IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 15/2004, Seite 18 ff.


BRANCHE AKTUELL


AGSI-Lagebericht 2004

Sorgenfalten auf der Stirn

Billigtrend, Discountware und Produktpiraterie bedrohen die Sanitärarmaturenindustrie

Während der Export nach einem unerwarteten Zwischentief wieder auf den Wachstumspfad zurückkehrt, bleibt die Inlandsnachfrage die Achillesferse des Geschäftes. Auf diesen Nenner lässt sich der konjunkturelle Lagebericht bringen, den die Arbeitsgemeinschaft Sanitärarmaturenindustrie (AGSI) Anfang Juli 2004 der Fachpresse vorstellte und erläuterte.

Grundsätzlich machen die 24 Mitgliedsfirmen in der umsatzstärksten Gruppe des VDMA-Fachverbandes Armaturen für Verbraucher und Branche gleichermaßen ein "erhebliches Gefahrenpotenzial" aus, für das Stichworte wie Billigtrend, Discountware und Plagiate charakteristisch seien. Hier gebe es in mehrfacher Hinsicht dringenden Handlungsbedarf. Eine Problemlösung sieht der Industriekreis in einer konsequenten Markenrenaissance, die - wie es in Frankfurt hieß - für mehr Attraktivität und Rentabilität des dreistufigen Vertriebsweges sorgt.

Zwiespältiges Bild

Die Entwicklung in den ersten fünf Monaten stimmt Wolfgang Burchard für 2004 insgesamt relativ optimistisch. Allerdings berichtete der AGSI-Geschäftsführer von einem unverändert zwiespältigen Bild. Während der Inlandsumsatz von Januar bis Mai 2004 im Vergleich zu der entsprechenden Vorjahresperiode nominal konstant und real um 3% rückläufig gewesen sei, kamen aus dem Ausland mit einem nominalen Plus von 6% kräftige Impulse. In beiden Sektoren folgten auf einen miserablen Startmonat (Inland minus 18%, Ausland minus 16%) deutliche Besserungstendenzen, sodass Ende Mai per saldo ein Umsatzplus von 4% zu Buche stehe.

Für 2004 insgesamt erwartet die AGSI erstmals nach vielen Jahren auch im Inland wieder leicht positive Zahlen. Die konkrete Umsatzprognose: plus 1%. Trotzdem komme wegen des extrem niedrigen Basiseffektes darüber "keine rechte Freude" auf. Anders lägen die Dinge beim Export. Hier rechnet die Sanitärarmaturenindustrie 2004 mit einem Anstieg um 6%. Damit ergibt sich für das Gesamtjahr ein nominales Umsatzplus von 4%, sagte Burchard voraus.

Die Ertragslage der Hersteller werde sich jedoch verschlechtern. Das beruhe auf der "explosionsartigen Materialverteuerung". Allein der Kupferpreis übertraf danach von Januar bis Mai 2004 den Durchschnittswert des ganzen Vorjahres um ca. 40%.

Detailierte Zahlen und Fakten zur konjunkturellen Situation in der Sanitärarmaturenindustrie nannten die AGSI-Funktionäre anlässlich der diesjährigen Fachpressekonferenz: (v.l.) Dr. Michael Pankow, Andreas Dornbracht, Wolfgang Burchard.

2003: Minus im In- und Ausland

2003 erfüllten sich die Hoffnungen der AGSI auf eine "schwarze Null" nicht. Stattdessen meldete Burchard einen Umsatzrückgang von nominal 3%. Insgesamt erzielte die deutsche Sanitärarmaturenindustrie mit ihren rund 15.000 Mitarbeitern nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes 2003 einen Produktionswert von knapp 2 Mrd. Euro.

Nachdem die Inlandsschwäche bereits 2002 zu einem Umsatzminus von 10% geführt habe, seien die Verkaufserlöse 2003 erneut um 3% gesunken. Die wesentlichen Gründe dafür: die ausgebliebene Neubaubelebung und die abermals nur schwach ausgeprägte Renovierungsbereitschaft der Bundesbürger.

Etwas überraschend musste auch der Export, der in den Vorjahren kontinuierlich gewachsen war und damit die Deutschland-Flaute ausgeglichen hatte, 2003 einen Dämpfer hinnehmen. Er gab, berichtete der AGSI-Geschäftsführer, um nominal gut 2% nach. Die zum Teil sehr unterschiedliche Entwicklung dokumentieren u.a. die drei wichtigsten Ausfuhrländer: Frankreich (80,7 Mio. Euro; plus 7%), die USA (56,6 Mio. Euro; minus 16%) und die Niederlande (51,2 Mio. Euro; minus 9%). Dynamisch entwickelte sich dagegen, ergänzte Burchard, z.B. das Geschäft mit den EU-Beitrittsländern Estland, Ungarn und Tschechien. Hier sei indes die niedrige Ausgangsbasis zu berücksichtigen.

