IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 19/2004, Seite 26 ff.


HEIZUNGSTECHNIK


Mit Vorsicht zu genießen

Prozentgrößen in der Heiztechnik

Dipl.-Ing. Gerd Böhm*

In der Heiztechnik kommt den Prozentgrößen außerordentliche Bedeutung zu. Sie zeigen sich vielfältiger Weise, etwa auf dem weiten Feld der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen. Dort sind die Wirkungs- und Nutzungsgrade von Heizkesseln die vielleicht prominentesten Prozentgrößen. Bei all dem führen Prozentgrößen auch zu erheblichen Missverständnissen, insbesondere wenn sie durch häufigen Gebrauch selbst zu absoluten Größen werden. Definitionsgemäß beschreiben sie aber nur das Verhältnis zweier absoluter Größen. Wie weitreichend diese Missverständnisse sein können und welche Konsequenzen sie nach sich ziehen, sollen einige typische Beispiele verdeutlichen.

Fragwürdige Nutzungsgrade

Hier geht es nicht um die 100-Prozentmarke übersteigenden Nutzungsgrade moderner Brennwertkessel, sondern um die grundsätzliche Fragwürdigkeit von Nutzungsgraden als Maßstab für Wirtschaftlichkeitsvergleiche in der Praxis. Zur Definition: Wirkungs- und Nutzungsgrade (h) beschreiben das energetische Verhältnis von Nutzen zu Aufwand.

h = Nutzen/Aufwand

Bei Wirkungsgraden handelt es sich dabei um Energieströme (z.B. kW), bei Nutzungsgraden um Energiemengen (z.B. kWh).

Bild 1: Teillastwirkungsgrade und zugehörige absolute Verluste eines Niedertemperatur-Heizkessels. Die Brennerbelastung bei j = 1 beträgt 6,3 kW.

Bild 1 gibt messtechnisch ermittelte Teillastwirkungsgrade eines Niedertemperatur-Heizkessels wider. Die relative Brennerbelastung bei j = 1 (volle Lastabnahme, d.h. durchlaufender Brenner) soll 6,3 kW betragen und entspricht dem "Aufwand". Im Teillastbetrieb, j < 1, kommt es zu Brenner-Ein- und Ausschaltungen. Die rechnerische Brennerbelastung, bzw. der energetische Aufwand ist dann j · 6,3 kW.

Das Bild zeigt die Teillastwirkungsgrade als Kurve mit einem Maximum 92,4% bei j = 0,38. Auffällig ist weiterhin, dass in den Betriebspunkten j = 0,63 und j = 0,17 mit 91% gleiche Teillastwirkungsgrade vorliegen. Daraus lässt sich schließen:

Unterhalb der Wirkungsgradkurve ist der jeweils zugehörige Kesselverlust in seiner absoluten Größe (kW) angegeben. Der Verlust errechnet sich hier aus dem Ansatz der Teillastwirkungsgrade:

h ( j) = Nutzen (j)/Aufwand (j)
= (Aufwand (j) - Kesselverlust (j))/Aufwand (j)

mit Aufwand (j) = j · 6,3 kW ergibt sich schließlich der Kesselverlust (j) = j · 6,3 kW · (1 - h (j))

Vergleicht man beide Kurvenverläufe, lässt sich Übereinstimmung in der Aussage nur zwischen j = 1 bis j = 0,38 feststellen. Der ansteigende Teillastwirkungsgrad ist in diesem Bereich auch mit abnehmenden Kesselverlusten gekoppelt. Danach lässt der abfallende Wirkungsgrad auf wieder ansteigende Verluste schließen, was aber eindeutig nicht der Fall ist, im Gegenteil.

Zur gleichen Fehlbewertung führt das Absolutsetzen der beiden Teillastwirkungsgrade 91%. Der scheinbare energetische Gleichstand unterscheidet sich in den jeweiligen absoluten Verlustgrößen mit 0,096 kW bzw. 0,36 kW immerhin fast um den Faktor 4. Die im Wirkungsgradmaximum erreichten 92,4% beschreiben mit 0,18 kW eine Verlustgröße, die in Wirklichkeit fast um den Faktor 2 höher ist als die mit 91% bei j = 0,17.

Der dargelegte Sachverhalt hat weitgehende praktische Auswirkungen, da der bei Teillast abfallende Wirkungsgrad häufiger Anlass ist, die Eignung auch moderner Heizkessel für hochwärmegedämmte Gebäude in Frage zu stellen. Wie die Kurve der Absolutverluste zeigt, ist die hervorragende Eignung aber nicht zu bestreiten, wenn auch der Kurvenverlauf weniger mit der abnehmenden Brennerbelastung zu tun hat als vielmehr mit der temperaturgleitenden Betriebsweise des Heizkessels.

