IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 06/2005, Seite 162 ff.

RECHT-ECK

 

Lizenz zur Kündigung

Fehler bei der Abmahnung im Arbeitsverhältnis vermeiden

RA F.-W. Stohlmann

In der arbeitsrechtlichen Praxis kommt der Abmahnung eine große Relevanz zu. Die Abmahnung ist regelmäßig Vorstufe und Voraussetzung für die verhaltensbedingte arbeitgeberseitige Kündigung. Nicht selten jedoch scheitern arbeitgeberseitige Kündigungen daran, dass die dem Arbeitnehmer erteilte Abmahnung nicht rechtswirksam ausgesprochen wurde oder es ganz versäumt wurde, eine Abmahnung auszusprechen. Zudem häufen sich in der arbeitsgerichtlichen Praxis die Fälle, in denen Arbeitnehmer ohne Vorliegen einer Kündigung auf dem Klagewege die Entfernung einer nach ihrer Ansicht zu Unrecht ausgesprochenen Abmahnung aus der Personalakte verlangen.

Die Abmahnung ist der Ausdruck der Missbilligung eines Verhaltens unter Androhung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sofern der Arbeitnehmer das missbilligte Verhalten nicht unverzüglich ändert. Mit der Abmahnung soll der Arbeitnehmer an seine vertraglichen Pflichten erinnert und vor Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis bei weiterem Fehlverhalten gewarnt werden. Der Arbeitnehmer soll daher durch die Abmahnung zu künftigem vertragsgemäßem Verhalten angehalten werden. Die Abmahnung hat daher den Zweck, dem Arbeitnehmer klar zu machen, dass das vertragswidrige Verhalten in Zukunft nicht weiter toleriert wird. Der Arbeitgeber nimmt insoweit ein ihm zustehendes vertragliches Rügerecht wahr. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jede Kritik, Beanstandung oder Zurechtweisung, zu der es regelmäßig im Verlauf eines Arbeitsverhältnisses kommen wird, eine Abmahnung im rechtlichen Sinne darstellt. Eine Abmahnung im Rechtssinne ist erst dann anzunehmen, wenn dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Vorhaltung pflichtwidrigen Verhaltens auch arbeitsrechtliche Konsequenzen (im Regelfall die Kündigung) für den Fall der Wiederholung angedroht werden.

Funktionen der Abmahnung

Der notwendige Inhalt einer Abmahnung ergibt sich aus ihrer Funktion. Der Arbeitnehmer muss der Abmahnung zweifelsfrei entnehmen können, was ihm vorgeworfen wird, wie er sein Verhalten in Zukunft einzurichten hat und welche Sanktionen ihm drohen, wenn er sich nicht entsprechend verhält. Eine wirksame Abmahnung muss nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts drei Funktionen erfüllen:

1. Dokumentationsfunktion

Die Abmahnung muss den Zweck erfüllen, das zu beanstandende Verhalten des Arbeitnehmers festzuhalten. Die Handlung des Arbeitnehmers, die Gegenstand der Abmahnung sein soll (z.B. zu spätes Erscheinen auf der Baustelle, Nichtbefolgen einer Anweisung oder Trunkenheit während der Arbeitszeit) muss daher vom rein Tatsächlichen her so genau wiedergegeben werden, sodass sich auch später, z.B. während eines Kündigungsschutzprozesses, noch zweifelsfrei feststellen lässt, welcher Sachverhalt abgemahnt worden ist. Eine Abmahnung ist dann nicht wirksam, wenn aus ihr das zu beanstandende Verhalten des Arbeitnehmers nicht eindeutig hervorgeht. Es genügt nicht, wenn das beanstandete Verhalten lediglich pauschal oder mit Schlagworten umschrieben wird. Formulierungen wie "Arbeiten wurden nicht weisungsgerecht ausgeführt" oder "Sie waren wiederholt unpünktlich" oder "mehrfach ungenau gearbeitet" genügen nicht den Anforderungen an eine wirksame Abmahnung. Vielmehr muss z.B. eine Schlechtleistung genau geschildert werden. Dabei hat der Arbeitgeber darauf zu achten, dass er dem Arbeitnehmer genau auf den Tag bezogen vorhält, welche Anweisungen der Arbeitnehmer nicht beachtet hat und was im Einzelnen an dieser Arbeitsleistung beanstandet wird.

