Mit kontrollierter Lüftung eine optimale gesundheitliche Situation herstellen
Luftaustausch versus Luftreinigung im Klassenzimmer: die Meinung eines Experten
Gesunde Raumluft im Klassenzimmer – in der Praxis ist das eher die Ausnahme. Die Corona-Pandemie hat jedoch zu einem Umdenken geführt. Das Thema gewinnt an Fahrt. Doch auf Entscheiderebene werden statt lüftungstechnischer Anlagen Luftreinigungsgeräten eingesetzt, was schlimmstenfalls zu einer Verschlimmbesserung führen kann. „Die hohe CO2 Belastung im Schulbetrieb mit vielen Personen in einem Klassenzimmer bekomme ich nur mit einer raumlufttechnischen Anlage über einen kontinuierlichen Luftaustausch in den Griff. Das senkt nicht nur die Infektionsgefahr, sondern verbessert eindeutig die Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit aller Anwesenden“, sagt Peter Bachmann, Geschäftsführer des Sentinel Haus Instituts. Ein Interview.
IKZ-KLIMA: Das Umweltbundesamt empfiehlt bei gesundheitlich belastenden Einflüssen auf das Innenraumklima den Einsatz von lüftungstechnischen Anlagen, also einer zentralen oder dezentralen Wohnungslüftung. Trotzdem wird auf politischer Ebene sehr oft der Einsatz von Raumluftreinigern als ausreichende klimatechnische Maßnahme beschrieben. Woran liegt‘s? Wird hier aus Unwissenheit Luftreinigung und Wohnraumlüftung in einen Topf geworfen?
Peter Bachmann: Es ist ein nur allzu menschlicher Reflex, dass man – egal ob nun Politiker, Journalist oder einfach Eltern eines schulpflichtigen Kindes – bei Problemen gerne nach schnellen und einfachen Lösungen sucht. Eine jederzeit gesunde Qualität der Innenraumluft ist aber leider recht komplex. Deshalb denke ich auch, dass bei diesem Thema viele Begrifflichkeiten einfach aus Unwissenheit vermischt werden. Umso wichtiger ist es, den Menschen ehrlich, seriös und wissenschaftlich abgesichert zu erklären, was die Raumlüftung leisten kann und was die Luftreinigung. Zudem stellt sich – bezogen auf die Raumlüftung – bei jedem Bauvorhaben immer zuerst die Systemfrage: Spricht die Vor-Ort-Situation eher für eine dezentrale oder eine zentrale Innenraumlüftung.
IKZ-KLIMA: Und bei den Luftreinigern?
Peter Bachmann: Da ist die Situation noch mal diffiziler, denn Luftreinigung ist nicht gleich Luftreinigung. So gibt es Luftreiniger, welche die Luftqualität im Raum sogar noch verschlechtern können. Etwa, wenn das Gerät die Atemwege reizendes Ozon abgibt oder – noch schlimmer – allergieauslösende Beduftungsessenzen im Raum verströmt. Wer hier auf Nummer Sicher gehen will, sollte unbedingt im Vorfeld einer „Belüftungs-Entscheidung“ einen Blick auf die Aussagen des Fresenius-Instituts werfen. Fresenius hat hier sehr aussagekräftige Informationsmaterialien über die Qualitäten bei Luftreinigungsgeräten zusammengestellt.
IKZ-KLIMA: Bleiben wir noch mal bei der „Begriffsverwirrung Raumluftreinigung und Raumlüftung“. Beide Systeme wollen das Gleiche – nämlich für eine saubere und hygienisch einwandfreie Luft in Innenräumen sorgen. Aber es gibt doch große Unterschiede – auch und gerade im Leistungsvermögen dieser beiden Techniken. Könnten Sie uns diesbezüglich etwas schlauer machen?
Peter Bachmann: Sehr gerne. Werfen wir dabei erst mal ganz nüchtern einen Blick auf alle möglichen negativen Einflussfaktoren für ein gesundes Raumklima:
Menschen verbrauchen Sauerstoff und geben CO2 durch die Atemluft in den Innenraum. CO2 verursacht Konzentrationsprobleme, Kopfschmerzen und viele weitere Symptome.
Menschen geben durch Ihre Atmung Aerosole ab. Diese können Viren an weitere Menschen im Innenraum übertragen.
Schadstoffe aus Bauprodukten und/ oder Reinigungsmitteln können die Raumluft mit Lösemitteln belasten. Das nur als Beispiele. Diese Schadstoffe können vielseitige negative Wirkungen auf unsere Gesundheit nehmen.
Emissionen und Lärm gelangen durch offene Fenster in den Innenraum und belasten massiv die Konzentration und Gesundheit.
Dann gilt es in Bezug auf die individuelle Raumsituation folgende Aspekte zu berücksichtigen:
Wie viele Menschen nutzen den Raum?
Welcher Tätigkeit gehen diese nach?
Wie ist der Raum möbliert und zugeschnitten?
Welche Lüftungssituation ist vorhanden?
Wenn ich nun also mein persönliches Anforderungsprofil an eine Raumluftoptimierung definiert habe, sollte ich mir klar machen: Was kann eine Lüftungsanlage und was kann ein Raumluftreiniger leisten?
IKZ-KLIMA: Und Ihre Antwort darauf?
