IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 19/2003, Seite 42 ff.


INTERVIEW


Viega

Erfolgreich durch Kundennähe, Innovation und Service

Viega mit Stammsitz im sauerländischen Attendorn setzt seinen Wachstumskurs fort. Konsequente und harte Arbeit macht das Familienunternehmen im In- und Ausland erfolgreich. Die Inhaber und Geschäftsführer Heinz-Bernd Viegener und Walter Viegener sprachen mit IKZ-HAUSTECHNIK-Chefredakteur Günther Klauke über die Hintergründe des Erfolges.

Hauptsitz der Firma Viega ist seit über hundert Jahren Attendorn in Westfalen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Trotz schlechter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen ist Viega in den letzten Jahren kontinuierlich weiter gewachsen. Welche Gründe gibt es dafür?

Walter Viegener: Zuerst einmal die Mitarbeiter, die - durch die Bank - gerade in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Ärmel bis oben hin hochgekrempelt haben. Zweitens: Innovationen, Service und Kundennähe. Ich meine nicht nur Produktinnovationen wie das Edelstahl-Presssystem Sanpress Inox mit SC-Contur oder das auf einfachste Planung und Montage ausgerichtete Steptec-Vorwandsystem. Innovatives Handeln ist entscheidend für alle Unternehmensleistungen, angefangen bei modernen Produktionstechniken bis hin zum innovativen Service.

Heinz-Bernd Viegener: Zum Beispiel der Logistik-Service: Wir realisieren bereits über 50 Prozent der Aufträge beleglos, stellen ein automatisches Bestellwesen bereit und übernehmen damit teilweise die Lagerverwaltung für unsere Kunden. Das spart Zeit und Geld auf allen Ebenen. Und nicht zu vergessen: der Viega-Beratungsservice. Von den mehr als 1900 Viega-Mitarbeitern sind allein in Deutschland über 100 beim Kunden vor Ort tätig. Das ist für uns gelebte Kundennähe.

IKZ-HAUSTECHNIK: Speziell der Außendienst ist bei einigen SHK-Herstellern in den letzten Jahren umstrukturiert und gestrafft worden. Denken Sie ebenfalls darüber nach?

Heinz-Bernd Viegener: Nein, absolut nicht. Gerade Deutschland zeigt, dass man bei richtiger Marktbearbeitung eine eigene Firmenkonjunktur erreichen kann und wir wollen und werden weiterhin in den deutschen Markt investieren. In Amerika, Japan und China wohnen mehr Menschen. Aber Deutschland ist mit seinen 80 Millionen Einwohnern mit Abstand der größte Markt hier in Europa. Und es lohnt sich, etwas für 80 Millionen Menschen zu tun.

IKZ-HAUSTECHNIK: Innovationen, Kundennähe und Service bedeuten auch Kosten. Kommen Sie nicht mit dem Preisgefüge in Konflikt?

Heinz-Bernd Viegener: All das sind zuallererst Vorleistungen, wenn man Märkte mitbewegen will, statt von den Märkten bewegt zu werden. Unsere Unternehmensleistungen sind nicht in allen Ländern gleich. Aber sie sind in jedem Land marktgerecht. Sie haben also immer ein gerechtes Preis-Leistungs-Verhältnis. Der billige Jakob - das sind wir nicht.

Produktinnovation: Das neue Vorwandsystem Steptec überzeugt durch einfache Planung und leichte Montage mit nur einer Schiene und einem Verbinder.

IKZ-HAUSTECHNIK: Ihr Unternehmen gilt als ausgesprochen bodenständig. Bleibt es bei den deutschen Produktionsstandorten?

Walter Viegener: Auf jeden Fall. Die deutschen Produktionsstandorte sind und bleiben unsere Grundlage. Schließlich wissen wir seit vier Generationen, welchen Anteil qualifizierte Mitarbeiter am Unternehmenserfolg haben. Da ist ein unheimlich großes Potenzial an Erfahrung aufgebaut worden, von dem unsere Innovationsstärke lebt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Zahlreiche Industrieunternehmen der SHK-Branche verlagern ihre Produktion aus Kostengründen in alle Welt...

Walter Viegener: ...damit können und wollen wir nicht dienen. Die von uns gefertigten Produkte erfordern qualifizierte Mitarbeiter. Betrachten wir den Produktionsstandort Deutschland, so bietet sowohl die Region Attendorn als auch die Region Großheringen bestens ausgebildete Fachkräfte für die Bereiche Metall und Kunststoff. So haben wir in Thüringen auf eine Ausschreibung für 50 Mitarbeiter über 1000 Bewerbungen bekommen.

Heinz-Bernd Viegener: Sie haben das Werk in Großheringen ja gesehen und können sich ein Bild davon machen, wie kapitalintensiv es mit Fertigungstechnik ausgestattet ist. Das gilt übrigens für alle unsere Produktionsstätten und daraus resultiert natürlich, dass wir nur mit hochqualifizierten Fachkräften arbeiten können. Selbstverständlich kann es erforderlich werden, bei steigenden Exporten in ferne Märkte auch dort Produktionsstätten zu errichten. Was den europäischen Markt angeht, so kommt es aber keinesfalls in Betracht, die deutschen Produktionsstätten zu verlagern.

