IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 19/2004, Seite 52 ff.


UNTERNEHMENSFÜHRUNG


Sich beim Kunden einen guten Namen machen

Dipl.-Betriebswirt Hartmut Volk

Service versprechen viele, doch zu oft wird dieses Versprechen nur halbherzig eingelöst. Damit schaden die Betriebe sich selbst, sagt Professor Dr. Bernd Stauss, Inhaber des Lehrstuhls für Dienstleistungsmanagement an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Denn, so seine durch zahlreiche Studien gestützte Erkenntnis: Noch nie war es so wichtig wie heute, sich intensiv um seine Kunden zu bemühen und sich gerade auch mit überlegtem Service vom Wettbewerb abzuheben. Hartmut Volk fasst im folgenden Beitrag die wesentlichen Denkanstöße des anerkannten Fachmannes für Kundenbindung zusammen.

Die Notwendigkeit steigt, ein konsequentes Kundenbeziehungsmanagement zu betreiben und sich kompromisslos zu bemühen, Kundenzufriedenheit zu erreichen. Denn: Der ohnehin schon harte Wettbewerb wird an Intensität weiter zunehmen. Zwangsläufig verschärft sich damit auch der Kampf um Kunden. Die Konsequenz daraus: Neukundengewinnung wird noch teurer und die Notwendigkeit, die Beziehung zu den bereits gewonnenen Kunden aufrechtzuerhalten, wächst.

Doch Kundenbindung und Ausbau von Geschäftsbeziehungen setzen eines kompromisslos voraus: Kundenzufriedenheit. Das Problem dabei ist: Menschliche Zufriedenheit ist ein außerordentlich flüchtiges Gut. Weshalb spielt nun gerade Service eine Hauptrolle dabei, dieses empfindliche, instabile Gefühl bei Kunden aufrechtzuerhalten? Wird unter Service eine angebotsbegleitende Zusatzleistung verstanden, dann sind vor allem zwei Gründe für deren zunehmende Bedeutung verantwortlich. Zum einen werden Produkte und Dienstleistungen tendenziell immer ähnlicher und damit austauschbarer. Kurzfristige (funktionale) Leistungsvorteile werden im Wettbewerb in immer kürzeren Zeiträumen ausgeglichen und eignen sich immer weniger zur Profilierung. In dieser Situation können Serviceleistungen für den Kunden den Ausschlag geben. Sie erhöhen als "added value" nicht nur den Wert der erhaltenen Produkte oder Leistungen, sondern schaffen produkt- oder leistungsübergreifend Vertrauen in die grundsätzliche Kundenorientierung des Unternehmens. Zum anderen ist zu beachten, dass viele Produkte und Leistungen routinemäßig in Anspruch genommen werden, ohne dass die Kunden ihren Konsum bewusst bewerten oder mit besonders positiven Emotionen verbinden. Dementsprechend empfinden viele Kunden vielfach überhaupt keine starke emotionale Bindung zum Produkt oder Leistungsanbieter und wechseln, sobald ihnen dafür auch nur marginale (z.B. preisliche) Vorteile angeboten werden. Serviceleistungen dagegen, die auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet sind und ihnen einen schwer imitierbaren Vorteil bieten, sind in der Lage, emotionale Bindung zu erzeugen und damit die Wechselbereitschaft des Kunden zu reduzieren, eben weil sie das so wichtige Gefühl der Zufriedenheit auslösen.

Ganz allgemein gesagt, tritt diese notwendige Zufriedenheit ein, wenn Kundenerwartungen erfüllt oder übererfüllt werden; Unzufriedenheit tritt ein, wenn die tatsächlich erlebte Leistung unter den Erwartungen des Kunden bleibt. Für den Handwerksbetrieb ergeben sich daraus folgende Konsequenzen: Zunächst muss unbedingt vermieden werden, die (Minimal-) Erwartungen der Kundin bzw. des Kunden zu verletzen, weil Unzufriedenheit häufig unmittelbar zu Abwanderung führt. Deshalb kommt es darauf an, durch ehrliche Kommunikation realistische Erwartungen zu wecken, kundengerechte Qualitätsstandards zu formulieren und deren Einhaltung permanent zu überwachen.

