IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 22/2003, Seite 76 ff.


UNTERNEHMENSFÜHRUNG


GGVSE - und kein Ende

Teil 1

Erleichterte Beförderungen gefährlicher Güter in der Bauwirtschaft

Dipl.-Ing. Kurt Kaphun und Dr. rer. nat. Klaus Kersting*

Bereits 2001 wurden die Vorschriften der neugegliederten und neugefassten Teile 1 bis 9 der Anlagen A und B des Europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße - ADR - durch die neue Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn - GGVSE - für die innerstaatliche Beförderung gefährlicher Güter auf Straßen und mit Eisenbahnen für Deutschland in Kraft gesetzt. Erst im November 2002 wurde die Gefahrgut-Ausnahmeverordnung - GGAV -, die diesen beiden Vorschriften und anderen internationalen Richtlinien angepasst ist, veröffentlicht. Im Mai 2003 wurden die Änderungen für das ADR 2003 veröffentlicht, das seit Juli 2003 anzuwenden ist. Deshalb ist erst jetzt eine zusammenhängende Darstellung der unterschiedlichen Freistellungen beim Transport kleiner Mengen gefährlicher Güter auf der Straße möglich.

Vorbemerkungen

Den Betrieben der Bauwirtschaft ist dringend anzuraten, bei der Beförderung gefährlicher Güter in Verpackungen - der Stückgutbeförderung - (z. B. in Großpackmitteln = IBC, Fässern, Kanistern, Dosen, Kartons) mit eigenem Personal die sog. Kleinmengenregelungen anzuwenden. So können Freistellungen von den Vorschriften der GGVSE/ADR in Anspruch genommen werden, die Organisation und Durchführung der Gefahrguttransporte erheblich erleichtern.

Die wesentlichen gefahrgutrechtlichen Vorschriften sollen hier in ihrer praktischen Umsetzung verständlich dargestellt werden. Dabei sind die Hinweise auf die rechtlichen Quellen, die in Zusammenhang mit Gefahrguttransporten zum Fachwissen gehören, unerlässlich: So ist z. B. der "Unterabschnitt 1.1.3.6 ADR" das Synonym und die Quelle für die Angaben zu den höchstzulässigen Mengen je Fahrzeug für die erleichterten Kleinmengenbeförderungen.

Diese Abhandlung ist nicht als Leitfaden für gefahrgutrechtliche Schulungen der beauftragten und sonstigen verantwortlichen Personen im Betrieb i. S. der Gefahrgutbeauftragtenverordnung - GbV - konzipiert; sie kann allerdings den Anreiz geben, derartige Schulungen für den betreffenden Personenkreis zu organisieren. Aus Gründen der Rechtssicherheit muss schließlich jeder, der an erleichterter Gefahrgutbeförderung im Betrieb beteiligt ist, Kenntnis von deren Grenzen und Transportvorschriften haben.

Bei Überschreitung der Mengenbegrenzungen für Freistellungen müssen alle Regelungen von GGVSE/ADR beachtet werden. Da dies einen erheblichen organisatorischen und sächlichen Aufwand bedeutet, und es zudem bekannt ist, dass die höchstzulässigen Mengen erleichterter Beförderungen bei den meisten Transporten in der Bauwirtschaft nur sehr selten überschritten werden müssen, bleiben hier die Maßnahmen beim Transport großer Mengen Gefahrgut außer Betracht.

Vorschriftenlage

Die Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn - GGVSE - ist die Vorschrift, deren Bestimmungen bei Gefahrguttransporten innerhalb Deutschlands einzuhalten sind. Sie enthält u. a. die Regelungen zu den Pflichten der verantwortlichen Personen und zu den Ordnungswidrigkeiten (= Bußgeldvorschriften). Für die Transportvorschriften setzt die GGVSE das europäische ADR für den innerstaatlichen Bereich in Kraft. Vom ADR abweichende nationale Regelungen sind in den Anlagen zur GGVSE aufgeführt. Für die sog. Kleinmengenbeförderung ist hierbei die Anlage 2 GGVSE von besonderer Bedeutung.