Chinesische Herausforderung

Im Gegensatz zum Export erhöhten sich den Angaben zufolge die Einfuhren von Sanitärarmaturen 2003 kräftig um etwa 15% auf 292 Mio. Euro. Im Ranking der Haupt-Importländer rangierte die VR China nach Italien, Portugal und Bulgarien bereits auf Platz 4. Nachdem die Produktlieferungen aus dem Land der Mitte schon 2002 um 56% gestiegen waren, kletterten sie 2003 nochmals sprunghaft um 62% auf 23,6 Mio. Euro.

Burchard: "Wir beobachten das primär deshalb mit großer Sorge, weil es sich überwiegend um Discount-Armaturen und immer häufiger auch um Plagiate handelt." In dieser Angebotsliga wolle und könne die Markenindustrie zwar nicht mitspielen, sie müsse jedoch "über kurz oder lang" eine Antwort darauf finden.

Brausenmisere und fehlende Konzepte

Eine Notwendigkeit, die Andreas Dornbracht mit konkreten Beispielen untermauerte. Zunächst befasste sich der AGSI-Vorsitzende aber mit den aktuellen Branchendiskussionen über eine "erfolgreiche Weiterentwicklung" der dreistufigen Absatzschiene. Die Diskussionen würden "sehr ernsthaft und offenbar relativ vorbehaltlos" geführt, und dies sei erfreulich und überfällig zugleich, zumal die deutsche Sanitärarmaturenindustrie bereits vor Jahren Vorschläge zur "Evolution des Vertriebsweges" angemahnt, vorgelegt und durch konkrete Marktdaten begründet habe. Es genüge jedoch nicht, sich gegenwärtig in erster Linie um die künftige Vermarktung von Duschabtrennungen, Acrylwannen und Badmöbeln zu kümmern. Vielmehr sind Ansätze "jenseits der Entwicklung der Großhandelsausstellungen zum Point of Sale dringend geboten", betonte Dornbracht. So müsse u.a. das Zweitmarken-Thema stärker in den Vordergrund der Diskussion rücken.

Während der Export nach seinem letztjährigen Zwischentief 2004 wieder auf den Wachstumspfad zurückkehrt, bleibt die Inlandsnachfrage die Achillesferse des Geschäftes.

Das gelte nicht zuletzt mit Blick auf die alarmierenden Entwicklungen im Geschäft mit Handbrausen. Es gehe mittlerweile mehr oder weniger am klassischen Vertriebsweg vorbei. Auf Basis des GfK-Sanitärpanels 2003 kam er im Zeitraum 2002/2003 bei "solo angeschafften Handbrausen" (Verkauf ohne Armatur) beim Stückabsatz nur noch auf einen Marktanteil von knapp 19%. Vor zwei Jahren betrug er rund 30%, was einen Rückgang von "sage und schreibe" 38% ausmache. Kein Trost sei, dass Baumärkte ebenfalls zu den Verlierern gehörten (von 40 auf 35% Marktanteil).

Mit einer fast verdoppelten Quote (46% nach 29%) landeten dagegen Discounter, Kaffeegeschäfte und andere Billiganbieter einen "Kantersieg". Eine weitere Konsequenz dieser Entwicklung: ein "dramatischer Preisverfall" speziell im mittleren Segment. Für jede zweite Handbrause geben die Deutschen danach inzwischen nur noch maximal 20 Euro aus. Hier fehle es der Sanitärbranche bis heute an wirksamen Gegenrezepten.

Untersuchte Gefahrenquellen

Ähnliche Tendenzen prägten das Geschehen bei Armaturen. Insgesamt "vernebelt" die Preissensibilität der Verbraucher mehr und mehr den Blick auf die Produktqualität. Und das, obwohl anerkannte Prüfinstitute wie die Stiftung Warentest die oft gravierenden Qualitätsdefizite von Billigserien nachwiesen und damit letztlich für den Kauf höherwertiger Markenprodukte plädierten.

Welche Gefahren mit schlechten Billigarmaturen u.a. für die Sicherheit des Trinkwassersystems und die Gesundheit der Bürger verbunden sind, dokumentierte Dornbracht ebenfalls. Er bezog sich dabei auf Praxisprüfungen, die Mitgliedsunternehmen an vier verschiedenen Billigarmaturen im Preisspektrum von 9,99 bis 29,95 Euro durchführten. Kriterien waren jeweils die einschlägigen Euro-Normen. Die Resultate bestätigten, wie es hieß, die Befürchtungen "gravierender Mängel".

