IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 19/2003, Seite 50 ff.



Wer bezahlt barrierefreie Bäder?

Dipl.-Kfm. Marcus Sauer*

Würden wir an dieser Stelle eine spontane Umfrage darüber starten, was mit dem Stichwort "barrierefrei" verbunden wird, würden mit hoher Wahrscheinlichkeit Begriffe wie "Alt" und "Krank" sehr häufig genannt. Fragt man dann noch nach der Finanzierung barrierefreier Baumaßnahmen, denkt jeder zunächst an die Verbindung zu Kranken- und Pflegekassen.

Barrierefreies Bauen, insbesondere im Bad-Bereich, ist aber viel mehr. Es kann durchaus Komfort, Qualität, Sicherheit und sogar Luxus bedeuten. Es gilt, die Zielgruppe im Segment "Generation 50+" zu erreichen. Diese Zielgruppe ist weder alt noch krank. Sie hat aber neben einem hohen Kaufkraftpotenzial hohe Ansprüche an Komfort und Qualität.

Aktuelle Umfragen wie die Studie "Das Badezimmer des älteren Menschen" der GGT zeigen, dass in dieser Zielgruppe gerade bei den Eigenheimbesitzern in vielen Fällen ein erheblicher Renovierungsstau besteht.

Die "Generation 50+" - auch das belegt die GGT-Studie - verlangt nicht nach Stützgriffen oder Toilettensitzerhöhungen, sondern nach komfortablen Lösungen, die die Sicherheit im Bad erhöhen, die aber nach außen hin nicht nach Krankheit, sondern eher nach Luxus aussehen. So kann mit der richtigen Ansprache ein Bad mit bodengleicher Dusche und weiteren Sicherheits- und Komfortmerkmalen verkauft werden, das bereits heute so geplant wird, dass bei Bedarf in 10 oder 20 Jahren Hilfsmittel ohne größere bauliche Maßnahmen nachgerüstet werden können. Es besteht bei den Nutzern der Anspruch, die Accessoires aus der Design-Serie, für die man sich einmal entschieden hat, bei Bedarf durch - auch vom Design her - passende Hilfsmittel zu ergänzen.

Wirtschaftswissenschaftler haben in Studien festgestellt, dass die Preissensibilität bei der "Generation 50+" stark nachlässt. Produkte werden nicht mehr über Kampfpreise verkauft, sondern über Zusatznutzen. Es ist nicht mehr primär von Bedeutung, ob ein Bad 20.000 EUR oder 25.000 EUR kostet, Hauptsache, der Kunde ist davon überzeugt, vom richtigen Partner das richtige Produkt zu bekommen, das seine Wünsche, Bedürfnisse und Ansprüche optimal erfüllt.

Dieser anspruchsvollen Zielgruppe steht eine weitere Zielgruppe gegenüber, die in den meisten Fällen deutlich älter ist (70+) und die tatsächlich mit körperlichen Einschränkungen konfrontiert wird. Für diese Gruppe halten Krankenkassen Hilfsmittel bereit und bieten Pflegekassen finanzielle Zuschüsse zu baulichen Maßnahmen.

Krankenkassen = Hilfsmittel

Von den Krankenkassen erhalten Patienten bei Bedarf, nämlich wenn der Arzt es verordnet, Hilfsmittel. Das können beispielsweise Inkontinenzhilfen, Sehhilfen, Prothesen oder auch Rollstühle sein, die im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen aufgeführt sind. Aus dieser Aufstellung von rund 15.000 Produkten sind für den Sanitärinstallationsbetrieb genau zwei Produktgruppen relevant, nämlich die Gruppe "Badehilfen" und "Toilettenhilfen". Das sind vor allem Toilettensitzerhöhungen, Stützgriffe oder Badewannenlifter.

Insgesamt befinden sich in beiden Produktgruppen zusammen rund 400 Produkte, bei denen meist Funktionalität vor das Design gestellt ist.

Der Ablauf des Verfahrens

Grundsätzlich muss ein Arzt eine Verordnung für ein Hilfsmittel ausstellen, das dann von einem zugelassenen Leistungserbringer geliefert wird. Meist sind dies Sanitätshäuser, es ist aber auch für einen Sanitärinstallationsbetrieb möglich, Hilfsmittel direkt mit den Krankenkassen abrechnen zu können.

Dazu müssen eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein, die sowohl im Sozialgesetzbuch als auch in internen Richtlinien der Krankenkassen festgeschrieben sind. Dazu zählt neben dem Nachweis einer geeigneten Qualifikation und Erfahrung vor allem die "ausreichende, zweckmäßige, funktionsgerechte und wirtschaftliche" Abgabe von Hilfsmitteln. Wer diese Bedingungen erfüllt, kann in Einzelfällen mit einigen Krankenkassen vor Ort abrechnen.

Der Kunde kommt dann mit einem Rezept des Arztes zum Leistungserbringer (Installationsbetrieb). Aus den Angaben auf dem Rezept ermittelt der Leistungserbringer das passende Hilfsmittel und erstellt einen Kostenvoranschlag. Dieser wird durch den Kunden oder den Betrieb bei der zuständigen Krankenkasse eingereicht und dann im Idealfall genehmigt.