Fazit: Wirkungsgrade und Nutzungsgrade sind Relativgrößen. Für sich allein erlauben sie keine objektive energetische Einschätzung. Energie- und Kostenbetrachtungen müssen deshalb über die absoluten Verlustgrößen erfolgen. So entspricht, bezogen auf Bild 1, der Verlustwärmestrom 0,1 kW bei j = 0,17 und 16 Stunden täglicher Betriebsdauer der Energiemenge von etwa 0,16 Kubikmeter Erdgas. Dieser Wert kann mit evtl. anderen gerätetechnischen Möglichkeiten verglichen und bewertet werden.

Nicht vergleichbare Prozentgrößen

Als Prozentgrößen ausgewiesene Verluste sind dimensionslos, d.h. sie lassen nicht erkennen, welche physikalischen Einheiten dahinter stehen, ob es sich zum Beispiel um Energieströme (kW) oder Energiemengen (kWh) handelt. Missverständlich in diesem Sinne sind z.B. die Verlustgrößen Abgasverlust und Auskühlverlust (letzterer ist hier als Sammelbegriff für den Strahlungs- und Bereitschaftsverlust zu verstehen). Sie scheinen als auf die Brennerleistung bezogenen Prozentgrößen vergleichbar, sie sind es aber nicht.

Bild 2: Der Abgasverlust mit gleichem Prozentanteil an Brennerleistung und Brennstoffdurchsatz.

Der Abgasverlust

Der Abgasverlust fällt naturgemäß zeitgleich mit dem Brennstoffdurchsatz an (Bild 2). Er ist deshalb gleichermaßen als Verlustwärmestrom wie auch als Verlustwärmemenge zu verstehen. 12% Abgasverlust eines Kessels mit 35 kW Feuerungsleistung bei 4000 Liter Heizölverbrauch stehen somit für

Bild 3: Der Auskühlverlust mit unterschiedlichen Prozentanteilen an Brennerleistung und Brennstoffdurchsatz.

Der Auskühlverlust

Für den Auskühlverlust gilt dies nicht in gleicher Weise, denn er ist nicht nur während der Brennerlaufzeiten, sondern während der gesamten Betriebsdauer wirksam (Bild 3). Hat der 35 kW-Kessel 3,5% Auskühlverluste, so sind diese nur als Verlustwärmestrom zu verstehen:

0,035 · 35 kW = 1,2 kW

Für die dem Auskühlverlust äquivalente Brennstoffmenge (kWh) ist noch die Betriebsdauer, z.B. 8000 Stunden/Jahr, zu berücksichtigen:

1,2 kW · 8000 h = 9600 kWh, entsprechend
9600kWh/10 kWh/l = 960 l Heizöl.

Auf 4000 Liter Brennstoffverbrauch bezogen entspricht dies 24%. Der Auskühlverlust ist somit, zumindest in diesem Beispiel, deutlich gewichtiger als der Abgasverlust, obwohl er als auf die Feuerungsleistung bezogene Prozentgröße kleiner erscheint.

Falsche Bezugsgrößen

Beispiel 1

Der soeben als "nicht vergleichbare Prozentgröße" vorgestellte Kessel-Auskühlverlust kann auch als Beispiel für eine falsch gewählte Bezugsgröße, hier der Brennerleistung, dienen. Falsch deshalb, weil zwischen Auskühlverlust (Sammelbegriff für Bereitschafts- und Strahlungsverlust) und Brennerleistung - anders als beim Abgasverlust - kein unmittelbarer physikalischer Bezug herstellbar ist. Beim Abgasverlust ist mit Brennerleistung "Null", z.B. in der Schaltphase Brenner-Aus, auch der Abgasverlust gleich Null. Für den Auskühlverlust ist das dagegen noch nie beobachtet worden.

Bild 4: Die Auskühlverluste sind weitgehend unabhängig von der Kesselleistung.

Der Auskühlverlust hat nur über die Oberflächengröße eine indirekte Verbindung zur Kessel- oder Brennerleistung (Bild 4). Der "unphysikalische" Bezug auf die Brennerleistung soll wohl einem einfacheren "Handling" dieser Verlustgröße dienen. Die Folge ist allerdings der Ruf nach mitunter unsinnig geringen Kesselleistungen, die moderne hochwärmegedämmte Gebäude im Interesse der Wirtschaftlichkeit angeblich dringend benötigen.

