IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 03/2005, Seite 40 f.

REPORT

 

Schafft 8000 Liter pro Sekunde

Europas leistungsfähigste Dachentwässerungsanlage steht in Dingolfing

130.000 m2 Dachfläche - das entspricht etwa der Größe von 22 Fußballfeldern. Einmal in hundert Jahren ist es nicht unwahrscheinlich, dass dieses gigantische Dach 8000 Liter Regenwasser in der Sekunde "schlucken" muss. Das Dach gehört zur ersten Ausbaustufe des neuen Dynamikzentrums der BMW Group im niederbayrischen Dingolfing. Hier hat die Münchener Tomic & Kellerbauer GmbH die wohl leistungsfähigste Dachentwässerungsanlage Europas installiert.

Das moderne Dynamikzentrum soll als Herzstück des zentralen Ersatzteillagers der BMW Group Anfang 2005 seinen Betrieb aufnehmen. Von hier aus werden dann 5000 verschiedene Ersatz- und Zubehörteile - vom Schlüsselanhänger bis zum Kotflügel - in die ganze Welt gehen. Der Warenumschlag lässt sich mit 1,3 Mio. m3 pro Jahr beziffern.

Bei der Projektierung der Dachentwässerung waren neben der ungewöhnlich großen Dachfläche weitere Aspekte zu berücksichtigen, die eine Freispiegelentwässerung von vornherein ausschlossen. So darf nach DIN 1986 Teil 100 aus Gründen der Be- und Entlüftung der Füllungsgrad einer Freispiegel-Regenwasserleitung innerhalb von Gebäuden den Wert 0,7 (= 70% Vollfüllung) nicht übersteigen. Der Leitungsdurchmesser einer Grundleitung würde unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort 1 m übersteigen. Hohe Material- und Baukosten wären die Folge.

Die PUR-Dacheinläufe für das Druckentwässerungssystem haben eine Leistung von 14 l pro Sekunde. Sie sind damit mehr als doppelt so leistungsfähig wie die Gullys einer herkömmlichen Freispiegelentwässerung.

Ein weiterer Grund spielte für den Bauherren eine noch größere Rolle: Der Grundwasserspiegel liegt bei 1,50 bis 2 m unter der Geländeoberkante. Bei einer Leitungslänge von 200 m und einem angenommenen Gefälle von 1% würde eine Grundleitung 2 m tief liegen müssen, was eine Versickerung auf dem Gelände unmöglich machen würde. Bei der BMW Group ist das Wirtschaften gemäß den Kriterien der Nachhaltigkeit ein vorrangiges Unternehmensziel. Daher war es für die Projektverantwortlichen ein Muss, nach einer Alternative zu suchen, um das Regenwasser von den versiegelten Flächen auf dem eigenen Gelände zu versickern und dem Kreislauf der Natur wieder zuzuführen.

Druckentwässerungssystem als Lösung

Infrage kam nur ein so genanntes Druckentwässerungssystem. Die Ingenieure von Tomic & Kellerbauer entschieden sich für das Dachentwässerungssystem Wavin HT-PE/UF-2000. Das System wird nach DIN EN 12.056 und VDI 3806 für einen Füllungsgrad von 1, das heißt Vollfüllung, ausgelegt. Die Dachgullys sind so konstruiert, dass keine Luft in die Rohrleitung eindringen kann. Die Rohrleitung läuft voll Wasser, der dadurch in der Fallleitung erzeugte Wasserpfropfen fällt nach unten und erzeugt einen Unterdruck hinter sich, der das Wasser von der umliegenden Dachfläche regelrecht absaugt. Eine willkommene Nebenwirkung: der Unterdruck und die sich daraus ergebende Fließgeschwindigkeit von mindestens 0,7 m/s bewirken eine Selbstreinigung des Rohrsystems.

Blick in eine der sechs Hallen des imposanten Gebäudekomplexes BMW-Dynamikzentrum.

Von den Gullys wird das Regenwasser von Teilflächen bis 5000 m2 Größe in eine waagerecht (ein Mindestgefälle ist bei dem System nicht notwendig) unter der Decke montierte Sammelleitung und von dort über eine Fallleitung in ein Versickerungssystem oder in einen Sammelschacht geleitet.

Separates Notüberlaufsystem gefordert

Die DIN 12.056 Teil 3 und die VDI 3806 schreiben für ein 100-jährliches Regenereignis zusätzlich zum Entwässerungssystem die Installation eines Notüberlaufs vor. Entwässerungs- und Notüberlaufsystem müssen gemeinsam das am Gebäudestandort mindestens über fünf Minuten zu erwartende Jahrhundertregenereignis entwässern können (r(5,100)).

Der in der Norm geforderte Notüberlauf ist mit einem zweiten Entwässerungssystem realisiert worden, das parallel zum Hauptentwässerungssystem verläuft.

Das Notüberlaufsystem im BMW-Dynamikzentrum beinhaltet 394 Gullys mit einer Leistung von jeweils 7,5 l in der Sekunde. Diese Lösung erschien den Planern technisch sauberer als die oft verwendete Attikaöffnung, aus der das überschüssige Wasser vom Dach einfach auf den Boden stürzt.

Aus den beiden oberirdischen Entwässerungssystemen wird das gesamte Regenwasser zur Versickerung in Mulden geleitet. Hier will BMW in Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt und der Naturschutzbehörde wechselfeuchte Gebiete anlegen und damit einen Beitrag zum Hochwasserschutz leisten.

In den Fallleitungen wird der Unterdruck erzeugt, um das Regenwasser vom Dach abzusaugen.

Lieferung und Einbau

Wavin lieferte für die beiden Entwässerungssysteme insgesamt 764 PUR-Dacheinläufe, 17.735 m PE-Rohr (HT-PE nach DIN 19.535 Teile 1 und 2) in den Abmessungen von 40 bis 315 mm und 24.725 PE-Formteile, darunter 15.800 Elektroschweißmuffen. In den fünf Monaten Bauzeit hatte Tomic & Kellerbauer in Stoßzeiten teilweise 17 Installateure pro Schicht im Einsatz. Vom Hubwagen aus montierten sie den größten Teil der Rohrleitungen unter der Decke. "In 16 m Höhe kann man schlecht Stumpfschweißen. Daher haben wir hier oben die längskraftschlüssigen Verbindungen ausschließlich mit Elektroschweißmuffen hergestellt", berichtet Bauleiter Josef Hüttmaier. Das Unternehmen hatte zum ersten Mal mit Wavin gearbeitet und zeigte sich mit dem System zufrieden: "Es macht Spaß, damit zu arbeiten."

Internetinformationen:
www.wavin.de
www.bmwgroup.de
www.tomic.de


B i l d e r :  Wavin GmbH, Twist


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