IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 07/2005, Seite 36 f.

INTERVIEW

Facettenreiche Palette

Professor Dr.-Ing. Ulrich Pfeiffenberger, Vorsitzender des Vorstandes des Fachinstitutes Gebäude-Klima e.V., zu den Entwicklungen und Trends in der Klimatechnik.

IKZ-HAUSTECHNIK: Der Markt der Klima- und Lüftungstechnik bietet derzeit eine facettenreiche Palette unterschiedlicher Systeme und Lösungen. Welche spielen nach Ihrer Einschätzung die wichtigste Rolle?

Prof. Pfeiffenberger: Diese Frage kann nicht losgelöst von der jeweiligen Anwendung betrachtet werden. Viele industrielle Produktionsprozesse sind ohne den Einsatz der Klimatechnik nicht möglich, wobei sowohl der Einsatz kontrollierter Umgebungsbedingungen zur Qualitätssicherung als auch der Einsatz von geeigneten Anlagen zum Schutz der Personen in der Produktion zu berücksichtigen ist. In der Öffentlichkeit wird jedoch der Einsatz von Klimaanlagen in Bürobereichen am intensivsten diskutiert. Hier bietet der Markt eine breite Palette an Lösungsmöglichkeiten an, die von der Nur-Luft-Anlage bis zu Luft-Wasser-Systemen in zentraler und dezentraler Ausführung reichen. Besonders zu erwähnen sind die direkt verdampfenden Systeme, deren Marktanteil bemerkenswert hohe Zuwachsraten aufweist.

Schließlich ist noch der Bereich der Wohnungslüftung hervorzuheben. Hier werden mechanische Lüftungsanlagen aufgrund der immer luftdichteren Bauweise und der Notwendigkeit, die Lüftungswärmeverluste zu minimieren, zunehmend nachgefragt.

Die wichtigste Rolle bei der Klimatisierung von Büro- und Geschäftsgebäuden spielen derzeit die Luft-Wasser-Systeme in zentraler oder dezentraler Ausführung sowie die direkt verdampfenden Systeme. Diesen Systemen ist der wesentlich geringere Platzbedarf gemeinsam und damit die wesentlich vielfältigeren Möglichkeiten zur Integration der Systeme in die Gebäudestruktur.

IKZ-HAUSTECHNIK: Der Markt bietet demnach eine Reihe von zentralen und dezentralen Systemen. Wo sehen Sie die Vor- und Nachteile?

Prof. Pfeiffenberger: Hier sind einerseits die Investitions- sowie die Energie- und Instandhaltungskosten zu berücksichtigen, andererseits sind der Platzbedarf und die daraus resultierenden Kosten mit in Erwägung zu ziehen. Die zentralen Systeme bieten eine Reihe von Vorteilen im Bezug auf die Instandhaltungskosten, während bei den Investitionskosten, hier als Summe aus Anlagen und Gebäudekosten zu verstehen, die dezentralen Systeme am günstigsten sein dürften. Mit den zentralen Systemen lassen sich dagegen alle thermodynamischen Funktionen sowie die kontrollierte Lufterneuerung erfüllen, was eindeutig ein wichtiges Argument für diese Systeme darstellt.

Das eigentliche Ziel der Klimatechnik, die Schaffung akzeptabler und behaglicher Umgebungsbedingungen, lässt sich mit den meisten Systemen erreichen. Besonders wichtig ist der individuelle Raumkomfort, für den in der Klimatechnik der Begriff Einzelraumregelung verwendet wird.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Anforderungen stellen aktuell die Investoren an die Klima- und Lüftungstechnik?

Prof. Pfeiffenberger: Genau zu diesem Thema fand im November 2004 in Bonn eine große Tagung statt. Die dort von Investoren und Architekten genannten Anforderungen an die Klima- und Lüftungstechnik lassen sich wie folgt zusammenfassen: Geringstmöglicher Platzbedarf im Gebäude und größtmögliche Flexibilität im Hinblick auf die zunehmend häufiger stattfindenden Nutzungsänderungen, z.B. Mieterwechsel im Gebäude. Es wurde aber auch die Forderung nach möglichst geringen Kosten sowohl für Investitionen als auch für den Betrieb gestellt. Und auch die Energiekosten spielen bei steigenden Kosten für den Energieeinkauf wieder eine größere Rolle.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wo könnte vor diesem Hintergrund nach Ihrer Einschätzung die Reise in der Klima- und Lüftungstechnik hingehen?