Beispiel: "Sehr geehrter Herr Meier,

am Dienstag, den 24. 08. 2004, sind Sie unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben. Eine Mitteilung über den Grund Ihres Fernbleibens haben Sie uns nicht zukommen lassen. Hiermit mahnen wir Ihr Verhalten ausdrücklich ab." (1. Teil)

2. Hinweisfunktion

Die Abmahnung soll dem Arbeitnehmer zeigen, welches Verhalten als vertragswidrig gerügt wird. Das Bundesarbeitsgericht hat zu der Hinweisfunktion der Abmahnung ausgeführt, dass der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hinweist und ihn auf Verletzung dieser Pflichten aufmerksam macht. Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, wenn ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an. Der oben genannte Brief ist daher wie folgt zu ergänzen (2. Teil): "Mit diesem Verhalten haben Sie nachhaltig Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Eine derartige Pflichtverletzung werden wir nicht weiter hinnehmen. Wir erwarten in Zukunft ein vertragsgerechtes Verhalten und fordern Sie auf, das beanstandete Fehlverhalten zukünftig zu unterlassen."

3. Warnfunktion

Die Abmahnung hat auch die Funktion, dem Arbeitnehmer eindringlich vor Augen zu führen, dass der Arbeitgeber nicht bereit ist, ein bestimmtes Verhalten hinzunehmen. Es müssen daher Rechtskonsequenzen angedroht werden. Der Warnzweck erfordert es, dass die Warnung eindeutig und bestimmt erfolgt, mag dies auch in höflicher Form geschehen (3. Teil). Die Abmahnung ist daher unter Beachtung der Dokumentationsfunktion, der Hinweisfunktion und der Warnfunktion insgesamt wie folgt zu formulieren (Beispiel):

"Sehr geehrter Herr Müller,

am Dienstag, den 24. 08. 2004, sind Sie unentschuldigt der Arbeit fern geblieben. Eine Mitteilung über den Grund Ihres Fernbleibens haben Sie uns nicht zukommen lassen. Hiermit mahnen wir Ihr Verhalten ausdrücklich ab. Mit diesem Verhalten haben Sie nachhaltig Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Eine derartige Pflichtverletzung werden wir nicht weiter hinnehmen. Wir erwarten in Zukunft ein vertragsgerechtes Verhalten und fordern Sie auf, das beanstandete Fehlverhalten zukünftig zu unterlassen. Im Wiederholungsfall müssen Sie mit einer Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses rechnen."

Unterschrift Arbeitgeber

Zugang der Abmahnung

Darüber hinaus hat der Arbeitgeber zu beachten, dass er den Zugang der Abmahnung in einem späteren Prozessverfahren auch nachweisen kann. Die Abmahnung sollte daher schriftlich erfolgen. Die Schriftform ist aber kein Wirksamkeitserfordernis. Die schriftliche Abmahnung sollte dem Arbeitnehmer in einem persönlichen Gespräch übergeben werden und zwar mit der Aufforderung, eine Durchschrift als entgegengenommen zu quittieren.

Ist der Arbeitnehmer nicht zu erreichen, so reicht es aus, wenn die Abmahnung dem Arbeitnehmer zugeht. Dies ist der Fall, wenn die Abmahnung entweder per Einschreiben/Rückschein zugestellt wird oder - soweit der Arbeitnehmer in der Nähe des Betriebssitzes wohnt - die Abmahnung in den Briefkasten geworfen wird und zwar durch eine Person, die den Einwurf in den Briefkasten später als Zeuge bestätigen kann. Der Inhaber oder Geschäftsführer einer Firma ist nicht Zeuge, sondern Partei, sodass eine Firma gut beraten ist, einen Angestellten mit der Zustellung der Abmahnung durch Einwurf in den Briefkasten des Arbeitnehmers zu beauftragen.