Im Einzelnen ermittelten die Tester: fehlerhaftes MPA-Prüfzeichen; schlechte Oberflächenveredelung; verdrehte Anschlussgeometrien; scharfe Kanten und Grate; zum Teil extreme Geräuschentwicklung des Wasserdurchlaufs mit einem Spitzenwert von 50 dB(A); geringe Durchflusswerte; fehlender Rückflussverhinderer; Messinglegierungen mit überhöhten Bleianteilen u.a. (siehe auch Beitrag "Ärger mit der Discount-Armatur ist programmiert", Heft 13/2003, Seite 48ff.)

Nach den Resultaten des GfK-Sanitärpanels für von Privathaushalten "solo angeschaffte" Handbrausen (Verkauf ohne Armatur) brach sein Marktanteil beim Stückabsatz innerhalb von nur zwei Jahren von gut 30% auf knapp 19% ein. Mit einer fast verdoppelten Quote (46% nach 29%) waren dagegen Discounter, Kaffeegeschäfte und andere Billiganbieter die unangefochtenen Gewinner.

Plagiate kosten 60 Mio. Euro Umsatz

Das Fazit der Prüfungen brachte Dornbracht so auf den Punkt: "Mit Discount-Armaturen kauft man Wundertüten, die oft schlechte Qualität und deshalb häufig unliebsame Überraschungen enthalten." Die damit verbundenen Risiken kenne der Verbraucher jedoch meist nicht. Unabhängig davon gefährde der Billigtrend natürlich auch die wirtschaftliche Entwicklung deutscher Hersteller von Markenarmaturen und -brausen.

Gleiches treffe auf das nicht minder problematische Plagiat-Thema zu. Nach AGSI-Schätzungen verursachten die Nachahmer-Sortimente bei der heimischen Industrie 2003 einen Umsatzverlust von etwa 3%. Das entspreche bei einem Gesamtvolumen von 2 Mrd. Euro einer Summe von ca. 60 Mio. Euro. In einzelnen Auslandsmärkten bzw. in bestimmten Marktsegmenten (z.B. Brausen) liege die prozentuale Einbuße noch über 3%. Die größten Sorgen bereiteten in dem Zusammenhang die chinesischen Importe, bei denen es sich zu 90% um Discount- bzw. um Plagiatprodukte handele. Sie fänden ihren Weg zum Verbraucher über branchenfremde Kanäle.

"Koalition gegen Produktpiraterie"

Neben den rein wirtschaftlichen bzw. materiellen Schäden für die Unternehmen und ihre Beschäftigten wirken sich, so Dornbracht, weitere Konsequenzen negativ aus. Dazu zählt er in erster Linie den Imageverlust für die Markenindustrie, die der Endkunde im Glauben, er habe ein Originalprodukt erworben, zumindest spontan für die auftretenden Qualitätsmängel verantwortlich mache. Für den Verbraucher kämen außerdem Produkthaftungsprobleme hinzu, während der Markenindustrie durch Schutzrecht-Anmeldungen sowie die Verfolgung bzw. Durchsetzung von Ansprüchen erhebliche Zusatzkosten entstünden. Führende Armaturenhersteller* haben sich deshalb nach Aussage des AGSI-Vorsitzenden zu einer "Koalition gegen Produktpiraterie" formiert. Ihr Ziel sei der gegenseitige Meinungs- und Erfahrungsaustausch, um u.a. gezielte Aktivitäten zu erleichtern. In jedem Fall wolle man dem Treiben der Nachahmer-Fraktion nicht tatenlos zusehen.

Dornbracht forderte ferner konkrete Schritte auf unterschiedlichen Ebenen. Erstens erwarte man eine stärkere Unterstützung von Messegesellschaften im Kampf gegen Plagiat-Anbieter. Hier könne der VDMA-Fachverband Armaturen bereits erste Erfolge melden; auch von der Messe Frankfurt gebe es für die kommende ISH 2005 positive Signale. Zweitens seien die Hersteller natürlich selbst gefordert, das Problem etwa durch die weltweite Anmeldung von Rechten und die Kooperation mit spezialisierten Kanzleien bzw. Detekteien "an der Wurzel zu packen". Drittens müssten Gesetzgeber und Rechtsprechung im nationalen und europäischen Bereich schärfer gegen Produktpiraterie vorgehen. Erfreulich sei, dass sich die EU-Nachahmungsrichtlinie dank einer VDMA-Initiative künftig auch auf Patentverletzungen erstrecke. Viertens schließlich gelte es, die momentan lückenhaften Zollkontrollen an den EU-Außengrenzen zu verstärken.