Inzwischen beschäftigen sich auch die Gerichte ausgiebig mit dieser Thematik, einmal wegen angeblich zu großer ein anderes Mal wegen tatsächlich zu kleiner Kesselleistungen.

Beispiel 2

Markenzeichen moderner Gas-Brennwerttechnik sind Nutzungsgrade größer 100%. Ursache dieser physikalisch kuriosen Werte ist der Bezug auf den Heizwert eines Brennstoffs, der definitionsgemäß die Wasserdampf-Kondensationswärme nicht enthält. Dies überzeugend zu vermitteln erfordert einige Kenntnis und auch Beredsamkeit.

Noch mehr Schwierigkeiten gibt es durch das Hinzukommen der Öl-Brennwerttechnik. Der Markt bietet somit Wahlmöglichkeit zwischen Niedertemperatur- und Brennwerttechnik und beides für Öl und Gas.

Dem die Herstellerunterlagen studierenden laienhaften Interessenten bietet sich damit etwa folgendes Bild:

Wo die "zusätzliche Energie" herkommt, vermittelt dann mehr oder weniger gelungen der begleitende Text.

Dieses Bild und dieser Zustand ist, ohne für oder gegen einen der Brennstoffe Partei zu ergreifen, auf Dauer nicht haltbar. Das verdeutlicht eine Übertragung auf den physikalisch korrekten Brennwert-Maßstab (Bild 5). Die 94% des Niedertemperaturkessels erscheint mit 88% bzw. 84% unterschiedlich hoch auf den Brennwertskalen. Mit 96% gleich hohe Nutzungsgrade auf den Brennwertskalen ergeben 102% und 107% auf der Heizwertskala.

Bild 5: Öl- und Gaskessel mit gleichem Nutzungsgrad auf der Heizwertskala erscheinen mit unterschiedlichen Nutzungsgraden auf der Brennwertskala und umgekehrt.

Damit bietet sich folgendes Bild:

Beide Brennstoffarten sollten mit einer Ablösung des Heizwerts durch den Brennwert problemlos zurechtkommen. Für die Allgemeinheit jedenfalls würde das mit dem Heizwert-Bezug entstandene etwas schiefe Bild wieder gerade gerückt, was auch der, von der ganzen Branche angestrebten, Altanlagen-Modernisierung zugute käme.

Gewagte Versprechungen

Das Modernisieren veralteter Heizungsanlagen ist im Interesse eines sparsamen Umgangs mit Energievorräten und einer möglichst geringen Umweltbelastung nicht nur für die Branche ein besonders dringliches Anliegen. Oft und gerne werden deshalb auch die mit der Modernisierung verbundenen Einsparraten genannt. So willkommen alle Argumente zu einer Modernisierung sind, so kann doch die physikalische Basis nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Stereotyp angeführte "bis zu 40%-Einsparungen" sind, wie die nachfolgende kleine Rechnung zeigt, in diesem Sinne nicht ganz unproblematisch, denn mitunter sind sie weder praktisch noch theoretisch möglich.

Für den hier gegebenen Zweck ausreichend genau lässt sich der Brennstoffverbrauch mit folgender Beziehung beschreiben:

Ba = (BG + BB)/(1 - qA)

Ba = jährlicher Brennstoffverbrauch
BG = Brennstoffbedarf allein des Gebäudes in l/a oder m3/a
BB = Auskühlverlust des Kessels l/a oder m3/a
qA = Abgasverlust des Kessels (dezimal)

Aus diesem Ansatz kann folgende Brennstoffbilanz gebildet werden:
Ba = BG + Ba · qA + BB

Hierzu ein Beispiel mit
Ba = 4000 Liter Heizöl
BB = für einen Standard-Ölkessel, Baujahr vor 1978, entsprechend DIN 4701-12 etwa mit 2,5 l/d anzusetzen:
2,5 l/d · 365 d/a = 913 l/a
qA = 0,11
Ba · qA = 4000 · 0,11 = 440 l/a

Der Gebäudebedarf BG ermittelt sich als Restglied:
4000 l - 913 l - 440 l = 2647 l

damit ergibt sich die gesamte Brennstoffbilanz
4000 l = 2647 l + 440 l + 913 l

Bild 6: Brennstoffbilanz vor und nach einer Kesselmodernisierung.

