Ausgabe 1/2000, Seite 9 f.


Heizung


Rohrdehnung und Dehnungsausgleich

3. Teil

6. Vorgespannte Biegeschenkel

Bei Leitungen mit einer großen, in eine Richtung wirkenden Längenänderung ist es vorteilhaft, den Biegeschenkel bei der Rohrverlegung vorzuspannen. Dadurch bekommt man einen kürzeren Biegeschenkel als ohne Vorspannung. Üblich ist eine Vorspannung um 50%. Sie bringt eine Verdoppelung der Dehnungsaufnahme:

Bei der Montage (bei J1) wird der Biegeschenkel um Dl/2 in die Richtung gezogen, die der Dehnbewegung des Dehnschenkels beim Hochheizen der Anlage entgegengesetzt ist; der Dehnschenkel wird unter Zugspannung gesetzt. Nach der Inbetriebnahme der Heizungsanlage verringert sich die Zugspannung während des Temperaturanstiegs aufgrund der Längenzunahme des Dehnschenkels allmählich bis auf Null an dem Punkt, an dem die mittlere Temperatur zwischen der Montage- und der Höchsttemperatur (DJ/2) erreicht ist. Bei fortgesetztem Temperaturanstieg baut sich Druckspannung auf, bis zum Höchstwert bei der Höchsttemperatur (J2).

Bild 1: Verhalten eines um 50% vorge-
spannten Biege-
schenkels.

Das Bild 1 zeigt die beschriebenen drei Schenkelstellungen eines um 50% vorgespannten L-Bogens. Darunter ist, als Ausschnittvergrößerung, die Beanspruchung des Rohrwerkstoffs in einem Schnitt dargestellt: Beim Biegen eines Biegeschenkels wird eine Seite gedehnt und seine andere Seite gestaucht. Dadurch entstehen in dem Biegequerschnitt sowohl Zug- (Z) als auch Druckspannungen (D), in ihrer Größe ausgehend von Null (0) in der Rohrachse, wo keine Dehnung und auch keine Stauchung stattfindet. Natürlich sind die für die Berechnung von Biegeschenkeln verwendeten Gleichungen (2 und 2’ in Teil 2 der Serie, s. ikz-praxis, Heft 11/99) so ausgelegt, dass die zulässigen Spannungen der Rohrwerkstoffe mit Sicherheit nicht überschritten werden.

Bild 2: Gegenüberstellung eines nicht vorgespannten Biegeschenkels (a), einem um 50% vorgespannten Biegeschenkel (b).

In der folgenden, die Ausführungen über natürliche Biegeschenkel abschließenden Übungsaufgabe wird ein um 50% vorgespannter L-Bogen einem nicht vorgespannten L-Bogen gegenübergestellt. Angenommen wird eine Heizwasserleitung aus Kupferrohr DN 42 mit einer Länge von l = 15,0 m in einem Gewerbebetrieb. Die Rohrverlegetemperatur J1 beträgt +5°C, die Vorlauftemperatur J2 = 95°C. Zu berechnen sind:

1.

=

Längenänderung des Dehnschenkels

2.1 a

=

Länge eines nicht vorgespannten Biegeschenkels

2.2 a’

=

Länge eines um 50% vorgespannten Biegeschenkels

2.3 a’

=

Länge eines beliebig vorgespannten Biegeschenkels

3. l’

=

Dehnschenkel-Verlegelänge bei vorgespannten Biegeschenkeln.

Lösung
zu 1.

Die Längenänderung des Dehnschenkels beträgt (lt. Gleichung 1 aus Teil 1, s. ikz-praxis, Ausgabe 10/99):

Dl = l · DJ · a = 15 · 90 · 0,017 = 23 mm

zu 2.1

Damit errechnet sich die Länge des nicht vorgespannten Biegeschenkels (lt. Gleichung 2, Bild 2a):

zu 2.2

Auch die Länge des um 50% vorgespannten Biegeschenkels wird anhand der Gleichung 2 aus Teil 1 der ikz-praxis, Heft 10/99, errechnet. Allerdings sind, aus dem bereits erläuterten Grund, nur 50% Längenänderung des Dehnschenkels einzusetzen (Bild 2b):

zu 2.3

Aus jeder Abweichung von der Vorspannung 50% - ob nach unten oder nach oben - resultiert ein Biegeschenkel, der stets länger ist als ein solcher mit 50% Vorspannung. Warum? Weil:

- einerseits die Länge des Biegeschenkels stets nach dessen größeren Auslenkung aus seiner (spannungslosen) Null-Lage zu bemessen ist,

- andererseits bei jeder Abweichung von der 50%-Vorspannung des Biegeschenkels, die Wege, von der Null-Lage aus gerechnet, nach beiden Seiten unterschiedlich lang sind.

Hierzu ein Beispiel mit Dl = 23 mm, einmal mit 40% Vorspannung und einmal mit 55%:

a) Mit Dl40% = 23 · 0,4 = 9,2 mm ist der längere Weg aus der Null-Lage 23 - 9,2 = 13,8 mm

b) Mit Dl55% = 23 · 0,55 = 12,65 mm hat man bereits den längeren Weg. Damit erhält man Biegeschenkellängen von:

zu a)

zu b)

zu 3.

Nach 2.2 ist der Biegeschenkel um 50% vorzuspannen, d.h. er ist während der Montage um Dl · 0,5 in Richtung Dehnschenkel auszulenken. Hiermit errechnet sich die Verlegelänge des Dehnschenkels zu:

l’ = l - Dl50% = 15.000 - 23 · 0,5 = 15.000 - 11,5 = 14.988,5 mm

Bei einem nach 2.3 um 40% oder um 55% oder um x % vorzuspannenden Biegeschenkel lautet der Ansatz für die Dehnschenkel-Verlegelänge:

l’ = l - Dl40% = 15.000 - 23 · 0,4 = 14.991 mm

l’ = l - Dl50% = 15.000 - 23 · 0,55 = 14.987 mm

l’ = l - Dlx% = 15.000 - 23 · x =

(LSB) (Fortsetzung folgt) 

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