Alles aus einer Hand
All-in-one-Lösungen könnten helfen, die Energietechnik wieder zu vereinfachen
Wer Solarstromerzeugung und -speicherung, intelligente Gebäudetechnik und Elektromobilität verbinden will, muss normalerweise ein System mit verschiedenen Schnittstellen konfigurieren. Vor dieser Komplexität scheuen sich viele Installateure. Ein System aus der Schweiz bringt Abhilfe.
Für die Wärmeerzeugung im Haus ist das SHK-Handwerk zuständig, um die Stromseite kümmern sich die Elektriker: Diese lang geltende klare Aufteilung greift im Zuge der sich wandelnden Energieversorgung hin zur lokalen Wärme- und Stromerzeugung mit regenerativen Anlagen immer weniger. Heizungsbauer sollen heutzutage auch Wärmepumpen mit Photovoltaik-(PV)-Anlagen, also strombasierte Systeme, installieren. Elektriker betreten mit dem Einbau von Wärmepumpen den Heizungssektor, und neuerdings sollen sie auch noch Ladestationen für Elektroautos aufstellen und in diese Haustechnik einbinden. Nicht zu vergessen die vernetzte intelligente Gebäudetechnik, die weder zum klassischen Einsatzfeld von Heizungsbauern noch Elektrikern gehört. Besonders groß ist die Herausforderung, wenn ein Bauherr die ganze Palette will: regenerative Energieerzeugung mit Photovoltaik, Wärmepumpe und PV-Akku, Smart-Home-Technik und E-Mobilität. Für Bauherren, Planer und Installateure ist das mit viel Zeit und Mühe verbunden: Für die Suche nach passenden Komponenten bei diversen Herstellern, die Abstimmung bezüglich der Kompatibilität und Konfigurierung sowie die Installation und Überwachung. All-in-one-Lösungen könnten helfen. Eine solche wurde in der Schweiz von Ecocoach entwickelt.
Integrierte Technik im Einfamilienhaus
Ein Beispiel, wie das System die drei Bereiche in einem Wohnhaus verbindet, ist das Einfamilienhaus von Familie Steiner in Reichenburg im Kanton Schwyz in der Schweiz. Das Gebäude hat 332 m2 beheizte Fläche und fünfeinhalb Zimmer für die vierköpfige Familie.
Auf dem Dach ist eine PV-Anlage mit 12 kW Leistung installiert. Für ein Einfamilienhaus ist dies viel. Der prognostizierte Solarertrag liegt bei 12 000 kWh im Jahr. Die PV-Anlage versorgt aber nicht nur die Haustechnik mit Solarstrom, sondern auch die Luft/Wasser-Wärmepumpe, welche Wärme für die Raumheizung und das Dusch- und Trinkwasser erzeugt. Außerdem werden über zwei Ladestationen mit jeweils 22 kW Leistung die Akkus für ein Elektro- und ein Hybridauto mit Solarstrom beladen.
Die PV-Anlage ist an einen Batteriespeicher mit 13 kWh Speicherkapazität gekoppelt. In dem Speicher steckt das Energiemanagementsystem, eine Eigenentwicklung von Ecocoach. Beide zusammen – der Speicher und der Energiemanager – bilden die Energiezentrale des Gebäudes.
Die Steuerung hat alles im Griff
Die Algorithmen des Energiemanagements optimieren die Energieflüsse vollautomatisch. Alle Daten werden in einer Cloud gespeichert. Soweit möglich, werden Verbraucher passend zur erneuerbaren Energie-Erzeugung gesteuert. Produziert die PV-Anlage mehr Strom als verbraucht wird, lädt das System den Batteriespeicher und versorgt große Verbraucher, wie zum Beispiel einen Pufferspeicher, mit zusätzlicher Energie, die später genutzt werden kann. Zur Steigerung der Energie-Effizienz und des Eigenverbrauchs im Gebäude trägt auch bei, dass der Energiemanager die Energieflüsse zur Ladestation für das E-Auto optimiert.
Familie Steiner kann mithilfe des Ecocoach-Systems durchschnittlich 65 % ihres Energiebedarfs für Strom, Wärme und Elektromobilität mit Solarstrom decken. Acht Monate im Jahr versorgt sie sich selbst mit Strom vom eigenen Dach.
Digitale Gebäudeautomation und Energiemanager
Zu den elektrischen Verbrauchern im Haus der Steiners zählt auch die Gebäudeautomation. Denn sie wollten in ihrem Eigenheim auch Smart-Home-Technik nutzen. Die Beleuchtung, die Jalousien, die Markisen und die Dachfenster werden automatisch gesteuert, ebenso wie die Wärmepumpe und raumindividuell auch die Heizung.
Die Gebäudesteuerung basiert auf der speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) des Herstellers Beckhoff Automation. Das westfälische Unternehmen entwickelt und produziert Systeme für die Industrie- und Gebäudeautomation. Mit dieser Recheneinheit steuert das Ecocoach-Programm alle energierelevanten Geräte sowie die gesamte angeschlossene Gebäude- und Haustechnik. Die Steuerung ist verbunden mit der Energiemanagement-Soft- und -Hardware. Zusammen maximieren sie die Energie-Effizienz im Gebäude.
Da die Gebäudesteuerung vor allem für Industriebetriebe entwickelt wurde, hat Ecocoach sie mit einer Software für den Einsatz in Ein- und Mehrfamilienhäusern, aber auch Quartieren und Gewerbebetrieben ergänzt. Dadurch kann die Industriesteuerung ohne die üblicherweise notwendige, individuelle Programmierung von jedem Installateur eingesetzt werden.
Technologieoffenheit als Credo
Die Technologieoffenheit, die an den freien Protokollen zu erkennen ist, hat oberste Priorität. Solche freien Protokolle und Schnittstellen haben mehrere Vorteile, allen voran die Flexibilität. Für die jeweilige Anwendung kann das optimale Protokoll verwendet werden, beispielsweise batterielose Funksensorik bei der Nachrüstung. Weiterhin können neue technische Automatisierungslösungen angebunden werden. Die Protokolle ermöglichen außerdem die direkte Ansteuerung aller Energie-Erzeuger, Energieverbraucher und der gesamten Ausstattung im Gebäude. Und es entstehen geringere Kosten. Denn mit freien Protokollen fallen keine zusätzlichen Lizenzgebühren wie bei proprietären Protokollen an.
Bei der Konfiguration hilft den Installateuren die dazugehörige, von Ecocoach programmierte webbasierte App für PCs. Installateure benötigen keinerlei Programmierkenntnisse, sondern führen die Einstellungen im Setup-Tool auf einer grafischen Oberfläche durch. Über die App können sie die Inbetriebnahme vor dem Vor-Ort-Termin bereits in ihrem Betrieb vorbereiten. Die Anwender wiederum können ihre Energietechnik und Gebäudeautomation über die Endnutzer-App für internetfähige Handys und PCs überwachen und steuern. Die Ladestationen für Elektrofahrzeuge sind hier ebenfalls integriert.
Falls die Energie- und Gebäudetechnik beizeiten erweitert werden soll, ist das problemlos möglich. Durch die offenen Schnittstellen können zusätzliche Geräte eingebunden werden, wobei die Nutzer nicht an bestimmte Anbieter gebunden sind.
Autor: Ina Röpcke, Fachjournalistin Erneuerbare Energien und Energieeffizienz
Bilder: Ecocoach