Es stellt sich allerdings die Frage, wann eine Abmahnung wegen der Schwere des Verstoßes entbehrlich ist.

Bei Pflichtverletzungen im Leistungsbereich ist eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung grundsätzlich erforderlich (Urteil des BAG vom 17. 02. 1994, Az.: 2 AZR 616/93). Allerdings sind auch Fälle denkbar, bei denen es keiner weiteren Abmahnung bedarf. Dies ist dann der Fall, wenn sich der Arbeitnehmer ernstlich weigert, sein Verhalten zu ändern und sich vertragsgemäß zu verhalten oder wenn der Verstoß nach Art, Schwere und Folgen der Pflichtverletzung so groß ist, dass eine Abmahnung für den Arbeitgeber nicht mehr zumutbar ist. Dies ist in allen Fällen von Unterschlagung, Urkundenfälschung, Diebstahl etc. der Fall. Hier bedarf es keiner Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung. Bei Pflichtverletzungen der genannten Art im Vertrauensbereich ist die Abmahnung grundsätzlich entbehrlich (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10. 11. 1988, Der Betrieb 1989, Seite 1427). Zu den Störungen im Vertrauensbereich gehören vor allem unerlaubte Handlungen (z.B. auch das Abändern der Stempelkarte oder des Arbeitszeitnachweises, die Annahme von Schmiergeldern, das Erschleichen oder Abändern von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Tätlichkeiten gegenüber dem Arbeitgeber sowie grobe Beleidigungen von Vorgesetzten oder des Arbeitgebers sowie das unsittliche Verhalten gegenüber Mitarbeitern und Auszubildenden). In diesen Fällen ist eine Abmahnung grundsätzlich nicht erforderlich, da mit einer Abmahnung das durch die Handlung des Arbeitnehmers zerstörte Vertrauen nicht wieder hergestellt werden kann.

Nach neuer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Abmahnung auch im Vertrauensbereich erforderlich, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann oder der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen, weil es z.B. vom Arbeitgeber geduldet wurde (Urteil des BAG vom 04. 06. 1997, NZA 1997, Seite 1281). So ist beispielsweise eine Abmahnung dann nicht entbehrlich, wenn der Arbeitgeber unerlaubte private Telefongespräche vom Dienstapparat geduldet hat. Auch im Vertrauensbereich können daher Verstöße als so geringwertig betrachtet werden, dass sie erst durch die Häufung das Gewicht eines Kündigungsgrundes erhalten. Auch in diesen Fällen braucht der Arbeitnehmer nicht damit zu rechnen, dass ihm ohne Vorwarnung gekündigt wird. Eine Abmahnung ist in diesen Fällen ebenfalls erforderlich.

Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bereits einmal wegen eines Verstoßes gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen abgemahnt, stellt sich die Frage, ob bei einer weiteren Vertragsverletzung anderer Art dem Arbeitnehmer gekündigt werden kann oder ob eine weitere Abmahnung erforderlich ist. Die Beantwortung dieser Frage hängt ab von der Art und Schwere des Verstoßes sowie von dem Zeitablauf zwischen der ersten und der erneuten Pflichtverletzung des Arbeitnehmers.

Bei gleich gearteten Wiederholungsfällen ist eine erneute Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung nach der Rechtsprechung entbehrlich. Abmahnung und Kündigungsgrund müssen in einem Zusammenhang stehen. Die Abmahnung darf nicht einen anderen Bereich als die für die Kündigung herangezogene Pflichtwidrigkeit betreffen. Als gleichartige Pflichtverletzungen werden z.B. verspäteter Arbeitsbeginn, unerlaubtes Verlassen des Arbeitsplatzes und unentschuldigtes Fehlen oder die unterlassene Mitteilung der Arbeitsverhinderung einerseits und das verspätete Einreichen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung andererseits angesehen. Nicht ausreichend ist hingegen, wenn der Arbeitnehmer wegen verspäteter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abgemahnt worden ist und ihm nunmehr wegen einer schlechten Arbeitsleistung gekündigt werden soll. In diesem Fall liegt keine so genannte Gleichartigkeit vor. Der Arbeitgeber müsste daher das andere vertragswidrige Verhalten ebenfalls abmahnen.

