IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 24/2004, Seite 38 f.


REPORT


Handwerk auf goldenem Boden?

"Zu teuer und zu nachlässig" - so lautet das gängige Vorurteil über Handwerker. Gleichzeitig liegen Millionenbeträge auf den Bausparkonten, doch "der Kunde traut sich nicht", diagnostiziert ein Wirtschaftsmagazin. Dieser Situation stellten sich Vertreter von Handwerk, Fachverband und Verbraucherschutz im Wilo-Expertengespräch am 27. Oktober in Berlin. Der Dortmunder Pumpenhersteller lud bereits zum fünften Mal Experten und Fachzeitschriften - darunter auch die IKZ-HAUSTECHNIK - zur Diskussion ein.

"Wissen teilen ist Macht", so beschrieb Eberhard Bürgel, Geschäftsführer der Bürgel GmbH, die Strategie der bad & heizung concept AG. 36 Betriebe aus dem SHK-Gewerk haben sich in dieser Kooperation zusammengeschlossen, wobei neben gemeinsamen Marketingaktivitäten vor allem der rege Wissensaustausch im Mittelpunkt stehe. Das Herz der Kooperation ist ein Extranet mit Datenbanken, Anzeigenmotiven, Formularen und einem Shop für verschiedene Werbemittel. Hier wird aktiv Wissen ausgetauscht, nicht zuletzt darüber, wie man erfolgreich mit den Kunden umgeht. "Die einzelnen Produkte werden unwichtiger, wir müssen uns an den Wünschen der Kunden orientieren," erläuterte Bürgel. Ein Mittel dazu sind Ausstellungen, in denen auch andere Gewerke eingebunden sind. "Unser Ziel ist eine starke regionale Kooperation, in der wir zum Beispiel mit Fliesenlegern, Malern oder Elektrikern zusammenarbeiten, sowie ein überregionaler Austausch auch dieser Gewerke in unserem Netzwerk", postulierte Bürgel auf dem Expertengespräch.

Handwerksvertreter Eberhard Bürgel, Mitinitiator der Strategie "bad & heizung concept AG", stellte eindrucksvoll die Kooperation vor.

Die notwendigen Aufgaben der Verbände im immer schwieriger werdenden Marktumfeld stellte Werner Hirschler, Vorstandsmitglied des Fachverbands Sanitär Heizung Klima NRW und Obermeister der Innung Köln, in seinem Beitrag vor. Er appellierte, sich in schwierigen Zeiten auf die traditionellen Tugenden zu besinnen. "Handwerk hat goldenen Boden, wenn wir mit Fleiß und Ehrlichkeit, im offenen Dialog miteinander und mit der Politik agieren." Vor dem Hintergrund einer wachsenden Wissensanforderung an die Verarbeiter betonte er die Wichtigkeit von Weiterbildungsmaßnahmen.

Einige Teilnehmer der Expertenrunde (v.l.): Thomas Herzog (RaumfabrikSystem), Werner Hirschler (Fachverband SHK NRW), Astrid Bah und Annette Albinus (beide Die Perle).

"Als Goldesel und als Angsthase wird der Kunde vom Handwerker wahrgenommen" - mit diesem scherzhaften Vergleich brachte Stefan Bentrop, Referent Bauen & Wohnen beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, das Bild privater Bauherren auf den Punkt. Der Goldesel als Symbol für den anspruchslosen und dankbaren Geldgeber einerseits, der Angsthase als entscheidungsschwacher und vor Kosten, Schmutz und Aufwand zurückschreckender Zögerer andererseits - von beiden Bildern müsse sich der Handwerker verabschieden, um sich privaten Bauherren besser stellen zu können, forderte Bentrop. Schließlich seien sie eine lohnende Zielgruppe für das Handwerk.

Die Expertenrunde.

Einen besonderen Weg der Kundenorientierung beschreitet die Hamburger Handwerkerinnenagentur "Die Perle". Die Geschäftsführerinnen der Agentur, Astrid Bah und Annette Albinus, vermitteln seit 1999 Aufträge an Betriebe aller Gewerke, die fast ausschließlich von Frauen geführt werden. "Unser Werkzeug heißt Kommunikation", beschrieb Albinus ihr Konzept. Umfassende Vorbereitung mit den Kunden, freundlicher Umgang während der Ausführung und, wenn doch einmal etwas schief geht, professionelles Beschwerdemanagement gehören zu den Prinzipien der Agentur.

Moderator Prof. Dr. Manfred Hoppe (links, Universität Bremen) und Stefan Bentrop (Bundesverband der Verbraucherzentralen).

Gewerkeumfassend ist auch die Handwerkerkooperation RaumfabrikSystem GmbH, Wuppertal, die Geschäftsführer Thomas Herzog vor der Expertenrunde vorstellte. Ebenso wie "Die Perle" hat sich auch die Raumfabrik hohe Qualitätsmaßstäbe gesetzt. Intensive Beratung, Pünktlichkeit, saubere Baustellen und feste Preise machen den Kunden die Investitionsentscheidung leicht. "Unsere Kooperation ist bereits seit Jahren erfolgreich und wir planen, auch in anderen Städten Raumfabriken zu etablieren", schildert Herzog.

Die Fachzeitschrift IKZ-HAUSTECHNIK war an der Expertenrunde durch ihren stev. Chefredakteur Detlev Knecht (links) vertreten, hier im Gespräch mit Dirk Geißler (Wilo AG).

Dass kundenorientierte Kooperationen nach wie vor nur einen Randbereich des Bauhandwerks darstellen, darüber waren sich die Fachleute alle einig. Professor Dr. Manfred Hoppe von der Forschungsgruppe Praxisnahe Berufsbildung der Universität Bremen, der die Diskussion moderierte, sieht die vorgestellten Betriebe als Vorreiter: "Die Kooperationen sind der Beginn einer Entwicklung, die vom Markt gefordert wird", betonte er. Doch lediglich fünf bis zehn Prozent der Betriebe können die Qualitätsstandards der verschiedenen Zusammenschlüsse erfüllen, schätzten die Experten. Dirk Geißler, General Manager Marketing der Wilo AG und Gastgeber der Veranstaltung, fasste zusammen: "Der sprichwörtliche goldene Boden des Handwerks ist dünner geworden, aber es gibt Möglichkeiten, ihn stabil zu halten. Wir werden die Betriebe, die neue Wege aufzeigen, bewusst unterstützen." Denn in der verstärkten Kundenorientierung liege die Zukunft für das Handwerk und für Wilo: "Damit bauen wir Vorurteile ab und schaffen gemeinsam eine Win-win-Situation."


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