Peter Bachmann: Eine hochwertige Lüftungsanlage sorgt für kontinuierliche Frischluft – und damit Sauerstoffzufuhr sowie den Abtransport von CO2, Aerosolen, Feuchte, Gerüchen und Lösemitteln. Zudem schützt sie vor allen möglichen Außeneinflüssen wie Straßenlärm, Pollen, Insekten und Feinstaub. Und letztlich spart sie dank des Einsatzes eines Wärmetauschers auch noch wertvolle Energie. Entsprechend ausgestattete Geräte regeln sogar die Luftfeuchte.
Ein hochwertiger Raumluftreiniger dagegen filtert bzw. reinigt die Luft von Lösemitteln, Aerosolen und Feinstaub. Alle anderen der genannten Anforderungen kann er nicht erfüllen.
Auf Basis dieser umfassenden Grundlagen-Analyse kann man nun eine seriöse Entscheidung treffen, welche Lösung zur Optimierung des Innenraumklimas im individuellen Fall sinnvoll ist.
IKZ-KLIMA: Kommen wir nun zu einem im Kontext „Gesunde Raumluft“ heiß diskutierten Thema, der so genannten Schullüftung. Gesunde Raumluft im Klassenzimmer – wem liegt dieses Thema nicht ganz besonders am Herzen? Die hohe Relevanz zeigt sich auch am Engagement der öffentlichen Hand. So hat die Bundesregierung im Spätsommer 2021 nochmal ein Förderprogramm von 200 Mio. Euro für mobile Luftreiniger an Schulen und Kitas aufgelegt. Wobei es doch überraschend war, wie eindeutig sich die Politik auf eine Technologie, den mobilen Luftreiniger, festgelegt hat. Wie bewerten Sie diese einseitige Präferenz für ein System?
Peter Bachmann: Als Marktführer für Gesundheitskonzepte in Gebäuden verlassen wir uns am liebsten auf wissenschaftlich fundierte Fakten, bevor wir bestimmte Technologien bewerten. Das gilt insbesondere für die Schullüftung, geht es doch hier um die Gesundheit und Sicherheit von Kindern und Lehrkräften!
Gemeinsam mit dem TÜV SÜD haben wir an zwei Referenzschulen die Situation genau analysiert und gemessen. Das Ergebnis zeigt eindeutig, dass nur eine kontrollierte Lüftung eine optimale gesundheitliche Situation herstellen kann. Raumluftreiniger können eine intelligente Ergänzung dort sein, wo nicht ausreichend gelüftet werden kann. Beim dem in diesem Test eingesetzten Raumlüftungsgerät bewegte sich der Luftstrom immer dicht an der Wand bzw. an der Raumdecke entlang, ohne dass die im Raum befindlichen Personen mit Viren oder Schadstoffen in Berührung gekommen wären (Anmerkung der Redaktion: weitere Infos zu den Simulationen von TÜV SÜD unter https://bit.ly/3lU9IVS).
Ein weiterer, speziell „schulhygienischer“ Hygiene-Aspekt: In den Sommerferien werden die Klassenzimmer zumeist mit sehr aggressiven Reinigungsmitteln gesäubert. Zum Start des Schulbetriebs herrscht dann in den Klassenzimmern eine hohe Schadstoffkonzentration. Mit einer kontinuierlich laufenden, lüftungstechnischen Anlage kommt es für Schülerinnen und Schüler sowie für die Lehrpersonen erst gar nicht zu dieser Raumluft belastenden Situation.
Und zum guten Schluss: Die hohe CO2 Belastung im Schulbetrieb mit vielen Personen in einem Klassenzimmer bekomme ich nur mit einer raumlufttechnischen Anlage über einen kontinuierlichen Luftaustausch in den Griff. Das senkt nicht nur die Infektionsgefahr, sondern verbessert eindeutig die Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit aller Anwesenden. Und wenn die Pandemie irgendwann mal Geschichte ist – die hohe CO2 Belastung im Klassenzimmer bleibt. Warum also nicht gleich in eine Technologie investieren, die mir auch nach Corona weiterhelfen kann – eine wertschöpfendere Investition in ein gesundes und hygienisch einwandfreies Innenraumklima kann ich mir nicht vorstellen.
IKZ-KLIMA: Zum Schluss geht’s noch mal um das liebe Geld: Muss der Architekt oder auch TGA-Fachplaner nicht Regressforderungen fürchten, wenn er den Bauherrn bei einem energieeffizienten Bau- bzw. Sanierungsprojekt nicht lüftungstechnisch berät? Die Gefahr einer zu hohen Feuchte in den Räumen mit späterer Schimmelbildung als ein Schadensbild ist doch relativ hoch.
Peter Bachmann: Man kann nur jedem Architekten und Fachplaner dringend raten, seinen Kunden in dieser Hinsicht objektiv zu beraten. Denn auch ohne eine baurechtliche Gesetzesvorschrift kann es teuer werden für den Architekten. So handelt es sich bei der „berüchtigten“ Lüftungsnorm DIN 1946/6 zwar „nur“ um eine bautechnische Richtlinie. Aber Architekten und Fachplaner sollten die Situation trotzdem auf keinen Fall unterschätzen. Denn bei Regressverhandlungen werden inzwischen die zahlreichen baurechtlichen Leitfäden der Verbände oder auch vom Umweltbundesamt von den Gerichten für ihre Urteilsbegründung herangezogen.
www.sentinel-haus.de/de www.zehnder-systems.de