IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 7/2004, Seite 3


EDITORIAL


Großbaustelle "Vor der Wand"

Wahrscheinlich ist sie in der bisherigen Branchenhistorie beispiellos - die auch 2003 ungebremste, zum Teil nochmals verschärfte Talfahrt bei klassischen Kernsortimenten des deutschen Badgeschäftes. Zum fünften Mal in Folge mussten etwa die Mitglieder des arbeitskreises baden und duschen (abd) bei Duschwänden und Acrylwannen kräftige Umsatz- und Mengenverluste einstecken. Mittlerweile kommt bei beiden Sparten nur noch jedes dritte am heimischen Markt verkaufte Produkt aus ihren Werken. Das häufig zitierte Statement von der "erreichten Schmerzgrenze" mutet da fast schon wie eine freundliche Untertreibung an.

Wo liegen die Ursachen? Wer es sich leicht machen will, sieht sie ausschließlich in den - fraglos vorhandenen - externen Faktoren. Natürlich schlugen und schlagen sich die generell schwache Konjunktur mit der allgemeinen Kaufzurückhaltung der Bundesbürger, die desolate Neubausituation sowie der inzwischen ebenfalls stotternde Renovierungsmotor negativ nieder. Wer mag, kann dieser Kategorie noch die von einigen "Nach mir die Sintflut-Preisstrategen" ausgelöste Schnäppchenjägermentalität der Verbraucher zurechnen. Sie zeigt längst auch in der Sanitärwirtschaft ihre (verheerende) Wirkung.

Das allein ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Die zweiten 50% muss die Branche letztlich auf ihre "eigene Kappe" nehmen. Für die Markenindustrie addieren sich u.a. ein tendenziell exorbitanter Preisdruck, das daraus resultierende Downtrading, ein sinkendes Ausstellungsgeschäft im Großhandel sowie besonders das rasante Wachstum zweistufig operierender Anbieter zu einer gefährlichen Abwärtsspirale. Einmal ganz abgesehen davon, dass die Deutschen ihren Badbedarf heute bei (mindestens) neun unterschiedlichen Einkaufsstätten decken können.

Gerade der überaus dynamische Trend zum Direktbezug des Handwerks entwickelt sich für den dreistufigen Vertriebsweg zur "Kardinalfrage", wie es der VDS-Vorsitzende Fritz-Wilhelm Pahl während der letzten Mitgliederversammlung des Dachverbandes zu Recht nannte. Neben Badmöbeln sind davon in erster Linie Acryl- und Whirlwannen sowie rahmenlose bzw. -reduzierte Echtglas-Duschwände betroffen. Speziell bei diesem - noch - rentablen Produktsegment lässt sich die fatale Neigung, Markenhersteller und Großhandel auszuschalten, nicht von der Erkenntnis trennen, dass viele Handwerker hier das Risiko teurer Fehler bei Aufmaß und Montage nach wie vor scheuen.

Daran ändern auch intensive Schulungsaktivitäten und sicher gut gemeinte Appelle an die "Handwerkerehre" wenig. Deshalb ist es für alle Seiten doch wohl besser, wenn "linientreue" Hersteller solchen Betrieben ein komplettes professionelles Dienstleistungspaket anbieten, die danach rufen. Von einem, wie zu lesen, "weiteren Zwischenhändler" kann dabei übrigens ebenso keine Rede sein wie von einem Kompetenzverlust des Handwerkers vor Ort.

Zurück zum generellen Direktbezugs-Thema: Seine Brisanz scheint - nachdem sich Unternehmen wie Duscholux lange als "einsame Rufer in der Wüste" fühlten - jetzt branchenweit registriert und mit dem nötigen Nachdruck diskutiert zu werden. Wenn eine paritätisch besetzte Dialogrunde mit Blick auf die praktischen Direktbezugs-Auswirkungen bereits einen "durchweichten Vertriebsweg-Damm konstatiert; wenn das Problem laut einem aktuellen Leitartikel in einer Fachzeitschrift "alle Alarmglocken zum Klingen bringt"; wenn der Komplex in Gesprächen mit Handwerks- und Handelsorganisationen nun häufiger auf der Agenda steht - dann sind das erste positive Indizien für eine gemeinsame Suche nach (unkonventionellen) Lösungen.

Aber: Die Zeit drängt, denn ohne konkrete Ergebnisse und ohne eine Rückbesinnung zur Marke sind Veränderungen bzw. Konsequenzen in der Vertriebsweglandschaft absehbar. Insofern lässt sich die momentane Situation bei wichtigen Vor der Wand-Sortimenten mit einer unerledigten Großbaustelle vergleichen. Hoffentlich blieb hier nicht zu vieles zu lange liegen.

Dr. Johannes Haupt
Geschäftsführer Duscholux GmbH


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