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Fatale Verkettung

Die einen atmen auf, für die anderen geht die Spurensuche weiter: Die durch Legionellen verursachte Krankheitswelle im sauerländischen Warstein, bei der sich über 160 Menschen infiziert haben und zwei verstarben, scheint nach dreiwöchiger Suche endlich aufgeklärt.

 

Das Rückkühlwerk eines Industriebetriebes wurde als (eine) Quelle der krankmachenden Bakterien identifiziert. Nach Auskunft des zuständigen Kreises Soest wurden dort zahlreiche Legionellenspezies nachgewiesen – insgesamt 19 Stämme. Das Brisante an der Geschichte: Die Erreger stammten offenbar aus einer mit Legionellen kontaminierten Kläranlage älteren Baujahrs und gelangten über den Fluss Wäster in das Rückkühlwerk. Ein solcher Fall ist deutschlandweit bislang noch nicht bekannt geworden. Umfangreiche Beprobungen sollen nun klären, wie es zu dieser extremen Vermehrung der Bakterien in der Kläranlage kommen konnte und ob auch andere Kühlanlagen Wasser aus der Wäster nutzten und so zur Verbreitung der Legionellen beigetragen haben. Die genauen Zusammenhänge und Wirkmechanismen waren zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch gänzlich ungeklärt.
Als eine der ersten Maßnahmen verbot NRW-Umweltminister Johannes Remmel die Entnahme von Wasser aus der Wäster und ordnete gleichzeitig an, alle landesweit baugleichen öder ähnlichen Kläranlagen – rund 20 Anlagen – einer umfangreichen Untersuchung zu unterziehen. Und, was für die Klimabranche von besonderer Bedeutung ist: Der Umweltminister sprach sich für regelmäßige Legionellen-Kontrollen von Kühl- und Klimaanlagen aus, wie sie bereits für Trinkwasser-Installationen nach der Trinkwasserverordnung gefordert werden. Es sei notwendig, zu einheitlichen Lösungen zu kommen.
Klingt zunächst nicht unvernünftig, aber: Schon mit der Umsetzung der Trinkwasserverordnung sind die Gesundheitsämter überlastet. Und nun gleich noch eine weitere Baustelle aufmachen? Prophylaktisch zielführend erscheint es, die regelmäßige Wartung raumlufttechnischer Anlagen mit festgeschriebenen Untersuchungsparametern gesetzlich und bundesweit zu verankern, so wie es Experten seit vielen Jahren immer wieder fordern. Mikrobiologische Untersuchungen offenbaren schließlich regelmäßig hygienische Mängel. Als typische Problemzonen zeigen sich insbesondere Kühlregister / Kondensatwannen, Befeuchter- sowie Ventilatorkammern. Eine solche Wartungspflicht durch zertifizierte SHK-Fachunternehmen könnte dazu beitragen, die hygienische, aber auch energetische Qualität von RLT-Anlagen nachhaltig zu verbessern – zum Schutze der Verbraucher und der Umwelt.
Ob die Untersuchungspflicht tatsächlich einmal auf die politische Tagesordnung gesetzt wird, bleibt abzuwarten. In Warstein dürften derzeit ohnehin andere Belange Priorität genießen. Aufgrund der Erkrankungswelle wurde das traditionelle Treffen der Ballonfahrer, die 23. Montgolfiade, die jedes Jahr mehr als 100.000 Besucher anlockt, abgesagt – Hunderte von Zimmer storniert. Für die Gastronomie und das Hotelgewerbe eine Katastrophe. Die durch den Kreis ­Soest ausgesprochene Reisewarnung tut ihr weiteres dazu, dass der 27.000-Einwohner-Stadt die Gäste ausbleiben. Wie hoch der wirtschaftliche Gesamtschaden in Warstein und Umgebung sein wird und wer die Verantwortung für das Desas­ter trägt? Mit der Beantwortung dieser Fragen dürften sich in Kürze wohl Experten aus gänzlich anderen Disziplinen befassen.

Markus Sironi

Chefredakteur
m.sironi@strobel-verlag.de

 


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