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Handwerker verzweifelt gesucht

Ein Blick in die Zukunft: Es ist ein Werktag wie jeder andere, das Telefon klingelt fast ununterbrochen und die Angestellte im Büro des ortsansässigen SHK-Betriebes hat alle Hände voll zu tun – in erster Linie: Kunden beruhigen und vertrösten.

 

Am Telefon ist wieder eine dieser verzweifelten Stimmen, die versucht, die Dringlichkeit von Arbeiten zu vermitteln, für die es aber in den nächsten 15 bis 20 Wochen aufgrund fehlender Fachkräfte keinen freien Termin gibt. Heute, im Jahr 2050, spricht man vom Fachkräftenotstand, da viele Betriebe zwischenzeitlich mangels Personal von der Bildfläche verschwunden sind. Und so können selbst kleine Aufträge erst nach mehrwöchiger Wartezeit für den Kunden begonnen oder müssen direkt abgelehnt werden...
Zurück zur Gegenwart: Was sich liest wie in einem düsteren Roman, ist dabei, Wirklichkeit zu werden. Denn die Aussichten für die nächsten Jahre und Jahrzehnte sind viel schlechter, als bisher angenommen: Bis zum Jahr 2050 soll die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland von derzeit rund 45 Mio. auf 26,7 Mio. Menschen sinken. Auch wenn mehr Frauen und ältere Menschen arbeiten sollten und zudem jährlich 100 000 Personen zuwandern, werde die Zahl der Erwerbstätigen bis 2050 auf 32,7 Mio. sinken. Das hat eine im August dieses Jahres veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ergeben. Bereits im Jahr 2025 werden demnach bei konstanter Erwerbsquote über 6,5 Mio. Arbeitskräfte weniger zur Verfügung stehen. Und auch im bes­ten Fall, bei einer steigenden Erwerbsquote der Frauen und der Älteren sowie einer jährlichen Zuwanderung von 100 000 Personen, werden 2025 auf dem Arbeitsmarkt rund 3,5 Mio. Menschen fehlen.
Welch fatale Situation – und die Entwicklung eines „chronischen“ Fachkräftemangels hat schon begonnen. In den naturwissenschaftlichen/technischen Berufen fehlen in Deutschland bereits heute weit über 120 000 Fachkräfte. Besonders gravierend: die Ingenieurlücke. Hier wurden Anfang August so viele offene Stellen wie noch nie verzeichnet: 96 600. Anfang Januar lag die Zahl noch bei 72 100. Ebenso sucht jedes vierte Handwerksunternehmen Mitarbeiter, und im Durchschnitt hat jeder Betrieb hierzulande zwei offene Stellen. Engpässe gibt es natürlich auch bei den Auszubildenden: Jeder zehnte Handwerksbetrieb hat Ausbildungsplätze, die er nicht besetzen kann. Und schon jetzt steht fest, dass sich auch hier die Situation in den nächsten Jahren verschlechtern wird. Denn allein in Westdeutschland wird die Zahl der Schulabgänger bis zum Ende des Jahrzehnts um rund 135 000 zurückgehen, wobei sich diese Entwicklung auf die Haupt- und Realschulen konzentriert – die bisher größten Nachwuchsquellen für das Handwerk.
Die Auswirkungen des aktuellen Fachkräftemangels sind enorm. Laut Umweltbundesamt kann aufgrund der fehlenden Kräfte derzeit nur etwa ein Drittel der Energie­einsparpotenziale im Gebäudebestand ausgeschöpft werden. Und für die gesamten deutschen Mittelständler bedeutet dies einer Studie zufolge jährlich Umsatzeinbußen in Höhe von 30 Mrd. Euro.
Als Lösung für den Fachkräftemangel setzt die Politik insbesondere auf die Zuwanderung von Arbeitskräften, wobei die Überlegungen schon bis hin zu einem Begrüßungsgeld reichen. Bei den Maßnahmen für den Fachkräftegewinn dürfen aber hierzulande die Bemühungen nicht nachlassen, eigene Arbeitskräfte zu mobilisieren. So können Aktionen wie der bundesweite Tag des Handwerks, der Anfang September mit großem Anklang durchgeführt wurde, viel dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu entschärfen. Zahlreiche Handwerksbetriebe haben damit die Chance genutzt, auf die eigenen Leistungen und Produkte aufmerksam zu machen und so nicht nur Kunden, sondern auch potenzielle Arbeitnehmer und vor der Ausbildung stehende junge Menschen begeistert. Zudem sollte, um Schüler für die Berufswahl zu motivieren und Möglichkeiten der Berufsausbildung aufzuzeigen, z. B. ein Schulfach „Berufsorientierung“ eingeführt werden. So könnte mitunter auch eine Begeisterung für den Beruf des SHK-Anlagenmechanikers erzeugt werden, wenn klar wird, dass es nicht nur um verstopfte Rohre, sondern auch um Energieeffizienz, Erneuerbare Ener­gien, Umweltschutz und Nachhaltigkeit geht.

Markus Münzfeld
Redakteur
m.muenzfeld@strobel-verlag.de

 


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