Die Gefahrgut-Ausnahmeverordnung 2002 - GGAV 2002 - enthält weitaus weniger Ausnahmen von den Vorschriften der GGVSE (indirekt des ADR) als ihre Vorgängerin. Für die Beförderung kleiner und kleinster Mengen gefährlicher Güter sind 3 Ausnahmen von besonderer Bedeutung, von denen zwei nur noch befristete Geltung haben:

Die Ausnahme Nr. 3 "Freistellung kleiner Mengen bestimmter Güter", die z. B. Erleichterungen für den Transport einzelner Spraydosen beinhaltet, gilt nur noch bis zum 31.12.2004.

Die Ausnahme Nr. 18 "Beförderungspapier", die das Beförderungspapier beim Transport kleiner Mengen überflüssig macht, gilt zeitlich unbegrenzt weiter. Allerdings darf es sich nicht um Versandstücke handeln, die zur Beförderung an Dritte (z.B. eine Spedition) übergeben werden. Es dürfen auch keine Beförderungen sein, für die es amtliche Ausnahmen gibt, weil diese Ausnahmen auf einem Beförderungspapier dokumentiert werden sollen.

Die Ausnahme Nr. 26 "Kleinmengenbeförderung ohne Mitführung von Feuerlöschern", die Kleinmengenbeförderungen erheblich erleichterte gilt nur noch bis 31.12.2003.

Die Gefahrgutbeauftragtenverordnung - GbV - schreibt dem Unternehmer unverändert in § 6 "Sonstige Schulungen" vor, alle Mitarbeiter im Betrieb, die Verantwortung in Zusammenhang mit Gefahrguttransporten haben, über die gefahrgutrechtlichen Vorschriften für ihre jeweiligen Aufgabenbereiche zu schulen oder schulen zu lassen.

Diese Baustellentankstelle ist ein IBC. Ab 450 Liter Fassungsraum müssen die Kennzeichnungen auf zwei gegenüberliegenden Seiten angebracht sein.

Explosive Stoffe und Gegenstände mit Explosivstoff werden im Folgenden nicht näher behandelt, weil der Transport von Sprengstoffen und Zündmitteln den speziell informierten Sprengberechtigten vorbehalten ist, und weil 5 kg (Bruttogewicht) Kartuschen für Bolzensetzgeräte oder Thermitanzünder problemlos ohne besondere Vorschriften in Verbindung mit der Haupttätigkeit des Unternehmens befördert werden dürfen.

Radioaktive Stoffe, Klasse 7, werden hier nicht erwähnt, weil sie nur in sehr seltenen Sonderfällen von besonders ausgebildeten Fachleuten befördert werden.

Ob es sich bei Produkten um Gefahrgut handelt, kann meist an den Verpackungen erkannt werden, da diese in der Regel gekennzeichnet werden müssen.

Verpackungen

Mit dem Begriff "Verpackungen" sind in der Sprachregelung für gefährliche Güter alle Behältnisse wie z.B. Kisten aus Holz oder Pappe, Feinstblecheimer, Dosen, Kanister, Fässer bezeichnet, in denen die gefährlichen Güter während des Transportes enthalten sind.

Auch Großpackmittel (IBC) (Abb. 1) sind per Definition Verpackungen. Die Abkürzung IBC steht für den englischen Begriff "Intermediate Bulk Container". Sie sind im Fassungsraum auf höchstens 3,0 Kubikmeter festgelegt. Ob es sich bei einem größeren Behälter um einen IBC handelt, ist dem Typenschild des Behälters zu entnehmen.

Codierung der Bauartzulassung auf dem Boden eines 200-Liter-Rollreifenfasses aus Stahlblech.

Verpackungen und Großpackmittel gelten nur dann als transportsicher, wenn sie der Bauart nach zugelassen sind. Die Bauartprüfung und -zulassung erkennt man an der Codierung der Verpackung, die aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt ist. Voran steht das Symbol der Vereinten Nationen für Verpackungen das auch durch das Symbol "RID/ADR" und bei Metallverpackungen durch die Buchstaben "UN" (siehe dazu Abb. 2) ersetzt werden kann. Fässer oder Kanister aus Kunststoff dürfen höchstens 5 Jahre lang als Verpackung für Gefahrgüter genutzt werden; dementsprechend muss das Herstellungsdatum auf diesen Verpackungen angegeben sein.