Prof. Pfeiffenberger: Aufgrund der aktuellen Marktsituation sind vorgefertigte, einfach zu installierende, modular aufgebaute Systeme im Vorteil. Diese Anforderungen lassen sich am ehesten mit Luft-Wasser-Systemen erfüllen. Dabei wird zunehmend eine Konkurrenzsituation mit den direkt verdampfenden Anlagen festzustellen sein. Die genannten Systeme sind auch besonders günstig für die häufiger werdenden Anwendungen im gesamten Bereich der Nachrüstung von Gebäuden aufgrund von Nutzungsänderungen, zunehmendem Einsatz von Computern in Büros sowie allgemein gestiegenen Komfortanforderungen, auch im Hinblick auf die Änderungen des Außenklimas.

»Moderne Architektur ersetzt die Klimatechnik nicht, sondern erfordert Klimaanlagen zur Herstellung des gewünschten Raumkomforts.«

Prof. Dr.-Ing. Ulrich Pfeiffenberger

Parallel dazu haben jedoch zentrale Systeme nach wie vor ihre Berechtigung, insbesondere für die Innenzonen von Gebäuden, in großräumigen Gebäuden mit hoher Personendichte und im Bereich der Sicherheits-Lüftungsanlagen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Rolle spielt die moderne Architektur für die Planung raumlufttechnischer Einrichtungen?

Prof. Pfeiffenberger: Für mich bestehen die herausragenden Merkmale moderner Architektur in ungewöhnlichen Bauformen und dem Einsatz großzügiger Verglasungen. Man muss aber auch beachten, dass moderne Gebäude zunehmend mit größerer Belegungsdichte der Gebäudenutzer geplant werden. Beide Tendenzen führen letztlich zu höheren Raumlasten und damit zur Notwendigkeit des Einsatzes von Klimaanlagen zur Luftversorgung und zur Kühlung. Aus meiner Sicht ersetzt moderne Architektur die Klimatechnik nicht, sondern erfordert Klimaanlagen zur Herstellung des gewünschten Raumkomforts. Weiterhin möchte ich erwähnen, dass raumlufttechnische Anlagen für die Sicherheit, insbesondere großer Gebäude, unabdingbar sind, als Beispiel hierfür sind Entrauchungsanlagen und Druckbelüftungsanlagen zu erwähnen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Empfehlungen können Sie geben, um Architektur und Klimatechnik noch enger und zielführender zu verzahnen?

Prof. Pfeiffenberger: Am wichtigsten ist die frühzeitige Einbindung des TGA-Planers in den Entstehungsprozess des Gebäudekonzeptes. Leider ist in der Praxis häufig festzustellen, dass Architekten und TGA-Fachleute buchstäblich nicht dieselbe Sprache sprechen. Die deutliche Zunahme der Begutachtungen zur Aufklärung von Mängeln fertiggestellter Bauten spricht hier eine deutliche Sprache. Es wird eine der wesentlichen Aufgaben der Bildungseinrichtungen sein, den entsprechenden Brückenschlag auf beiden Seiten durch geeignete Lehrveranstaltungen zu ermöglichen. Betrachtet man die durchschnittlichen Kosten eines Gebäudes, die sich zu je einem Viertel auf die Bereiche Rohbau, Ausbau, Fassade und TGA aufteilen, und berücksichtigt man weiterhin, dass die Fassade von wesentlichem Einfluss auf den Energieverbrauch und damit die Betriebskosten eines Gebäudes ist, so stehen sich mit den Disziplinen Rohbau / Ausbau einerseits und TGA / Fassade andererseits zwei nahezu gleichgewichtige Partner gegenüber - übrigens eine gute Voraussetzung für eine gedeihliche Zusammenarbeit.


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