In einigen Bundesländern gibt es mittlerweile Modellversuche, bei denen SHK-Innungen Vereinbarungen mit der Innungskrankenkasse (IKK) abgeschlossen haben. Bei Kunden, die Mitglied der IKK sind, können Hilfsmittel direkt mit der Krankenkasse abgerechnet werden. Allerdings gibt es auch im Rahmen dieser Modellversuche für alle anderen Krankenkassen keine einheitliche Regelung.

In einigen dieser Vereinbarungen sind Höchstpreise festgeschrieben, die der Handwerker maximal in Rechnung stellen darf. So dürfen beispielsweise für einen Stützgriff maximal 107 EUR oder für eine Toilettensitzerhöhung maximal 46 EUR inklusive Montage, Material und Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt werden.

Ein großer Irrtum in Zusammenhang mit der Krankenkassenabrechnung wird sogar von einigen Sanitärherstellern immer wieder verbreitet: Nicht alles, was "vor der Wand" installiert wird, ist ein Hilfsmittel im Sinne der Krankenkassen. Es gibt keine Armaturen, Toiletten- oder Waschbecken, die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind. Nur die Produkte aus den genannten Bereichen "Badehilfen" und "Toilettenhilfen" des Hilfsmittelverzeichnisses lassen sich von den Krankenkassen erstatten.

Auch gerne ins Gespräch gebracht werden Baumaßnahmen, beispielsweise der Einbau einer erhöhten Toilette oder der Einbau der bodengleichen Dusche. Auch solche Maßnahmen stehen mit dem Hilfsmittelkatalog in keinerlei Zusammenhang und werden nicht von den Krankenkassen erstattet.

Pflegekassen = bauliche Maßnahmen

Auch Maßnahmen wie der Einbau der bodengleichen Dusche werden gefördert. Kunden, die entsprechende Voraussetzungen erfüllen, erhalten von den Pflegekassen einen Zuschuss zu "baulichen Maßnahmen", die die Pflege erleichtern.

Wichtigste Voraussetzung ist, dass der Kunde in eine Pflegestufe eingestuft sein muss. Das bedeutet, dass er täglich auf Hilfe, zum Beispiel durch einen Pflegedienst, angewiesen ist. Stellt nun eine unabhängige Stelle den Bedarf für eine bauliche Maßnahme fest und wird dies vom medizinischen Dienst bestätigt, erhält der Kunde einen einmaligen Zuschuss in Höhe von maximal 2557 EUR, ggf. abzüglich eines Eigenanteils.

Diesen Betrag erhält der Kunde für alle Maßnahmen, die mit der aktuellen Pflegestufe zusammenhängen. Es wird also beispielsweise die Türverbreiterung, der Einbau einer Rampe und eines Treppenliftes sowie der Einbau einer bodengleichen Dusche als eine Maßnahme angesehen, für die es einmalig den genannten Zuschuss gibt.

Das Antragverfahren bei den Pflegekassen ist deutlich einfacher als bei den Krankenkassen: Nach der Feststellung des Bedarfs erstellt der SHK-Betrieb einen Kostenvoranschlag, der bei der Pflegekasse eingereicht wird - entweder durch den Kunden selbst oder durch den Betrieb. Die Pflegekasse prüft über den medizinischen Dienst nach, ob der Bedarf wirklich besteht und stimmt der Baumaßnahme zu oder lehnt sie ab.

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1

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9

Das ideale Bad

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Kostenträger und Finanzierung

11

Kommunikationsproblem und Vermarktung

12

Marketing

13

Fazit

 

Gerontotechnik im Überblick

Also lieber gar nicht barrierefrei bauen?

Wer aus den Ausführungen nun schließt, dass er auf das Geschäftsfeld barrierefrei lieber verzichten sollte, verpasst eine große Chance.

Der SHK-Betrieb, der sich mit der Zielgruppe "Generation 50+" befasst, steht einer kritischen Klientel gegenüber, die wenig mit einem "Alt-Krank-Image" zu tun haben will. Hier spielen Kranken- und Pflegekassen als Kostenträger überhaupt keine Rolle, weil (noch) keine Einschränkungen vorhanden sind, die derartige Ansprüche begründen könnten.

Beim Umgang mit der älteren Zielgruppe (70+) muss immer berücksichtigt werden, dass zwar Zuschussmöglichkeiten bestehen, diese aber insbesondere im Hilfsmittelbereich (Krankenkassen) nicht ausreichen, um ein strategisches Geschäftsfeld darstellen zu können. Zu berücksichtigen ist immer, dass die relativ kleinen Margen im Hilfsmittelbereich durch erhöhten Beratungsaufwand und umfangreiche Schriftwechsel mit den Kostenträgern weiter geschmälert werden können.

Toilettenhilfen

Badehilfen

Schulungen zum "Fachbetrieb für senioren- und behindertengerechte Installation" bei der GGT in Iserlohn

Termine 2004

11. bis 13. Februar 2004
28. bis 30. April 2004
15. bis 17. September 2004
10. bis 12. November 2004
1. bis 3. Dezember 2004


*) Dipl.-Kfm. Marcus Sauer Projektleiter Sanitär Deutsche Gesellschaft für -Gerontotechnik, Iserlohn.


B i l d e r :   sam Vertriebs GmbH + Co. KG, Menden


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