Viele Gefahrgüter - wie z.B. Spraydosen und Farbdosen - werden in sog. "zusammengesetzten Verpackungen" transportiert. Dabei sind die Dosen die Innenverpackungen. Die Kisten aus Holz oder (meistens) Pappe stellen die Außenverpackung dar. Einzelne Dosen ohne Gefahrgut-Kennzeichnung dürfen nicht ohne weiteres transportiert werden. Es besteht aber die Möglichkeit, Innenverpackungen in einer vorschriftsmäßigen Außenverpackung zu befördern, auch wenn diese nicht vollständig mit Innenverpackungen befüllt ist. Die Hohlräume müssen dann mit geeignetem Material aufgefüllt werden, und die Außenverpackung muss verschlossen sein.

Nur wenn sehr geringe Mengen Gefahrgüter transportiert werden, können Innenverpackungen auch ohne Außenverpackung transportiert werden. Die Bedingungen für diese Transporte werden im Abschnitt "Freistellung kleiner Mengen bestimmter Güter" beschrieben.

Leere, ungereinigte Verpackungen unterliegen nicht den Gefahrgutvorschriften, wenn die Produktreste neutralisiert, ausgehärtet oder polymerisiert sind und keine Produktreste an der Außenseite der Verpackung anhaften.

Aufschriften und Gefahrzettel

Alle Versandstücke (=Verpackungen, in denen Gefahrgüter transportiert werden) müssen mit Gefahrzetteln versehen sein. Gefahrzettel sind Aufkleber in der Form auf die Spitze gestellter Quadrate mit bestimmten, den Gefahrgütern zugeordneten Gefahrensymbolen. Die Gefahrzettel müssen deutlich sichtbar auf den Versandstücken angebracht sein. Sie sind außerdem deutlich und dauerhaft mit den UN-Nummern zu beschriften, die in ihnen befördert werden; z.B. "UN 1263" für Farbverdünnung (siehe dazu Abb. 3).

Feinstblechkanister in dem Farbverdünner "verpackt" ist. Gefahrzettel und UN-Nummer sind angebracht.

Bei zusammengesetzten Verpackungen muss die Außenverpackung mit der UN-Nummer beschriftet und mit Gefahrzettel versehen sein.

Häufig befindet sich statt des Gefahrzettels nur ein Rhombus mit einer UN-Nummer auf der Verpackung (s. auch Freistellungen von in begrenzten Mengen verpackten gefährlichen Gütern). Auch hierbei handelt es sich um Gefahrgut. In diesen Fällen sind die Innenverpackungen nicht als Gefahrgut gekennzeichnet. Hier gibt nur die Außenverpackung Aufschluss.

Klassifizierung

Bei der Klassifizierung wird das gefährliche Gut entsprechend der von ihm ausgehenden Gefahr einer Klasse, einer UN-Nummer, einem Klassifizierungscode und einer Verpackungsgruppe zugeordnet. In der Tabelle1 sind die Kenngrößen in den ersten vier Spalten dargestellt.

Bei den in der Bauwirtschaft eingesetzten Gefahrgütern wird die Klassifizierung durch die Produkthersteller vorgenommen. Diese Klassifizierung, die z. B. unter Punkt 14 im Sicherheitsdatenblatt eines Produktes angegeben ist, kann direkt übernommen werden. Die Klassifizierung muss nur in seltenen Fällen, z.B. bei Abfällen, von den Baubetrieben selber durchgeführt werden.

Handelt es sich bei dem Produkt um ein Gefahrgut, so ist der Transport grundsätzlich ein Gefahrguttransport. Da in der Bauwirtschaft meist nur geringe Mengen transportiert werden, kann auf eine Vielzahl von Freistellungen zurückgegriffen werden.
Fortsetzung folgt


* Dipl.-Ing. Kurt Kaphun
   Dr. rer. nat. Klaus Kersting, Mitarbeiter bei der Arbeitsgemeinschaft der Bau-Berufsgenossenschaften


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