IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 16/17 2004, Seite 53 ff.


REPORT


3-Länder-Korrosionstagung

Korrosion und Korrosionsschutz im Fokus

Auch in diesem Jahr fand unter der Schirmherrschaft der Schweizerischen Gesellschaft für Oberflächentechnik (SGO), der Gesellschaft für Korrosionsschutz (GfKORR), der Technischen Versuchs- und Forschungsanstalt der TU Wien und der Austrian Society for Metallurgy and Materials (ASMET) der Montan-Universität Leoben (Leoben) eine "3-Länder-Korrosionstagung" statt. Gut 150 Fachleute informierten sich und diskutierten zum Leitthema "Korrosion und Korrosionsschutz in Trinkwasser-Installationen". In knapper Form fasst der Autor, Dipl.-Ing. Karl-J. Heinemann, die für das SHK-Handwerk bedeutsamen Vorträge zusammen.

Dr. Günther Reiff, DVGW (Bonn), gab einen Überblick über die geltenden und zur Zeit in Überarbeitung befindlichen nationalen und europäischen Technischen Regeln und deren Regelgeber. Dabei befasste er sich besonders mit dem Normpaket der DIN 1988, das künftig durch die Teile 1 bis 5 der EN 806 abgelöst werden soll. Der Teil 7 der DIN 1988 wurde laut Reiff aufgrund der Trinkwasserverordnung 2003 und der DIN 50930-6 überarbeitet (E März 2003). In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass dieser Teil der DIN 1988 nur für metallene Werkstoffe gelte; eine analoge Zusammenfassung des Standes der Technik für nichtmetallene Werkstoffe liege bisher nicht vor und werde, nach Auskunft des Referenten, zur Zeit auch nicht erarbeitet. Damit fehlen Planern und Anlagenerstellern auch weiterhin grundlegende überbetrieblich zusammengefasste Hinweise zur Vermeidung von Korrosions-Schäden an Kunststoffrohrsystemen, die den Status anerkannter Regeln der Technik beanspruchen können.

Dr. rer. nat. Hubertus Schlerkmann, Salzgitter Mannesmann Forschungsinstitut GmbH (Duisburg), beschrieb eingangs die Korrosionsvorgänge und ihre Ursachen bei verzinktem Stahl und befasste sich dann ausführlich u.a. mit neuen Erkenntnissen zur Beständigkeit nichtrostender Stähle, z.B. bei mikrobiellen Einflüssen. Neben Hinweisen auf Werkstofflegierungen und -gefüge sowie die korrosiven Wasserinhaltsstoffe behandelte er die Auswirkungen der Bauteilkonstruktionen, der Werkstoffverarbeitung und der Betriebsbedingungen auf die Gebrauchstauglichkeit dieses Werkstoffs.

Dipl.-Ing. Wolfgang Allertshammer, Sachverständigenbüro für Schadensanalyse, (Wien/A), zeigte anhand verschiedener Schadensfälle, wo die Ursachen von Spannungsrisskorrosion bei Messing liegen und wie sie sich verhindern lassen. Allertshammer warnte vor der Verwendung von Messing in hoch sulfathaltigen Wässern. Neben Montagemängeln durch Überdehnung des Werkstoffes, konstruktiven Mängeln von Bauteilen, unzulässigen Bearbeitungseigenspannungen bei der Bauteilfertigung und ungeeigneten Gefügezuständen zeigte er, wie durch eine Entzinkung aufgrund mikrobieller Belastung am O-Ring eines Verschlussstopfens Spannungsrisskorrosion initiiert wurde.

Nach seinen Erfahrungen sei das Auftreten unzulässig hoher und mehrachsiger Zugspannungen für diese Korrosionsart verantwortlich. Sie steige mit dem Grad der Kaltverformung und erhöhe sich durch Kerb- und Gefügespannungen. Durch Entspannungsglühen nach der letzten spanabhebenden Bearbeitung ließen sich die Fertigungseigenspannungen abbauen.

