IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 23/2003, Seite 52 ff.
UNTERNEHMENSFÜHRUNG
GGVSE - und kein Ende
Beförderungserleichterungen im Überblick Teil 2
Dipl.-Ing. Kurt Kaphun und Dr. rer. nat. Klaus Kersting*
Bei vielen der in der Bauwirtschaft transportierten Gütern handelt es sich um Gefahrgut. Allerdings sind die Mengen, die transportiert werden, meist klein. Daher können die Betriebe der Bauwirtschaft bei den Gefahrguttransporten eine Vielzahl von Freistellungen in Anspruch nehmen, die die Durchführung der Transporte erheblich erleichtern. Die möglichen Freistellungen werden im Folgenden dargestellt.
Die wichtigsten Beförderungserleichterungen im Überblick
Die Gefahren für Menschen, Sachen und Umwelt, die von Gefahrgütern ausgehen, hängen ganz wesentlich von der transportierten Menge auf einem Fahrzeug, der Verpackung der Güter und von der Art der Beförderung ab.
Deshalb sind geringe Mengen bestimmter Gefahrgüter oder bestimmte Arten von Beförderungen von den Vorschriften der GGVSE und den Bestimmungen des ADR ganz oder teilweise freigestellt. Diese Freistellungen (siehe dazu die Aufstellung in Tabelle 2) bedeuten, dass das transportierte Gefahrgut den Vorschriften nur in verringertem Umfang unterliegt.
Völlige Freistellung von den Vorschriften der GGVSE
Freistellung kleiner Mengen bestimmter Güter
Die Ausnahme Nr. 3 der GGAV (ACHTUNG: Diese Ausnahme ist bis 31.12.2004 befristet). Sie stellt Kleinstmengen einiger Stoffe von den Vorschriften der GGVSE vollständig frei. Bei Einhaltung der nachstehend angegebenen Mengenbegrenzungen sind überhaupt keine Vorschriften von GGVSE/ADR zu beachten. Dabei entfallen u.a. auch die Vorschriften für Aufschriften und Gefahrzettel. Dadurch können nicht oder nicht vollständig gekennzeichnete Gebinde z.B. einzelne Spray- oder Farbdosen, die einem Karton entnommen wurden, legal transportiert werden.
Die Gesamtmenge gefährlicher Güter darf jedoch 50 kg Bruttomasse je Fahrzeug nicht überschreiten. Das bedeutet z.B. bei Mitnahme von 5 kg Farbspraydosen dürfen nur noch 45 kg Diesel zugeladen werden.
Nicht aufgeführte Gefahrgüter wie z.B. Flüssiggas dürfen nicht zugeladen werden, weil diese Ausnahme dann nicht mehr angewendet werden kann.
Weitgehende Freistellung von den Bestimmungen des ADR
Eine grundlegende Vorschrift der GGVSE ist bei allen folgenden Beförderungsarten generell zu beachten. Hier sind die Fahrzeugführer zu Meldungen verpflichtet:
Bei Unfällen oder Unregelmäßigkeiten, bei denen es zu einer Gefährdung durch das Gefahrgut kommen kann, hat der Fahrzeugführer die nächstgelegene zuständige Behörde (z.B. Polizei) unverzüglich zu benachrichtigen.
Ein Verstoß gegen diese Vorschrift kann mit einem Bußgeld in Höhe von 150 Euro geahndet werden. Siehe dazu den Bußgeldkatalog des Gefahrgutrechts, der in Anlage 7 zu den Richtlinien zur Durchführung der GGVSE - RSE - abgedruckt ist.
Freistellung von Gefahrgut im inneren Aufbau von Maschinen und Geräten
Gefahrgut im inneren Aufbau von Maschinen und Geräten (z.B. eingebaute Akkumulatoren mit Batteriesäure im Innern) ist durch 1.1.3.1 b) ADR weitgehend von ADR und GGVSE freigestellt, wenn die Maschinen/Geräte dem Gerätesicherheitsgesetz unterliegen. Das gilt für alle üblicherweise in der Bauwirtschaft verwendeten technischen Arbeitsmittel.
Die GGVSE-Vorschrift für den Fahrzeugführer und folgende grundlegende ADR-Bestimmung sind zu beachten:
Durch geeignete Maßnahmen ist das Freiwerden gefährlichen Guts unter normalen Beförderungsbedingungen zu verhindern.