Buchtipp

Prof. Dr. Bernd Stauss ist Inhaber des Lehrstuhls für Dienstleistungsmanagement an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Sein Buch "Beschwerdemanagement - Kundenbeziehungen erfolgreich managen durch Customer Care" ist in 3. überarbeiteter Auflage im Hanser Verlag, München, erschienen. Es umfasst 640 Seiten und kostet 49,00 Euro, ISBN: 3-446-21967-6.

Allerdings reicht die bloße Erfüllung von Kundenerwartungen meist nicht aus, um beim Kunden ein spürbares Gefühl der Zufriedenheit auszulösen. Eine wirkliche positive Emotion tritt nur ein, wenn Erwartungen deutlich überschritten werden. Daher ist systematisch darüber nachzudenken, wie Kunden immer wieder durch individuellen Service begeistert werden können.

Branchenübergreifende Studien zeigen, welche Eigenschaften Kunden bei der Bewertung von Leistungsqualität heranziehen. Es sind zehn Schlüsseldimensionen, die in hohem Maße vorliegen müssen, damit Kundenzufriedenheit erreicht wird: Verlässlichkeit der Leistungserstellung, schnelle Reaktion auf Kundenanliegen, Kompetenz, gute Erreichbarkeit, Höflichkeit, Einfühlungsvermögen, Kommunikationsfähigkeit, Glaubwürdigkeit, Gewährleistung von Sicherheit und eine Gestaltung des physischen Umfeldes (wie Gebäude und Ausstattung), die dem Qualitätsanspruch gerecht wird.

Damit stellt sich nun fast zwangsläufig die Frage: Gibt es so etwas wie eine Reihenfolge für Serviceüberlegungen. Service heißt ja auch "Kosten". Was ist unverzichtbar? Was ist wünschenswert, im Zweifelsfall aber zunächst zurückzustellen? Hier ist es sinnvoll, zwischen Muss-, Kann- und Soll-Services zu unterscheiden und unternehmensindividuell zu beantworten. In Bezug auf Muss-Services gibt es keinen Entscheidungsspielraum, weil sie zur Nutzung der Produkte oder Leistungen erforderlich oder rechtlich zwingend anzubieten sind (beispielsweise Gebrauchsanweisungen). Auch auf Soll-Services (etwa Einweisungen in neue Technik) kann in der Regel nicht verzichtet werden, weil sie von der Mehrheit der Kunden erwartet und auch von den Wettbewerbern regelmäßig angeboten werden.

Das eigentliche Entscheidungsproblem besteht hinsichtlich der Kann-Services, die den Kunden freiwillig zur Verfügung gestellt werden sollen. Hier gilt es, einen kostenträchtigen "Service-Overkill" zu vermeiden. Dazu ist es erforderlich, alle potenziellen Serviceleistungen im Hinblick auf ihre Profilierungswirkung bzw. hinsichtlich des zusätzlichen Kundennutzens zu bewerten und die jeweiligen Kosten zu ermitteln. Nur die Serviceleistungen sollten angeboten werden, für die eine positive Differenz zwischen den zusätzlich erzeugten Erträgen und Kosten zu erwarten ist.

Dabei muss Service keineswegs immer kostenlos sein. Wenn es sich um konkrete Leistungen handelt, die vom Kunden stark nachgefragt werden, kann eine Preissetzung sinnvoll sein. Allerdings ist der Erfolg einer solchen Maßnahme von der Zahlungsbereitschaft der Kunden abhängig, die ihrerseits wesentlich vom Wettbewerbsumfeld bestimmt wird.

Tatsächlich ist für Kundenbindung häufig nicht das Angebot einer Vielzahl von Zusatzleistungen entscheidend, sondern die richtige Reaktion in dem Moment, wo der Kunde sie benötigt. Viele Kunden wollen gar keine enge Beziehung zu jedem Produkt- oder Leistungsanbieter. Wieso auch, sie wollen ja noch nicht einmal mit jedem Menschen eine intensive Beziehung eingehen, den sie kennen. Aber sie wollen dann einen Ansprechpartner finden, wenn sie eine Frage haben. Und wenn ein Problem auftritt, wollen sie wissen, an wen sie sich wenden können, und sicher sein, dass ihnen geholfen wird.