Zu beachten ist auch, dass mehrere Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen dann schädlich sein können, wenn der Arbeitgeber aus ihnen keine Konsequenzen zieht. Mahnt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer immer wegen des gleichen Verhaltens ab und erfolgt die angedrohte Kündigung nicht, erfüllt die Abmahnung ihre Warnfunktion nicht mehr. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall die letzte Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung besonders eindringlich gestalten, um dem Arbeitnehmer klar zu machen, dass weitere Pflichtverletzungen nunmehr endgültig zum Ausspruch einer Kündigung führen werden (letzte Warnung).

Besser Schriftform wählen

Zur Form der Abmahnung ist darauf hinzuweisen, dass die Abmahnung an sich nicht formgebunden ist. Sie bedarf insbesondere keiner Schriftform. Allerdings kann nur dringend empfohlen werden, die Schriftform zu wählen, um die Abmahnung dann auch zu den Personalakten zu nehmen. Daher wird von anwaltlicher Seite immer wieder empfohlen, aus Gründen der Rechtssicherheit eine Abmahnung immer nur schriftlich zu erteilen und diese auch entsprechend als Abmahnung zu bezeichnen. Regelmäßig müssen in einem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess Inhalt und Berechtigung einer Abmahnung vom Arbeitgeber dargelegt und bewiesen werden. Diesen Beweis wird der Arbeitgeber regelmäßig nur führen können, wenn er eine schriftliche Abmahnung vorweisen kann. Bei einer nur mündlich erteilten Abmahnung ist es schon aufgrund des Zeitauflaufs für den Arbeitgeber schwierig, Einzelheiten der Abmahnung vor Gericht zu beweisen.

Weiterhin hat der Arbeitgeber zu beachten, dass er den Arbeitnehmer vor der Erteilung der Abmahnung anzuhören hat. Er hat dem Arbeitnehmer daher Gelegenheit zu geben, zu dem Sachverhalt selbst Stellung zu nehmen. Unterlässt der Arbeitgeber die Anhörung des Arbeitnehmers, bevor er eine Abmahnung in die Personalakte aufnimmt, ist die Abmahnung formell unwirksam. Er muss sie auf Verlangen wieder aus der Personalakte entfernen, kann sie jedoch nach erfolgter Anhörung erneut in die Personalakte aufnehmen. Die wegen fehlender Anhörung formell unwirksame Abmahnung reicht jedoch für eine Kündigung aus. Das Bundesarbeitsgericht hat dies damit begründet, dass die Abmahnung - da formfrei möglich - auch mündlich hätte ausgesprochen werden können.

Abmahnungsberechtigung

Zur Abmahnung berechtigt ist jeder innerhalb des Betriebes, der dem Betroffenen gegenüber weisungsbefugt ist. Dies kann neben dem Betriebsinhaber oder dem Dienstvorgesetzten auch der unmittelbare Fachvorgesetzte sein. Abmahnungsberechtigt ist auch ein vom Arbeitgeber hierfür bevollmächtigter Rechtsanwalt. Der Rechtsanwalt ist dann aber gehalten, die entsprechende Vollmacht mit der Abmahnung vorzulegen. Eine Beteiligung des Betriebsrates bezüglich einer Abmahnung ist nicht erforderlich. Weder muss der Betriebsrat - soweit im Betrieb vorhanden - angehört noch unterrichtet werden. Die Abmahnung ist in der Betriebsverfassung daher als mitbestimmungsfrei anzusehen. Der Betriebsrat hat auch nicht das Recht, dass ihm eine Durchschrift oder eine Kopie der Abmahnung ausgehändigt wird. Auch steht dem Betriebsrat nicht das Recht zu, von sich aus die Abmahnung in der Personalakte des Arbeitnehmers einzusehen.


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