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Beratung statt Bauchgefühl

Mitte Juni wurde der aktuelle, alle zwei Jahre erarbeitete Bericht "Bildung in Deutschland" veröffentlicht.

Detlev Knecht

 

 

Als fundierte Bestandsaufnahme reflektiert er das komplette Bildungssystem über alle Altersgruppen hinweg, angefangen beim Kleinkind, über allgemeinbildende Schulen bis hin zur Weiterbildung von Erwachsenen. Aus den Ergebnissen lässt sich u. a. ableiten, wie es um die Handwerksberufe jetzt und - bezogen auf die Ausbildung - in Zukunft bestellt ist.
I. d. R. erlebt es jeder SHK-Handwerksbetrieb am eigenen Leibe, wie schwer es ist, Bewerber für eine offene Lehrstelle zu bekommen. Ist der Beruf des Anlagenmechanikers für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik zu unattraktiv? Nein. Daran kann es nicht liegen. Denn unter allen Ausbildungsberufen rangiert er auf Platz 11 in der Attraktivitätsskala, bei den reinen Handwerksberufen gar auf Platz 3 - nach Kfz und Elektro. Etwas mehr als 30 000 junge Menschen durchlaufen gerade diese Ausbildung. Leider ist das nur eine Seite der Medaille. Vor 15 Jahren waren es noch knapp 60 000, vor 18 Jahren gar 70 000, was einem Rückgang von fast 60 % entspricht.
Momentan gibt es mehr offene Lehrstellen als Bewerber. Da verwundert es nicht, dass Fachleute Mangelware sind und dieser Zustand wohl noch lange anhält: Es fehlt schlicht weg das Personal.
Die Ursachen für diese unliebsame Entwicklung sind vielfältig. Eine davon ist im vorgelagerten Bildungssystem zu suchen. Der Trend zu Schulabgängern mit Hochschulzugangsberechtigung nimmt weiter zu. Damit wandern immer mehr potenzielle Anlagenmechaniker in das Hochschulsystem.
Ernüchternd dann noch, dass fast 30 % der Studierenden früher oder später feststellt, dass sie sich ein falsches Studium ausgesucht haben und es dann abbrechen. Leider darf sich das Handwerk nicht auf die Schultern klopfen. Die Abbrecherquote liegt bei den drei beliebtesten Handwerksberufen seit Jahren bei fast 30 %. Die Vermutung liegt nahe, dass die jungen Menschen, während sie die allgemeinbildenden Schulen besuchen, hinsichtlich der Berufswahl falsch beraten werden - von wem auch immer. Sicher spielen gesellschaftliche Veränderungen eine Rolle. Eltern wünschen sich mehr, dass ihre Kinder studieren als dass sie eine Lehre machen. Auch dieses falsche Anspruchsdenken führt dann zu den skizzierten Tendenzen.
Es müsste eine Allianz geschmiedet werden, die den Fehlentwicklungen bei der Berufswahl entgegenwirken. Wünschenswert wäre es, wenn alle Beteiligte - Arbeitgeber, Gewerkschaften, Bildungsbeauftragte - das Berufssystem dahingehend reformieren, dass z. B. Personallücken in verschiedenen Berufen durch gezielte Beratung der Jugendlichen gar nicht erst auftreten oder abgefedert werden. Denn eines steht auf statistisch sicheren Beinen: Ein sehr gut informierter Schulabgänger bricht seine Berufswahl nicht so leicht ab wie jemand, der sich aus dem Bauch heraus für einen bestimmten Beruf entscheidet. Und da müssen wir hin.

Detlev Knecht
stv. Chefredakteur
d.knecht@strobel-verlag.de

 


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