Für die Ladung eines Werkstattwagens ist die Einhaltung der Höchstmenge zur Kleinmengenbeförderung eingehalten. |
Freistellung kleiner Mengen
Die am weitesten gehende Freistellung kleiner Mengen findet man jetzt im Abschnitt 1.1.3 "Freistellungen" des ADR unter 1.1.3.1 c). Hier sind Gefahrguttransporte, die Unternehmen im Rahmen ihrer Haupttätigkeit oder für Reparatur- und Wartungsarbeiten (z.B. in Werkstattwagen) durchführen, von den Bestimmungen des ADR freigestellt, wenn
- die höchstzulässigen Mengen, die in der Tabelle 1.1.3.6.3 ADR dargestellt sind und 450 Liter je Verpackung, nicht überschritten werden
- die Beförderung nicht für die interne oder externe Versorgung durchgeführt wird
- durch geeignete Maßnahmen das Freiwerden gefährlichen Guts unter normalen Beförderungsbedingungen verhindert ist.
Bei dieser fast völligen Freistellung vom ADR sind Vorschriften der GGVSE und ihrer Anlage 2 beim innerstaatlichen Transport zu beachten:
- Bei Unfällen oder Unregelmäßigkeiten, bei denen es zu einer Gefährdung durch das Gefahrgut kommen kann, hat der Fahrzeugführer die nächstgelegene zuständige Behörde (z.B. Polizei) unverzüglich zu benachrichtigen.
- Das Gefahrgut muss in geeigneten Verpackungen (nicht unbedingt bauartzugelassen) befördert werden.
- Die zutreffenden Gefahrzettel und die Kennzeichnungen mit UN-Nummern müssen auf den Verpackungen angebracht sein.
- Der Umgang mit Feuer und offenem Licht ist bei Ladearbeiten, in der Nähe von Versandstücken und haltenden Fahrzeugen sowie in den Fahrzeugen untersagt.
- Die Ladung ist so zu sichern, dass sich die Lage zueinander und zum Fahrzeug nur geringfügig verändern kann.
Wird bei einem Transport ausschließlich ein Stoff oder ein Produkt befördert, so ist die Höchstmenge für die Beförderung kleiner Mengen der Tabelle von. 1.1.3.6.3 ADR direkt zu entnehmen. In Anlehnung an diese Tabelle ist in der Tabelle 1 eine Aufzählung von Stoffen dargestellt, die für die Bauwirtschaft von Bedeutung sein können. Dabei ist zu beachten, dass für die einzelnen Gefahrgüter unterschiedliche Maßeinheiten verwendet werden. So wird die Höchstmenge für flüssige Stoffe in Liter, für feste Stoffe und verflüssigte Gase in kg Nettomasse und für verdichtete Gase in dem Fassungsvolumen der Gasflaschen angegeben.
Für die Bauwirtschaft müssen häufig Transporte unterschiedlicher Gefahrgüter auf einem Fahrzeug oder Anhänger durchgeführt werden. Dabei ist die Grenze der erleichterten Beförderung rechnerisch aus der Summe der Produkte der Bruttomassen mit den stoffspezifischen Faktoren zu ermitteln. Diese Faktoren sind in Tabelle 1 kursiv gedruckt.
Die errechnete Summe der Produkte unterschiedlicher Gefahrgüter wird mit der Zahl 1000 verglichen. Ist das Ergebnis nicht größer als 1000, liegt eine Kleinmengenbeförderung vor (siehe dazu Abb. 4); wird 1000 überschritten, ist es ein Gefahrguttransport, bei dem alle Vorschriften der GGVSE / ADR einzuhalten sind.
Gase für den Betrieb besonderer Einrichtungen
Gase, die für den Betrieb von z.B. Flüssiggas-Heizeinrichtungen von Gussasphalt-Mischgeräten während der Beförderung erforderlich sind, sind durch 1.1.3.2 e) ADR - ohne Mengenbegrenzungen - von den Bestimmungen des ADR freigestellt. Gase als Kraftstoff in entsprechenden Behältern sind nach 1.1.3.2 b) ADR freigestellt. In beiden Fällen ist nur die Vorschrift der GGVSE für den Fahrzeugführer zu beachten.
Flüssige Kraftstoffe in Kfz-Tanks und Kanistern
Für flüssige Kraftstoffe - wie Dieselkraftstoff oder Benzin in den Tanks von Kraftfahrzeugen und Anhängern sind durch 1.1.3.3 ADR Mengenbegrenzungen festgelegt: 1500 Liter bzw. 500 Liter. In tragbaren Behältern (Kanistern) können bis zu 60 Liter Kraftstoff im Fahrzeug mitgeführt werden.
