IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 11/2004, Seite 3


EDITORIAL


Sorgen um morgen

Begleitet von prunkvollen Feierlichkeiten sind zum 1. Mai dieses Jahres zehn weitere Nationen der Europäischen Union beigetreten. Damit erweitert sich der Kreis der "Clubmitglieder" auf insgesamt 25. Die Meinungen zur Osterweiterung fallen höchst unterschiedlich aus. Während führende Politiker von einer historischen Notwendigkeit sprechen, vom lebenden Beweis für die Überwindung des jahrzehntelangen Ost-West-Konfliktes und vom wirtschaftlichen Aufschwung durch einen wachsenden Exportmarkt, warnen die Gegner vor den Schattenseiten. Immer auch im Fokus: die Themen Löhne und Beschäftigung. Und so gab es am ersten Maiwochenende zahlreiche Kundgebungen, in denen lauthals die Befürchtung geäußert wurde, die EU-Osterweiterung führe zu einer Massenzuwanderung von Arbeitskräften aus den neuen Beitrittsländern nach Deutschland - und somit zu noch mehr Arbeitslosigkeit. Außerdem würden deutsche Unternehmen - angelockt durch attraktive Subventionen - nun in großem Umfang Kapital in die Beitrittsländer verlagern.

Unmut war auch aus den Reihen mittelständischer Handwerksunternehmer zu vernehmen. Viele Betriebe in den grenznahen Regionen beispielsweise sehen sich durch die neue Konstellation einem enormen Konkurrenzdruck ausgesetzt, liegen doch die osteuropäischen Kostenstrukturen deutlich unter deutschem Niveau. Stichwort Lohndumping. Und so wird das historische Ereignis überschattet von Ängsten und Vorbehalten - Sorgen um morgen.

Nach Meinung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wird die EUOsterweiterung Löhne und Beschäftigung nicht spürbar beeinflussen. Insgesamt erwartet das Berliner Institut positive Effekte von der Erweiterung. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit sieht die Entwicklung ebenfalls eher positiv: Die Erweiterung der EU eröffnet auch kleinen und mittleren Unternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten und damit Ansatzpunkte zur Stärkung und Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. In einem Interview unterstrich ZDH-Präsident Dieter Philipp diese Aussage. Der Handwerkspräsident betonte, dass er mittelfristig einen großen Nachholbedarf an hochwertigen Produkten und Dienstleistungen in den expandierenden Märkten der Beitrittsländer erwarte, der den deutschen Handwerkern viele Möglichkeiten biete.

Also insgesamt doch alles in Butter? Wohl kaum, betrachtet man die ohnehin schon angespannte wirtschaftliche Lage in Handwerk und Industrie. 3030 Unternehmensinsolvenzen allein im ersten Monat dieses Jahres, die Zahlen sprechen für sich. Eine weitere Billigpreis-Konkurrenz durch die neuen Nachbarn - auch wenn sie aufgrund von Übergangsregelungen schleichend daher kommt - könnte vielen Unternehmen arg zu schaffen machen. Das verrückte dabei: Potenzial - sprich Arbeit - ist vorhanden. Beispiel SHK-Branche: Schätzungen zufolge liegt die Zahl der erneuerungswürdigen Bäder hierzulande bei über zehn Millionen. Dazu kommen mehr als 2,6 Mio. Heizkessel, die vor 1982 installiert wurden und demzufolge als sanierungswürdig angesehen werden können. An den finanziellen Möglichkeiten potenzieller Investoren scheitert es wohl eher seltener. Die Deutschen sind mit einem geschätzten Gesamtguthaben von über 3,6 Billionen Euro wahre Weltmeister im Sparen. Es ist vielmehr schlicht die allgemeine Verunsicherung vieler Verbraucher, die für die Kaufzurückhaltung verantwortlich ist und letztlich den Investitionsstau auslöste.

Man kann also nur hoffen, dass sich das Konsumklima in Deutschland nachhaltig verbessert und gleichzeitig faire wirtschaftliche Rahmenbedingungen für den Mittelstand geschaffen werden. Dazu ist es letztlich auch notwendig, einheitliche Rahmenbedingungen für einen europäischen Wettbewerb zu schaffen. In Anbetracht der zahlreichen beteiligten Staaten wird dies sicherlich kein leichtes Unterfangen. Sieht doch jeder gerne seine eigenen Vorteile. Und es wird auch nicht leichter werden: Fest steht jetzt schon, dass die Europäische Union in naher Zukunft weiter wachsen wird. Man rechnet mit dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens für das Jahr 2007. Die Türkei hat bereits den Status eines Beitrittskandidaten und Staaten des ehemaligen Jugoslawiens haben ebenfalls Interesse an einem EU-Beitritt geäußert.

Markus Sironi
Chefredakteur
IKZ-HAUSTECHNIK


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