Als besonders wichtig bezeichnete es Dornbracht, die Bevölkerung auf der einen und Fachleute sowie Vertriebspartner auf der anderen Seite für die Gesamtthematik zu sensibilisieren. Er kündigte in dem Zusammenhang eine gezielte AGSI-Aufklärungsarbeit bei der Publikums- und Meinungsbildner-Presse an.

Markenrenaissance gegen "unheilvolle Allianz"

Billigimporte, Plagiate und Discountware haben für Dr. Michael Pankow unter dem Strich eines gemeinsam: Sie vernichten in einem mittlerweile erschreckenden Maße Qualität und Werte zugleich. Für die Akteure des dreistufigen Fachvertriebs ist das inzwischen ein "akutes existenzielles Problem", warnte der stellvertretende AGSI-Vorsitzende.

Für die Bundesbürger scheint beim Brausenkauf inzwischen fast nur noch der Preis zu zählen. Laut GfK-Sanitärpanel (repräsentativ für Anschaffungen privater Haushalte) verdreifachte sich im Zeitraum 2000/2001 bis 2002/2003 die Quote der bis 10 Euro "teuren" Handbrausen, während die Kategorie "10 bis 20 Euro" um knapp 50% zulegte.

Wer in der "Dumping-Liga" auch noch mitspielen wolle, schaufele sich quasi das eigene Grab. Denn: Austauschbarkeit, Beliebigkeit, Glaubwürdigkeitsverluste gingen mit Ertragsverfall und Rentabilitätsschwäche eine "unheilvolle Allianz" ein. Wo Differenzierung über Qualität, Image und Innovation fehle, werde der Leistungsvorsprung von Industrie, Großhandel und Handwerk "fast zur Makulatur". Um das zu verhindern, benötige die Branche u.a. eine nachhaltige Markenrenaissance.

Die Endverbraucher seien dafür durchaus aufgeschlossen. Dabei stellt Analysen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zufolge der Wunsch nach Sicherheit und Geborgenheit eine wichtige Triebfeder dar. Deshalb komme es auch im Badsektor darauf an, das Vertrauen und die Akzeptanz bekannter, gepflegter Marken bei den Bundesbürgern zu nutzen. Gerade die sich jetzt abzeichnende Entwicklung der Großhandelsausstellungen zum Point of Sale für das konkrete Badgeschäft mache eine bewusst forcierte Präsenz "anziehungskräftiger Marken" unverzichtbar.

Das setze natürlich auch nachprüfbare Mehrwert-Leistungen und ihre überzeugende Kommunikation voraus. Deshalb laute die entscheidende Frage: Was zeichnet Marken und ihre Hersteller, mit denen sich Großhandel und Handwerk einem nur über den Preis ausgetragenen Wettbewerb entziehen können, wirklich aus? Eine verlässliche Antwort darauf bedinge die Analyse aller Anbieter mit der gleichen Objektivität, Intensität und Genauigkeit.

Empfehlung "Marken-TÜV"

Im Sortimentssektor bezieht sich das, spezifizierte Dr. Pankow, im Wesentlichen auf Innovation ("übrigens vielleicht der beste Schutz vor Plagiaten"), Entwicklung, Qualität, Umweltschonung, Design, Ergonomie, Technik, Funktion, Montage, Ersatzteilversorgung und Gewährleistung. Für die Vertriebspartner ebenfalls von "erheblichem Gewicht" seien außerdem aktive Marktbearbeitung, Vorverkauf, Einzelhandelsförderung, Weiterbildung, Kundendienst und technischer Service sowie Meinungs- und Anwendungsforschung.

Der AGSI-Repräsentant empfahl daher Fachgroßhandel und Fachhandwerk, bei der Auswahl ihrer Industriepartner die Kriterien eines strengen "Marken-TÜV" anzulegen, um den Kampf gegen "profillose Allerweltssortimente" zu gewinnen. Das Resümee: "Mehr Kundenbindung, mehr Differenzierung, mehr Attraktivität und mehr Rentabilität im dreistufigen Vertriebsweg bedeuten zwangsläufig mehr Marke." Das schaffe Mehrwert für alle.


*) Zur Koalition gehören bislang die Unternehmen Dornbracht, Grohe, Hansa, Hansgrohe und Schell.


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