Die Kraftstoffe in Fahrzeugen oder anderen Beförderungsmitteln (z.B. Flurförderzeuge), die als Ladung (z.B. auf Tiefladern) transportiert werden sind freigestellt, wenn das Auslaufen verhindert ist. Dabei müssen allerdings die Absperrhähne (soweit vorhanden) zwischen Tank und Motor geschlossen sein.
Der Fahrzeugführer muss auch bei dieser Beförderungsart die GGVSE-Meldepflicht beachten.
Der selbst angefertigte LQ-Aufkleber kennzeichnet die Verpackung für Druckgaspackungen (Spraydosen). |
Freistellung durch Sondervorschriften des ADR
Einige gefährliche Güter sind - ohne Mengenbegrenzung - von den Bestimmungen des ADR durch Abschnitt 1.1.3.4.1 in Zusammenhang mit den Sondervorschriften des Kapitels 3.3 vom ADR freigestellt.
Für die Bauwirtschaft sind es im Wesentlichen die 3 Gefahrgüter, die in Tabelle 1 benannt sind: Gussasphalt, Asbest und Batterien (als Ladung).
Auch hierbei gilt es, die GGVSE-Meldepflicht des Fahrzeugführers zu beachten.
Freistellung von in begrenzten Mengen verpackten gefährlichen Gütern
Diese Freistellung gilt für Gefahrgüter, z.B. für Spraydosen oder Farbdosen, die in zusammengesetzten Verpackungen transportiert werden. Damit können nicht gekennzeichnete und nicht baumustergeprüfte Innenverpackungen (z.B. Dosen) in geeigneten und stabilen, auch nicht baumustergeprüften Kisten aus Pappe oder Holz (als Außenverpackungen) transportiert werden. Auf der Außenverpackung muss ein "Gefahrzettel" sichtbar sein, auf dem die UN-Nummer des Gutes in den Innenverpackungen angegeben ist. Dieser Zettel ist ein auf der Spitze stehendes Quadrat mit mindestens 10 cm Seitenlänge, das von einer mindestens 2 mm dicken Linie eingefasst ist (Abb. 5 und 6). Wenn Innenverpackungen mit unterschiedlichen Gefahrgütern in der Außenverpackung transportiert werden, müssen die UN-Nummern aller enthaltenen Güter oder die Buchstaben LQ (für Limited Quantities) auf dem Zettel angegeben werden. Die Innenverpackungen müssen nicht gekennzeichnet sein; siehe dazu Kapitel 3.4 ADR.
Allerdings müssen die Mengengrenzen eingehalten werden, die in der Tabelle zu Abschnitt 3.4.6 ADR nach LQ-Nummern aufgelistet sind. Diese LQ-Nummern können für bestimmte Stoffe der Spalte 7 in Tabelle A in Kapitel 3.2 ADR entnommen werden.
Das ergibt z.B. für Spraydosen (LQ2): Innenverpackungen bis max. 1 l Inhalt, Versandstück bis max. 30 kg Bruttogewicht. Für Dosen mit z.B. Klebstoff oder Farbe der Verpackungsgruppe III (LQ7) gilt: Innenverpackung bis max. 5 l, Gesamtinhalt des Versandstücks bis max. 45 l Inhalt.
Freistellung ungereinigter leerer Verpackungen
Ungereinigte leere Verpackungen sind z.B. leere Farbdosen (in denen immer Reste der Farben verbleiben) und leere Kanister oder Fässer (in denen immer noch geringe Mengen des vorher enthaltenen Gutes an den Innenwänden haften).
Durch Unterabschnitt 1.1.3.5 ADR sind entleerte Behältnisse, die zuvor mit den üblichen Gefahrgütern der Bauwirtschaft befüllt waren, ohne Mengenbegrenzung unter zwei Bedingungen freigestellt:
Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, die Gefährdungen durch die Gefahrgutreste ausschließen. Das bedeutet z.B. dass diese Gefäße geschlossen werden müssen, damit kein Gefahrgut austreten kann.
Der Fahrzeugführer muss die Meldevorschrift der GGVSE bei Unfällen beachten.
Als "LQ" gekennzeichneter Karton für Klebstoffdosen. |
Eingeschränkte Freistellung von den Bestimmungen des ADR.
Kleinmengenregelungen für die Versorgung oder beim Transport von mehr als 450 Liter.
