IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 3/2004, Seite 20 f


SANITÄRTECHNIK/BARRIEREFREI


Fachbetrieb im Wandel der Zeit

Barrierefreies Bauen für den Lebensalltag

Martina Emmerich

Eine bodengleiche Dusche ist nicht nur für Senioren bequem. Foto: Wedi

Während heute die meisten Unternehmen und Fachbetriebe über mangelnde Aufträge klagen, übersehen sie eine attraktive Kundengruppe, auf deren Bedürfnisse das Angebot auszurichten sich wirklich lohnt: Zu dieser Zielgruppe zählen all diejenigen, die keine standardisierten Produkte verwenden können, sondern auf komfortable, sichere und barrierefreie Angebote setzen. Sowohl durch einen Unfall oder eine Krankheit gehandicapte Menschen als auch Senioren, die über erhebliche Geldreserven verfügen, gehören zu diesen potenziellen Kunden. Doch um diese kritische und anspruchsvolle Zielgruppe zufrieden stellend bedienen zu können, ist es wichtig, sich mit dem Thema "barrierefreies, komfortables und sicheres Bauen" auseinanderzusetzen. Dieser Artikel soll in das Thema einführen und wird in einer Serie mit detaillierten Beispielen zu verschiedensten Wohn- und Lebensbereichen fortgesetzt.

Die Menschen in Deutschland werden immer älter. Laut dem Statistischen Bundesamt wird es im Jahre 2010 rund 38 Millionen Menschen geben, die älter als 60 Jahre sind. Bereits schon jetzt hat in Schleswig-Holstein jeder vierte Einwohner ein Alter von 60 Jahren erreicht. Dabei handelt es sich um eine recht wohlhabende Kundengruppe: Nach Angaben von Markus M. Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, der sich mit der Einkommenssituation älterer Menschen in Deutschland beschäftigt hat, verfügen Rentner ab 65 Jahren durchschnittlich über ein Nettoeinkommen von 1464 Euro pro Monat. Sind sie etwas jünger, leben zu zweit in einem Haushalt oder sind pensionierte Beamte, können es sogar um die 3000 Euro monatlich sein. Eine gewisse Schicht dieser Zielgruppe hat zudem erhebliche Geldreserven. Darüber hinaus besitzt in Westdeutschland jeder Zweite eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus. Und in diesen vier Wänden möchten Menschen mit Handicap – ob jung oder alt – auch gerne bleiben. Sie wollen nicht auf ihr eigenständiges Leben verzichten. Doch dafür sind oftmals bauliche Veränderungen notwendig, an die beim Immobilienkauf meist noch nicht gedacht wurde.

Für viele Unternehmen, die umdenken können, eröffnet sich hierbei ein interessanter, lukrativer und neuer Markt. Unabhängig vom Alter möchte es jeder Mensch in seinem Zuhause bequem haben und die Lebensqualität erhöhen: Während Eltern auf eine kindersichere Wohnung für ihren Nachwuchs Wert legen, weiß der allein stehende und viel reisende Geschäftsmann eine funktionierende, über das Handy steuerbare Hausautomation zu schätzen. Und wer findet es nicht klasse, wenn das Licht im Treppenhaus oder in der Toilette angeht, sobald er den Raum betritt, ohne lange nach dem Schalter suchen zu müssen? Auch Rollläden mit modernster Steuertechnik oder eine Lichtregelung per Fernbedienung sind längst keine Einrichtungen mehr, die nur in einem Seniorenhaushalt zu finden sind.

Mit einer Hausautomation lassen sich sämtliche elektrischen Geräte per Fernbedienung bequem vom Sessel aus steuern – so wie hier der Roll-Laden. Foto: Honeywell

Prinzipiell sollten Neu- und Umbauten so gestaltet sein, dass sie für jeden Menschen einen leichten Zugang und Bewegungsfreiheit bieten. Dennoch gibt es die unterschiedlichsten Hindernisse, mit denen die Menschen täglich konfrontiert werden.