Bild 6 zeigt diese Bilanz. Da ohne zusätzliche Dämm-Maßnahmen der Gebäudeenergiebedarf auch nach der Kesselmodernisierung derselbe ist, können selbst mit einer idealen, d.h. völlig verlustfreien Heizungsanlage maximal 440 l + 913 l = 1353 l, entsprechend 33,8% eingespart werden. Würde der jährliche Brennstoffverbrauch aufgrund eines besser gedämmten Gebäudes, aber der gleichen Heizungsanlage, nur 3000 Liter betragen, ergäbe sich nach gleicher hier nicht mehr explizit ausgeführter Vorgehensweise folgende Bilanz:

3000 l = 1757 l + 330 l + 913 l

mit einer idealen Einsparrate von 330 l + 913 l = 1243 l, entsprechend 41% wäre die Prognose "bis zu 40%" allerdings wenigstens theoretisch erklärbar.

Auch hier wird wieder die mögliche Gegensätzlichkeit absoluter und prozentualer Angaben deutlich. Absolut ist das Einsparpotenzial mit 1243 Liter gegenüber 1353 Liter zwar geringer als Prozentwert mit 41% gegen 33,8% aber wesentlich größer.

Nur der Vollständigkeit halber: Unter Einbezug auch der Wasserdampf-Kondensationswärme erhöht sich der Abgasverlust auf 17%, damit ergibt sich folgende (wirklichkeitsgetreuere) 4000-Liter-Bilanz:

4000 l = 2407 l + 680 l + 913 l

Einfluss von Randbedingungen

Durch geschickt gewählte Randbedingungen sind bestimmte Prozentgrößen in jede beliebige Richtung zu lenken. Zu dieser Kategorie gehören z.B. "Sommerwirkungsgrade", die gerne beim Vergleich von Warmwassersystemen angeführt werden. Den Mechanismus zeigt die Tabelle, wobei - wie schon zuvor - der Nutzungsgrad als Nutzen/Aufwand-Verhältnis gebildet wird. Der jeweilige Aufwand ist aus der Summe Nutzen + Verluste gebildet.

System 1

Dieses System besteht aus einem indirekt beheizten Speicher mit 1,3 kWh und einem Heizkessel mit 3 kWh täglichem Wärmeverlust. Während der 275 Heiztage ist der Kesselverlust der Heizung und nicht dem Warmwasser zuzuordnen, er entfällt somit während dieser Zeit. Als täglicher Warmwasserbedarf werden 8 kWh angenommen.

System 2

Dieses System besteht aus einem direkt beheizten Warmwasserspeicher mit 2,5 kWh täglichem Wärmeverlust. Der Verlust ist ganzjährig anzusetzen, da das System unabhängig von der Heizungsanlage arbeitet. Der Warmwasserbedarf beträgt ebenfalls 8 kWh je Tag.

Tabelle: Gegenüberstellung der Einzelwirkungsgrade im Sommer, Winter und Gesamtjahr.

Schlussfolgerung aus beiden Systemen

Da beide Systeme ganzjährig genutzt werden, kann ein korrekter Vergleich auch nur über das Gesamtjahr erfolgen. System 1 ist in diesem Fall um 4,6 Prozentpunkte günstiger als System 2. Die Eingrenzung auf den "Sommernutzungsgrad" verdreht den Sachverhalt und präsentiert System 2 mit 11,2 Prozentpunkten Abstand als das energetisch bessere. Eine ebenfalls unkorrekte Eingrenzung auf den "Winternutzungsgrad" würde System 1 überlegener als beim korrekten Vergleich erscheinen lassen.

Fazit

Wie die wenigen Beispiele zeigen, ist mit Prozentgrößen in der Heiztechnik prinzipiell kritisch umzugehen. Nur z.B. Normnutzungsgrade sind vergleichbar. Aber auch sie sagen nichts darüber aus, ob die dahinter stehenden Verluste akzeptabel sind oder nicht. 10% Brennstoffverluste sind bei 500 m3 Gasverbrauch sicher eher zu verschmerzen als 5% bei 10.000 m3.

Die Praxis zeigt jedoch häufig das genaue Gegenteil. Die 10% der 500 m3 entfalten sofort ihre Faszination und ziehen mehr Interesse auf sich als die 5% der 10.000 m3.

Das ist das Bemerkenswerte an Prozentgrößen.

Internetinformationen:
www.heiztechnik.buderus.de


*) Dipl.-Ing. Gerd Böhm, Buderus Heiztechnik, Wetzlar


B i l d e r :  Buderus Heiztechnik GmbH, Wetzlar


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