Dr. Detlev van Loyen, Institut für Korrosionsschutz Dresden GmbH (Dresden), befasste sich mit den Einflussfaktoren und Vorgängen der selektiven Korrosion durch Entzinkung von Messing. Pfropf- und Lagenentzinkung, Einfluss des Kupfergehaltes, der Legierungswerkstoffe und der Gefügeausbildung wurden erörtert. In Abhängigkeit von der Wasserbeschaffenheit und den Betriebsbedingungen wurden anhand von Schadensfällen an Armaturen und Rohrverbindern aus Standardmessing die Korrosionsursachen ausführlich begründet und Hinweise zur Vermeidung solcher Korrosionsschäden gegeben. Bei Mischinstallationen mit "inerten" Rohrwerkstoffen (z.B. nichtrostender Stahl oder Kunststoff) empfahl er, den Einsatz von entzinkungsbeständigem Messing bzw. Rotguss zu prüfen.

Dr. rer. nat. Ute Ruhrberg, Guldager GmbH & Co. KG (Gelsenkirchen), beschrieb die betrieblichen Randbedingungen in verzinkten Warmwasserleitungsanlagen und ihren Korrosionseinfluss (Rostwasser oder Lochfraß). Außerdem stellte sie die Wirkungsweise des Verfahrens elektrolytischer Dosieranlagen mit Aluminiumanoden nach DIN EN 14095 vor, mit dem sich auch bei geschädigten Rohren homogene Deckschichten aus anodisch erzeugtem Aluminiumhydroxid an den Rohrinnenwandungen aufbauen lassen sollen. Die Deckschichten blieben laut Ruhrberg auch bei Temperaturen über 70°C stabil, sodass eine thermische Bekämpfung von Legionellen möglich sei. Ein pH-Wert von 6,5 bis 8,5 und eine Leitfähigkeit des Wassers von über 100 µS/cm seien notwendig, um hinreichend stabile Deckschichten zu erzielen. Ferner sei eine kontinuierliche Umwälzung des Wasserkreislaufes erforderlich; bei Stichleitungen und/oder Rohrleitungen mit Begleitheizung sei ein mindestens täglicher Wasseraustausch vorzunehmen, um die Deckschichtbildung zu beschleunigen. Vorher seien die Leitungen mit einem Luft-Wasser-Gemisch zu spülen (nicht sandstrahlen). Je nach Vorschädigung dauere der Aufbau der Deckschichten 6 bis 12, max. 24 Monate. Ein kurzzeitiger oder längerer Stromausfall (24 Stunden bis zu 5 Jahren, je nach Ausbildung der Deckschichten) sei unschädlich. Die max. zul. Aluminiumgehalte nach der Trinkwasserverordnung von 0,2 mg/l im Wochenmittel dürften mit Genehmigung des Gesundheitsamtes in der Anfangsphase bis zu 0,5 mg/l betragen.

Dipl.-Umwelt Natw. ETH Anette Rust, Institut Bachema, Mikrobiologisches Labor (Zürich/CH), referierte über die Mechanismen von Legionellose-Infektionen. Legionellen sind Umweltbakterien, die überall in natürlichen Wässern und im Grundwasser vorkommen und sich in Wirtsorganismen parasitisch vermehren können, etwa in Amöben (Einzellern), begeißelten Protozoen, Schleimpilzen und auch in menschlichen Makrophagen (Fresszellen), so die Referentin. Wenn das Immunsystem des Menschen einen solchen Angriff nicht abzuwehren vermag, könne es zu einer gefährlichen Lungenentzündung kommen. Die Übertragung erfolge über Aerosole aus Kühltürmen, Klimaanlagen oder Warmwassersystemen, nicht jedoch von Mensch zu Mensch oder über getrunkenes Wasser. Rust befasste sich weiterhin mit den aufwendigen Nachweismethoden von Legionellen, kommentierte Fallbeispiele und sporadische Einzelerkrankung sowie vorbeugende Maßnahmen.

Dr. Franziska Zibuschka, Institut für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz der Universität für Bodenkultur in Wien/A, informierte anhand von Untersuchungen und Beispielen aus der Praxis über die Bedeutung stabiler Biofilme in den Leitungsnetzen sowie über die möglichen Wechselwirkungen zwischen Mikroflora, Wasserinhaltsstoffen und den für den Leitungs- und Behälterbau verwendeten Materialien.

