deren Verhalten bei thermischer Stagnation bei ca. 350 °C im Kollektor nicht genau bekannt ist. Beim Einspeisen in den Vorlauf sind ca. 5 bar zu überwinden. In dem Maße, wie die Solaranlage in den Vorlauf speist, werden die Pumpen im Heizwerk gedrosselt bzw. schalten sich ganz aus. Effektiv braucht eine solche Solaranlage etwa 1 % ihres Wärmeertrags als Arbeitsstrom, hat also als Wärmepumpe einen COP von 100.
Das Kollektorfeld ist asymmetrisch verrohrt, d. h. nicht nach dem Tichelmann-Prinzip (Bild 10). Dies spart Rohr und gewährleistet, dass die von der Hauptleitung entferntesten Kollektoren am heißesten sind. Diese Volumenstrom- bzw. Temperatur-Asymmetrie ist über das gesamte Feld nur äußerst gering. Das Kollektorfeld ist selbstbefüllend, selbstentlüftend und selbstabgleichend dimensioniert, wobei Rohre zwischen DN 25 und 200 zum Einsatz kommen. Der nahezu perfekte hydraulische Abgleich des Kollektorfeldes, das ganz ohne Ventile, Stellvorrichtungen und Entlüfter auskommt, zeigt sich in der Homogenität der Betriebs­temperaturen auf der ganzen Fläche von ca. 170 m x 120 m.
Die Wärmeverluste der Solaranlage betragen übers Jahr insgesamt knapp 17 % vom Netzwärmeertrag. Sie setzten sich wie folgt zusammen:

  • (1) Aufwärmen und Abkühlen2,1 %
  • (2) Rohre und Armaturen12,8 %
  • (3) Speicherung
    (hydraulische Weiche)0,3 %
  • (4) Stagnation0,0 %
  • (5) aktiver Frostschutz1,5 %
  • Summe:16,7 %


Die Solaranlage entstand ohne Forschungsmittel als unternehmerische Pionierleistung der Stadtwerke Senftenberg unter Inanspruchnahme des KfW-Programmes Erneuerbare Energien (271). Sie zeigt, dass der Stand der Technik dem Markt voraus ist und dass die für solarthermische Anlagen besonders anspruchsvollen Bedingungen deutscher Fernwärmeversorgungen wie z. B. hohe Vor- und Rücklauftemperaturen, häufige Druck- und Lastwechselvorgänge oder wettbewerbsfähige Wärmepreise kein Handicap mehr darstellen müssen.

Autoren: Rolf Meißner, Ritter XL Solar,
Detlef Moschke, Stadtwerke Senftenberg


Bilder: Stadtwerke Senftenberg GmbH

 


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