IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 23/2003, Seite 58 f.


RECHT-ECK


Sicherungsmittel

Ist § 648 a BGB gegenüber treuhänderisch tätigen Sanierungs- bzw. Entwicklungsträgern von Kommunen anwendbar?

RA Friedrich-W. Stohlmann

Das Sicherungsmittel des § 648 a BGB hat seit der Einführung der gesetzlichen Regelung im Jahre 1993 in der baurechtlichen Praxis, insbesondere in dem immer härter werdenden Wettbewerb der SHK-Betriebe, eine immer größere Bedeutung erlangt. Nach dem Wortlaut des Bauhandwerkersicherungsgesetzes gemäß § 648 a BGB ist grundsätzlich der Auftraggeber (Besteller) nach Aufforderung zur Gestellung einer Sicherheit an den tätig werdenden Unternehmer verpflichtet. Dies gilt sowohl für den BGB-Werkvertrag als auch für den VOB-Bauvertrag. Von der Verpflichtung zur Leistung einer Sicherheit sieht das Gesetz allerdings zwei Ausnahmen für bestimmte, insoweit privilegierte Auftraggeber vor.

Neben den natürlichen Personen, die Bauarbeiten zur Herstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhauses ausführen lassen, sind auch öffentliche Auftraggeber von der Verpflichtung zur Leistung einer Sicherheit ausgenommen. Zu diesen zählen der Bund, die Länder, Kreise, Gemeinden und sonstige Gebietskörperschaften, aus diesen gebildete öffentlich-rechtliche Verbände, wie z.B. ein kommunaler Abwasserzweckverband sowie Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.

Diese Privilegierung begründet sich bei den öffentlichen Auftraggebern aus einem fehlenden Insolvenzrisiko. Dies ergibt sich aus der Begründung zum Gesetzesentwurf.

Häufig bedienen sich Kommunen als privilegierte Auftraggeber im Sinne des §648a Abs.6 Nr. 1 BGB für die von ihnen zu erbringenden Bauaufgaben privatrechtlich organisierter Unternehmen. So sieht das Baugesetzbuch in den §§157 und 167 ausdrücklich vor, dass Gemeinden zur Erfüllung von Sanierungs- oder Entwicklungsaufgaben privatrechtlich organisierte natürliche oder juristische Personen durch öffentlich-rechtlichen Vertrag beauftragen können. Als Sanierungsträger tätige Unternehmen können und private Entwicklungsträger müssen in diesen Fällen wegen der unter Umständen notwendigen hoheitlichen Eingriffe als Treuhänder der Gemeinden tätig werden.

Häufig bedienen sich die treuhänderischen Sanierungs- bzw. Entwicklungsträger zur Durchführung der Bauausführung dritter Unternehmen. Wegen der Besonderheiten der Regelung des Baugesetzbuches, insbesondere der in §160 Abs. 4 Satz 1 geregelten Einstandspflicht der Gemeinden für Verbindlichkeiten der Treuhänder stellt sich somit die Frage, ob dem bauausführenden Auftragnehmer gegenüber den Sanierungs- bzw. Entwicklungsträgern ein Anspruch auf Stellung einer Sicherheit gemäß §648 a BGB zusteht, oder ob die Treuhänder zu den gemäß §648 Abs. 6 Nr. 1 BGB privilegierten öffentlichen Auftraggebern zählen.

Fraglich ist also, ob für den Unternehmer ein Insolvenzrisiko der Sanierungs- bzw. Entwicklungsträger besteht oder ob die Gemeinde für die eingegangenen Verbindlichkeiten einstehen muss.

Durch die Einführung des §648 BGB (Bauhandwerkersicherungsgesetz) wollte der Gesetzgeber dem Unternehmen ein Äquivalent und eine Absicherung für sein gesetzlich normiertes Vorleistungsrisiko zur Seite stellen. Dies ergibt sich aus der entsprechenden Begründung im Gesetzesentwurf. Damit sollte die Möglichkeit der Insolvenz des Auftraggebers und das damit verbundene Risiko des Ausfalls der Werklohnforderung kompensiert werden.