Beispielhaft für eine massive materialabhängige Beeinflussung der Wasserverkeimung erwähnte sie die Untersuchungsergebnisse einer Dentaleinheit in einer Zahnarztpraxis, die durch starke Geruchs- und Geschmacksbeeinträchtigungen des Mundspülwassers aufgefallen war. (Um die Patienten nicht zu verunsichern, war dem Wasser sogar hilfsweise Pfefferminzöl zugesetzt worden).

Dr.-Ing. Andreas Burkert, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (Berlin), informierte über Korrosionserscheinungen durch Desinfektionsmaßnahmen in Rohrleitungen und Anlagen aus nichtrostendem Stahl. Burkert stellte anhand von Schadensfällen dar, dass auch Werkstoffe der Nr. 1.4401 oder vergleichbarer Qualität durch Desinfektionsmaßnahmen korrosiv geschädigt werden können. Die Schäden würden verursacht in Kombination mit der Sensibilisierung des Werkstoffes, z.B. durch Schweißen, unsachgemäße Oberflächenbehandlung, Fremdrostablagerungen, falsche Reinigung, ansteigende Gehalte an Chloridionen, Stagnationsphasen und zunehmende Temperatur, aber auch nur durch die Desinfektionsmaßnahme selbst. Er nannte eine Reihe Randbedingungen, die beim Einsatz von Chlor und anderen Oxidationsmitteln zur Verhütung von Schäden zu beachten seien.

Prof. Dr.-Ing. Paul Linhardt bemängelte in dem Vortrag Außenkorrosion an Trinkwasserinstallationen anhand verschiedener Beispiele, dass diese im Regelwerk (für metallene Werkstoffe) ausreichend beschriebene Korrosionsart häufig eine zu geringe Aufmerksamkeit erfahre. In der Praxis sei es nicht immer leicht, die primäre Ursache des Wassereintrags, der die Korrosion ermögliche, zu identifizieren, da durch das entstehende Leck eine massive Durchnässung des Schadensumfeldes erfolge.

Beim Einsatz flexibler, metalldrahtgestützter Kunststoffschläuche, die insgesamt ein hohes Schadensrisiko zeigten, sollten Drahtgeflechte aus nichtrostendem Stahl gewählt werden, obwohl auch hier z.B. in Verbindung mit Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln Schäden möglich seien. In diesem Zusammenhang wurde auch die Hypothese der Korrosionsursache durch "Fehlströme" oder "vagabundierende" Ströme in Hausinstallationen, die normalerweise nur mit Wechselstromsystemen ausgerüstet sind, als wissenschaftlich haltlose Behauptung, ja als "Volksverdummung", zurückgewiesen.

Gefahrenträchtig könnten dagegen elektrophysikalische Mauertrocknungsanlagen auf der Grundlage der Elektroosmose oder Elektrolyse sein, wenn in ihrem feuchten Umfeld metallene Einbauten vorhanden seien. Beispielhaft schilderte er den Fall einer darauf zurückzuführenden Leckage in einer Gasanschlussleitung sowie der Schädigung der benachbarten Wasserleitung im durchfeuchteten Mauerwerk eines Gebäudes.

Dr. rer. nat. Johann-Wilhelm Erning, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (Berlin), stellte Sanierungmaßnahmen unter Beibehaltung der vorhandenen Leitungsanlagen vor. Bisher gäbe es im Bereich der so genannten Innenbeschichtungsverfahren noch keine der Trinkwasserverordnung entsprechend zugelassenen Mittel. Grundlagen einer Zertifizierung lägen jetzt mit den DVGW-Papieren W 545 und VP 548 vor, danach könnte die Eignung eines Beschichtungsmittels, die Tauglichkeit des Verfahrens und des Beschichtungsunternehmens beurteilt werden.

Im Schlusswort wies Prof. Dr. habil. Günter Schmitt, der Vorsitzende der GfKORR, auf die besondere Verantwortung des Planers bei der Verhütung von Schäden durch Korrosion hin; Schäden zeigten, dass hier viele Planer überfordert seien, die Anforderungen des Regelwerkes in die Praxis umzusetzen.

Die nächste 3-Länder-Korrosionstagung ist für den 21. und 22. April 2005 in Wien mit dem Generalthema "Mikrobiologisch induzierte Korrosion" geplant.


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