Wo liegen nun in Sachen "Service" die Hauptfehler? Häufig fehlt es an einer systematischen Serviceplanung. Es werden Leistungen neu eingeführt, ohne dass deren Bedeutung für Kaufentscheid und Loyalität des Kunden und die langfristigen Kostenkonsequenzen ausreichend untersucht wurden. In gleicher Weise werden Serviceleistungen unter Kostensenkungsgesichtspunkten eingeschränkt oder ganz eingestellt, ohne dass genaue Kenntnisse über die daraus resultierenden negativen Wirkungen auf die Umsätze mit den Kernprodukten vorliegen. Besonders problematisch: Es wird immer noch die Bedeutung des Mitarbeiterverhaltens im Kundenkontakt für Kundenzufriedenheit und Kundenbindung unterschätzt. Für die Geschäftsbeziehung ist es entscheidend, ob diese persönlichen Kontakte gelingen und auf diese Weise eine Vertrauensbasis entsteht.

Ein weiterer hoch heikler Service-Punkt ist der unkluge Umgang mit Reklamationen. Hier werden die häufigsten Servicefehler gemacht. Was macht gerade Reklamationen in Sachen "Kundenzufriedenheit" so brisant? Kunden haben ihr Geld ausgegeben und erfahren nun, dass beispielsweise die Qualität eines Produkts und/oder einer Handwerkerleistung ihren Erwartungen nicht entspricht. In diesem Fall tritt spontan hohe Unzufriedenheit ein. Sie führt häufig unmittelbar zur Entscheidung, in Zukunft den Anbieter zu wechseln. Beschweren sich diese unzufriedenen Kunden nun und erhalten darauf keine Antwort oder nur eine lakonische Ablehnung, dann wird die Unzufriedenheit noch gesteigert und die Kunden sind für immer verloren.

Umgekehrt ist aber aus einer Reihe von Studien bekannt, dass sich Beschwerdeführer, die eine schnelle und angemessene Problemlösung erfahren, durch eine besonders hohe Zufriedenheit und Wiederkauf- bzw. Wiederkommensbereitschaft auszeichnen. Mit einer solchen Reaktion erfährt der Kunde unmittelbar, dass der Handwerksbetrieb nicht nur den Kunden binden will, sondern selbst auch Verantwortung für seine Produkte und Leistungen und seinen Kunden übernimmt, das heißt, sich selbst auch bindet. Daher erweist sich ein professionelles Beschwerdemanagement als zentrales Instrument einer auch emotional gestützten Kundenbindung. Außerdem: Kunden wollen nicht nur eine Lösung ihres aktuellen Problems, z.B. den Umtausch eines defekten Produktes oder eine Nachbesserung bei beispielsweise ungenügenden Dienst- bzw. Handwerkerleistungen, sondern sie wollen vor allem auch, dass Unternehmen sie ernst nehmen und mit Respekt behandeln. Empirische Forschungen belegen, dass selbst kulante Lösungen nicht zu Beschwerdezufriedenheit führen, wenn nicht ganz individuell auf den Fall und den entsprechenden Kunden eingegangen wird und stattdessen nichts sagende Floskeln verwendet werden. Beschwerdeführer erwarten, höflich und aufmerksam behandelt zu werden. Sie wünschen Einfühlungsvermögen, sie erwarten Verständnis für ihre spezifische Situation, sie wollen ein Bemühen des Unternehmens spüren und sich auf Zusagen verlassen können.

Zusammengefasst: Anständiger Service, so der dringende Ratschlag von Stauss, sollte Ehrensache sein. Denn aus vielen Studien ist bekannt, dass die Verlässlichkeit in der Gesamtleistung entscheidend für das Qualitätsurteil des Kunden ist. Und das Gewicht dieser betrieblichen Verhaltens-Eigenschaft wird gerade in der heutigen Situation, die durch große gesellschaftliche und persönliche Unsicherheit geprägt ist, noch wachsen. Menschen, die zunehmend ihr Vertrauen in die Institutionen verlieren, suchen Vertrauen und honorieren diejenigen, denen sie aufgrund eigener Erfahrungen vertrauen können. Stauss: "Wer sich durch anständigen Service das Vertrauen der Kunden verdient hat, verfügt über ein großes Kapital. Wer das Vertrauen leichtfertig verspielt, wird das verlorene Kapital nicht zurückgewinnen können. Insofern sollte anständiger Service nicht nur eine selbstverständliche moralische, sondern auch eine rational ökonomische Maxime sein!"


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