Gemäß §160 Abs. 4 Satz 1 Baugesetzbuch (BauGB) gewährleistet die den Sanierungs- bzw. Entwicklungsträger treuhänderisch beauftragende Gemeinde die Erfüllung von dessen Verbindlichkeiten. Des Weiteren haftet die Gemeinde gemäß §160 Abs. 6 Satz 3 BauGB ab dem Ende des Treuhandverhältnisses und der Übertragung des Treuhandvermögens anstelle des Sanierungs- bzw. Entwicklungsträgers für noch bestehende Verbindlichkeiten. Angesichts dessen erscheint es auf den ersten Blick konsequent, die Ausnahmeregel des §648 a Abs. 6 Nr.1 BGB auch für diese Sanierungs- bzw. Entwicklungsträger anzuwenden und sie damit den öffentlichen Auftraggebern gleichzustellen. Wenn die beauftragende Gemeinde für sämtliche, vom treuhänderischen Sanierungs- bzw. Entwicklungsträger eingegangene Verbindlichkeiten haftet, ist nicht erkennbar, warum eine Differenzierung zu den privilegierten öffentlichen Auftraggebern vorgenommen werden sollte. Für den bauausführenden Auftragnehmer des treuhänderischen Sanierungs- bzw. Entwicklungsträgers bestünde insoweit nicht das Risiko, bei Insolvenz des Treuhänders mit der Werklohnforderung auszufallen.

Diese Betrachtung lässt jedoch den Umfang der Einstandspflicht der Gemeinde für die Verpflichtung der Sanierungs- bzw. Entwicklungsträger und das damit weiterhin für den bauausführenden Unternehmer bestehende Risiko, bei Insolvenz des Treuhänders mit der Werklohnforderung auszufallen, unberücksichtigt. Die Privilegierung von Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlicher Sondervermögen resultiert aus dem Fehlen des Insolvenzrisikos. Die in §160 Abs. 4 Satz 1 BauBG geregelte Einstandspflicht beseitigt dieses Risiko aber gerade nicht.

In §161 Abs. 3 BauBG wird ausdrücklich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Sanierungs- bzw. Entwicklungsträgern geregelt. Die Norm bestimmt lediglich zugunsten der Gläubiger von treuhänderischen Sanierungs- bzw. Entwicklungsträgern, dass in der außerhalb des Treuhandverhältnis begründete Insolvenz durch "Drittgläubiger" auf das Treuhandvermögen nicht zugegriffen werden kann. Entgegen des oben dargestellten vermeintlichen Sinngehaltes des §160 Abs. 4 Satz 1 BauBG regelt die Norm auch keine weitreichende Einstandspflicht der den Sanierungs- bzw. Entwicklungsträger beauftragenden Gemeinde. Es wird lediglich festgelegt, dass die Gemeinde die Erfüllung der Verbindlichkeiten gewährleistet, für die der Sanierungs- bzw. Entwicklungsträger mit dem Treuhandvermögen haftet. Zum Treuhandvermögen gehören jedoch gemäß § 160 Abs. 2 BauBG lediglich die Mittel, die die Gemeinde den Sanierungsträgern zur Erfüllung der Aufgaben zur Verfügung stellt bzw. was der Sanierungsträger mit Mitteln des Treuhandvermögens oder durch ein Rechtsgeschäft, das sich auf das Treuhandvermögen bezieht, oder aufgrund eines zum Treuhandvermögen gehörenden Rechts, oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zum Treuhandvermögen gehörenden Gegenstands, erwirbt.