Werden die in der Tabelle 1.1.3.6.3 ADR angegebenen Mengen bei der Beförderung Gefährlicher Güter auf einem Fahrzeug unterschritten oder gerade erreicht, aber der Transport dient der Versorgung oder es sind mehr als 450 Liter in einer Verpackung, so sind mehr und weitergehende Bestimmungen zu beachten als bei der weitestgehend freigestellten Kleinmengenbeförderung.
- Durch geeignete Maßnahmen ist das Freiwerden gefährlichen Guts unter normalen Beförderungsbedingungen zu verhindern.
- Bei Unfällen oder Unregelmäßigkeiten, bei denen es zu einer Gefährdung durch das Gefahrgut kommen kann, hat der Fahrzeugführer die nächstgelegene zuständige Behörde (z.B. Polizei) unverzüglich zu benachrichtigen.
- Baumusterprüfung der Behälter (Verpackungen) ist vorgeschrieben.
- Die zutreffenden Gefahrzettel und die Kennzeichnungen mit UN-Nummern müssen auf den Verpackungen angebracht sein.
- Güter der Klasse 1 (z.B. Sprengstoffe und Zündmittel) dürfen mit anderen Gefahrgütern nicht zusammen auf einem Fahrzeug geladen werden.
- Der Umgang mit Feuer und offenem Licht sowie das Rauchen sind bei Ladearbeiten, in der Nähe von Versandstücken und haltenden Fahrzeugen sowie in den Fahrzeugen untersagt.
- Feuerlöscher der Brandklassen A, B und C (z.B. 2kg Pulver) zum Löschen eines Motorbrandes oder des Fahrerhauses sind ab dem01.01.2004 mitzuführen1. Feuerlöscher müssen EN 3 entsprechen und alle zwei Jahre überprüft werden. Sie sind leicht erreichbar für die Fahrzeugbesatzung anzubringen.
- Der Beförderer (= Unternehmer) muss einen schweren Unfall oder Zwischenfall dem Bundesamt für Güterverkehr in Köln2 mit vorgeschriebenem Vordruck melden.
- Werden Gase der Klasse 2 in einem Fahrzeug mit geschlossenem Aufbau befördert, ist für ausreichende Belüftung des Laderaumes zu sorgen.
- Die Ladung ist so zu sichern, dass sich die Lage zueinander und zum Fahrzeug nur geringfügig verändern kann.
Gefährliche Güter in Versandstücken dürfen ohne Beförderungspapier befördert werden, wenn die höchstzulässige Gesamtbruttomasse je Beförderungseinheit nach Kap. 1.1.3.6 nicht überschritten ist. Das ist in der Ausnahme Nr. 18 (S) der Gefahrgut-Ausnahmeverordnung - GGAV - geregelt.
Ausblick
Der Slogan "GGVSE - und kein Ende" gilt weiter. In der Praxis müssen die Betriebe die umfangreichen Änderungen noch umsetzen. Derweil arbeiten die Gefahrgut-Fachleute der ADR- und RID-Länder in Bern und Genf bereits an den Änderungen für 2005. Und so weiter ...
Vorschriften:
Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn - GGVSE - vom 11. Dezember 2001,
Gefahrgut-Ausnahmeverordnung - GGAV 2002 - vom 6. November 2002,
Anlagen A und B zum zu dem europäischen Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße - ADR 2001 -, die mit der 15. ADR-Änderungsverordnung vom 15. Juni 2001 in Kraft gesetzt wurden,
Berichtigung 2002 der deutschen Übersetzung zur 15. ADR-Änderungsverordnung,
2. Verordnung zur Änderung gefahrgutrechtlicher Verordnungen vom 28.04.2003
Gefahrgutbeauftragtenverordnung - GbV - in der Fassung vom 21. Dezember 1999,
Richtlinien zur Durchführung der GGVSE - RSE - Ausgabe 2002.
* Dipl.-Ing. Kurt Kaphun
Dr. rer. nat. Klaus Kersting
Mitarbeiter bei der Arbeitsgemeinschaft der Bau-Berufsgenossenschaften
1 Ausnahme Nr. 26 GGAV gestattet den Verzicht auf die Mitnahme des Feuerlöschers, wenn die höchstzulässige Menge nach 1.1.3.6.3 eingehalten ist. Die Ausnahme ist bis zum 31.12.2003 befristet.
2 Der für die Meldung erforderliche Vordruck ist Anlage 9 zur RSE (Richtlinien zur Durchführung der GGVSE)
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