Für ältere Menschen, aber fallweise auch für jüngere Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer, stellen horizontale Hindernisse wie beispielsweise Stufen und Schwellen die größten Probleme dar. Bodengleiche Duschen, Rampen, Aufzüge oder Treppenlifte erleichtern ihnen dagegen den Lebensalltag. Türen, Flure und Durchgänge können ebenso schnell zu vertikalen Einschränkungen werden – sogar schon für junge Eltern, die mit einem Kinderwagen unterwegs sind –, wenn beim Bau oder der Raumaufteilung nicht auf ausreichende Breiten und Bewegungsflächen geachtet wurde.

Bei kleinen Kindern, MS-Kranken, Senioren und Behinderten fehlt es oft an Kraft, Feinmotorik und Bewegungskoordination. Um ergonomische Barrieren zu vermeiden, eignen sich beispielsweise komfortable Bedienelemente (Türdrücker statt Knauf oder Einhebelarmatur statt Dreharmatur) sowie unterstützende Hilfen (Handläufe in Fluren oder Haltegriffe im Bad). Sie sind nicht nur sehr praktisch, sondern geben zudem die nötige Sicherheit.

Um dem schwindenden Seh- und Hörvermögen entgegen zu wirken, sollten sensorische Barrieren vermieden werden. Zu den sensorischen Barrieren zählen unter anderem Informationstafeln mit zu kleiner Schrift, Flure und Wege, bei denen die geraden Gehflächen sich durch Farbe und Pflasterungsart nicht von den Stufen unterscheiden, sowie Glastüren, die nicht einmal als solche durch ein Motiv auf dem Glas kenntlich gemacht werden. Wichtig zur Orientierung sind kontrastreiche Farben und ausreichende blendfreie Beleuchtung in der Wohnung und im Gebäude. So sollten sich beispielsweise die Türdrücker von den Türen, die Haltegriffe von den Wänden und die Rampen von den ebenen Laufwegen unterscheiden. Wer nur sehr schlecht oder gar nicht mehr sehen kann, ist für differenzierte Bodenbeläge oder Markierungen an den Handläufen dankbar. Menschen, die unter Hörschäden leiden, sollten optische Hilfen – wie beispielsweise eine Lichtklingel, einen Lichtwecker oder einen Lichtalarm erhalten.

Einfache Bedienung bereits bei der Steckdose: Busch-Jäger entwickelte eine Auswurfsteckdose, bei der man ohne Kraftaufwand den Stecker aus der Dose lösen kann. Foto: Busch-Jäger

Bei all den Gestaltungsmöglichkeiten muss der Planer, Architekt und Handwerker darauf achten, dass eine angenehme, komfortable und sichere Einrichtung entsteht, die nicht an einen Krankenhausaufenthalt erinnert, sondern die Lebensqualität vermittelt und erhält. Es gibt mittlerweile viele Hilfsmittel, die sich wunderbar in die Wohnung einpassen, ohne einen Eindruck von Behinderung zu hinterlassen – und genau das wollen die Wohnungsbesitzer und Gehandicapten auch.

Über die barrierefreie und sichere Wohnungs- und Gebäudegestaltung ist zahlreiche und auch sehr unterschiedlichste Literatur erhältlich, die sowohl von Land und Bund als auch von den verschiedenen Verbänden herausgegeben werden. Bereits im Grundgesetz, im Baugesetzbuch sowie im Sozialgesetzbuch (neuntes Buch) wird festgelegt, dass ein (öffentliches) Gebäude barrierefrei gestaltet sein soll. Besonders relevant sind dabei die beiden DIN-Normen für barrierefreies Bauen (18024 und 18025), die nun in einer gemeinsamen DIN 18030 zusammengefasst und aktualisiert werden.

Bei der Deutschen Gesellschaft für Gerontotechnik (GGT) in Iserlohn besteht für alle Handwerker, Planer und Architekten die Möglichkeit, sich mittels eines so genannten Altersanzuges in die Situation eines Menschen mit Handicaps hineinzuversetzen und dann ganz alltägliche Dinge aus deren Perspektive zu verrichten. Dabei wird der Tester relativ schnell merken, wo er an seine Grenzen stößt. Zudem können sich Installateure und Elektriker bei der GGT zum Fachbetrieb für Senioren und behindertengerechte Installationen ausbilden lassen.

Weitere Informationen erteilt die GGT unter der Telefonnummer 02371/95950.

 

Internetinformationen:
www.gerontotechnik.de


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