Ob und in welcher Höhe dem den Auftragnehmer beauftragenden Sanierungs- bzw. Entwicklungsträger allerdings ein Treuhandvermögen durch die Gemeinde zur Verfügung gestellt wurde und ob dieses ausreichend ist, um sämtliche eingegangenen Verpflichtungen zu decken, ist für den bauausführenden Unternehmer nicht nachvollziehbar oder nachprüfbar. Daher ist auch das Risiko der Insolvenz des Auftraggebers, für das dem ausführenden Auftragnehmer durch §648 a BGB ein Äquivalent zur Seite gestellt werden soll, vorliegend allein durch §160 Abs. 4 Satz 1 BauBG nicht ausgeschlossen.

Entsprechend wird in der Literatur für privatrechtlich organisierte Unternehmen (z. B. Aktiengesellschaften oder GmbHs), die zu 100% von Körperschaften des öffentlichen Rechts beherrscht werden und darüber hinaus Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnehmen, vertreten, dass auf sie §648 a BGB anwendbar ist. Anders als bei dem sog. "klassischen" Auftraggeber sind diese Unternehmen, genau wie treuhänderische Sanierungs- bzw. Entwicklungsträger, konkurs- bzw. insolvenzfähig, was allein bezogen auf die mögliche Anwendung des § 648 a BGB maßgeblich sein muss.

Daher wird in der Literatur auch die nach Auffassung des Autors richtige Auffassung vertreten, dass für die als treuhänderische Sanierungs- bzw. Entwicklungsträger gemäß §§ 147 ff. BauBG tätigen privatrechtlichen organisierten Unternehmen die Privilegierung des §648 a Abs. 6 Nr. 1 BGB als öffentlicher Auftraggeber ausscheidet.

Fazit:

Der durch privatrechtlich organisierte treuhänderische Sanierungs- bzw. Entwicklungsträger mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragte SHK-Unternehmer ist berechtigt, von seinem Auftraggeber eine Sicherheit gemäß §648 a BGB zu verlangen.

Dem Auftragnehmer steht gemäß §648 a Abs. 1 Satz 2 BGB ein Anspruch auf Sicherheit bis zur Höhe des voraussichtlichen Vergütungsanspruchs, wie er sich aus dem Vertrag oder einem nachträglichen Zusatzauftrag sowie wegen Nebenforderungen ergibt, zu. Sofern der Auftraggeber keine ausreichende Sicherheit stellt, steht dem Auftragnehmer nach Ablauf der von ihm gesetzten Frist das Recht auf Verweigerung der Arbeitsleistung zu. Nach Nachfristsetzung und Kündigungsandrohung gilt der Vertrag gemäß §648 a Abs. 5 iVm. §643 BGB als aufgehoben.

Kommentar:

Die wiedergegebene Auffassung in der Literatur, also den Kommentaren zum Baurecht, muss allerdings noch von den sog. Mittelinstanzgerichten bzw. vom Bundesgerichtshof bestätigt werden. Dies ist allerdings deshalb zu erwarten, weil sich aus der Gesetzesbegründung zu §648 a BGB genau die Hauptproblematik ergibt, wonach der Auftragnehmer vor einem etwaigen Insolvenzrisiko des Auftraggebers geschützt werden soll. Derartige Insolvenzen sind bei dem "klassischen" öffentlichen Auftraggeber ausgeschlossen, während bei derartigen Sanierungs- bzw. Entwicklungsträgern aufgrund ihrer privatrechtlichen Organisation in Wirklichkeit ein echtes Insolvenzrisiko besteht, gerade weil der Unternehmer nicht erkennen kann, welche Finanzmittel die Kommunen dem Sanierungs- bzw. Entwicklungsträger zur Verfügung gestellt hat und daher eine entsprechende Haftung sich auf das Treuhandvermögen beschränkt. Es ist davon auszugehen, dass die Mittelinstanzen bzw. der Bundesgerichtshof als höchste zivilrechtliche Instanz dieser in der Literatur favorisierten Auffassung folgt.


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