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Lebensmittelkühlung durch Bio-Abfall

Forscher entwickeln technologisches Konzept für Entwicklungs- und Schwellenländer

Kühlung der Fische und Meeresfrüchte im Fischerdorf bei Guhagar auf herkömmliche Weise. Bild: Fraunhofer UMSICHT/Michael Joemann

Clemens Pollerberg (2.v.l.) und Michael Joemann (3.v.r.) mit Wissenschaftlern bei einer Forschungsanlage zum solaren Kühlen in der Nähe von Delhi. Bild: Fraunhofer UMSICHT/Michael Joemann

 

Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) hat sich in den letzten Jahren intensiv mit Indien als Zielmarkt für die solare Kühlung beschäftigt. Aus den zahlreichen Kontakten vor Ort ist schließlich die Idee für ein mit Biogas angetriebenes System entstanden, das aus Abfällen Kälte für die Lebensmittellagerung erzeugt und so dazu beitragen kann, dem Problem einer unzureichenden Lebensmittel-Kühlkette entgegenzuwirken. 

In Entwicklungs- und Schwellenländern verdirbt etwa ein Drittel aller erzeugten Lebensmittel, da es dort meist an Infrastrukturen für Transport, rechtzeitiger Verarbeitung oder Kühlung mangelt. Gleichzeitig stellt eine unzulängliche Abfallentsorgung in diesen Ländern ein hygienisches Problem dar und führt zu Gesundheitsbeeinträchtigungen der Bevölkerung. Ein Beispiel für diese Situation ist das Hafengebiet der indischen Stadt Mumbai, wo es aufgrund einer unzureichenden Kälteversorgung zu einem erhöhten Ausschuss bei der Fischverarbeitung kommt. Nupur Technomy, ein indischer Kooperationspartner des Fraunhofer UMSICHT, wurde von Anwohnern und Betreibern der fischverarbeitenden Betriebe in Mumbai gebeten, eine Lösung für diese Situation zu finden.
Fraunhofer Forscher haben daraufhin ein technologisches Konzept entwickelt, das sowohl das Problem der Abfallentsorgung als auch das einer zuverlässigen Kälteversorgung von Lebensmitteln adressiert, indem biogene Abfälle wie Überschüsse aus der Fischverarbeitung oder der Landwirtschaft zur direkten Kälteerzeugung für die Lebensmittellagerung genutzt werden. „Die Idee zur Bio-Kälte-Anlage entstand im Rahmen eines Fraunhofer-Ideenwettbewerbs 2015“, erzählt Dr.-Ing. Clemens Pollerberg, der gemeinsam mit seinem Kollegen Dr.-Ing. Michael Joemann das Projekt „BioKälte“ bei Fraunhofer UMSICHT federführend betreut. „Mithilfe einer Anschubfinanzierung konnten wir schließlich das technische Konzept für die Anlage ausarbeiten.“

Höhere Lebensmittelqualität durch effiziente Kühlung
Das übergeordnete Ziel des Projekts ist die Einführung bioabfallbetriebener Lebensmittellager auf dem indischen Subkontinent. Diese sollen die Effizienz der Landwirtschaft verbessern, indem die Qualität der Lebensmittel erhöht, Ausschüsse verringert und die hygienische Belas­tung durch wilde Deponien von Bioabfällen vermieden werden. Der technische Grundgedanke hinter einer Bio-Kälte-Anlage ist folgender: Durch Fermentation von biogenen Abfällen erzeugtes Biogas wird bereits jetzt in Entwicklungsländern zum Kochen und für die Beleuchtung verwendet. Mithilfe einer Absorptionskältemaschine kann dieses Gas auch für Kühlprozesse genutzt werden.
Die entwickelte Bio-Kälte-Anlage besteht aus den Hauptkomponenten Fermenter, Gasbrenner, Absorptionskältemaschine und Rückkühlwerk, die zusammen mit dem Lagerraum für die Lebensmittel in zwei mobilen 40-Fuß-Containern untergebracht sind. Dadurch lässt sich das System überall und auch ohne Verbindung zum Stromnetz nutzen; bei Bedarf kann es außerdem mit Solarpaneelen und Wärme-Kopplungsanlagen kombiniert werden. Die im Container enthaltene Anlage soll zwischen 3 und 5 t biogene Abfälle pro Tag verarbeiten können (abhängig von der Substratzusammensetzung des Abfalls). Die Überreste aus dem Fermentationsprozess ließen sich als Düngemittel weiterverwenden.

Herstellung und Vertrieb in Indien
Um marktübliche Kosten zu gewährleisten und den Marktzugang sicherzustellen, soll das gesamte System zur Biogas-angetriebenen Lebensmittelkühlung im Zielmarkt Indien hergestellt wie auch vertrieben werden. Gemeinsam mit einem deutsch-indischen Projektkonsortium ist im April die Realisation einer Demonstrationsanlage angelaufen, für die mit einem weiterführenden Projekt zusätzliche Mittel bewilligt wurden. „Derzeit planen wir mit unseren Industriepartnern den Bau der wichtigsten Anlagenkomponenten – also die Entwicklung eines Fermenters in Containerbauweise zur Nutzung verschiedener Biomassen sowie die Entwicklung einer Absorptionskältemaschine für die spezifischen Rahmenbedingungen in Indien“, sagt Dr. Pollerberg. Bau, Installation und Inbetriebnahme der Demonstrationsanlage würden durch die indischen Partner umgesetzt, als Standort wäre zum Beispiel der Großmarkt für Obst, Gemüse und Gewürze in Pune denkbar. Wo genau die Anlage stehen wird, wollen Pollerberg und Joemann gemeinsam mit den Partnern des Projekts „BioKälte“ im Rahmen einer weiteren Indienreise Ende 2017 abschließend entscheiden.

www.umsicht.fraunhofer.de

 


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