Fertigungsinnovation: Die Viega-Gießerei in Attendorn-Ennest gilt als eine der modernsten und größten Europas.

IKZ-HAUSTECHNIK: Ihr Werk in Großheringen ist quasi zu einem Vorzeigeobjekt ausgebaut worden. Gerät Attendorn ins Hintertreffen?

Heinz-Bernd Viegener: Nein! In Großheringen war nach der Wende alles neu. Vielleicht hat das Werk dadurch das Ansehen eines Vorzeigeobjekts bekommen. Die Werke Attendorn, Attendorn-Ennest und Lennestadt-Elspe stehen im gleichen Rang und sind genauso Hightech-Standorte. Denken Sie nur an Europas modernste Sandguss-Gießerei in Ennest und an das immer wieder optimierte und erweiterte Logistikzentrum. Den Elsper Betrieb haben wir konsequent ausgebaut und dort unser Forschungs- und Entwicklungszentrum für Vorwand- und Spülsysteme sowie Entwässerungstechnik angesiedelt. Ein weiteres Forschungs- und Entwicklungszentrum für Rohrverbindungstechnik und Rohrsysteme ist im Werk Attendorn entstanden. Wir suchen keine neuen Produktionsstätten in Deutschland, sondern nach neuen Lösungen, um an den westfälischen Standorten zu expandieren. Lediglich in unserem Stammwerk im Attendorner Stadtkern ist das nicht möglich. Hier sind die Flächenkapazitäten ausgereizt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welchen Stellenwert hat das Unternehmen in der Region Südwestfalen?

Walter Viegener: Unsere Heimat Attendorn ist ein wichtiger wirtschaftlicher Dreh- und Angelpunkt. Wir sind der größte Arbeitgeber im Kreis Olpe und gehören im Industrie- und Handelskammerbezirk Siegen zu den drei größten Unternehmen. Unsere westfälischen Standorte wollen wir auch vor dem Hintergrund dieser engen Verbundenheit und der Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern und gegenüber der Region nicht nur erhalten, sondern stärken.

IKZ-HAUSTECHNIK: In Großheringen fällt neben den hochmodernen Maschinen die enorme Fertigungstiefe vom Rohmaterial bis zum fertigen Produkt ins Auge. Rechnet sich das in Deutschland noch?

Walter Viegener: Wir produzieren tatsächlich fast alles in Eigenregie, zum Beispiel vom Strangguss bis zum fertigen Produkt. Das funktioniert nur bei einer Fertigung mit höchstmöglichem Maschineneinsatz. Würden wir anstelle des Rohmaterials Halbzeuge in Form von Stangenmaterial einsetzen, so stiege der Kostendruck enorm.

Heinz-Bernd Viegener: Früher, als wir noch Stangenmaterial zukauften, gab es Preisprobleme. Die haben wir durch die Investition in unsere moderne Stranggießerei in den Griff bekommen.

Walter Viegener: "Die von uns gefertigten Produkte erfordern qualifizierte Mitarbeiter. Betrachten wir den Produktionsstandort Deutschland, so bietet sowohl die Region Attendorn als auch die Region Großheringen bestens ausgebildete Fachkräfte für die Bereiche Metall und Kunststoff."

IKZ-HAUSTECHNIK: Nutzen Sie die Fertigungsmöglichkeiten auch für Fremdaufträge?

Walter Viegener: Vom Prinzip her nicht. Die Auslastung aller Produktionsbereiche basiert auf dem Eigenbedarf. Sollte jedoch jemand Stangenmaterial benötigen, und wir haben gerade freie Kapazitäten, sagen wir nicht nein.

IKZ-HAUSTECHNIK: In welcher Position sehen Sie ihr Unternehmen im Markt?

Heinz-Bernd Viegener: Wir sind der weltgrößte Metallpressfittinghersteller und nehmen damit eine marktführende Position im Bereich der Rohrverbindungstechniken ein.

IKZ-HAUSTECHNIK: Befindet sich Viega weiterhin auf Wachstumskurs?

Heinz-Bernd Viegener: Aber ja. Schwerpunkte sind einerseits Deutschland und Europa, wo wir traditionell etabliert sind und die osteuropäischen Zukunftsmärkte. Andererseits forcieren wir die Zukunftsmärkte in Amerika und Fernost. Dort geht es ebenfalls aufwärts und wir verfügen bereits über Tochtergesellschaften.

Heinz-Bernd Viegener: "Viega setzt auf qualitativ hochwertige Erzeugnisse und Innovationen in allen Unternehmensleistungen. Um die Zufriedenheit der Endgebraucher zu sichern, bedarf es auch qualifizierter Fachhandwerker. In den Meisterbetrieben heutiger Prägung wird dieser Anspruch erfüllt."

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Produkte stehen dabei im Mittelpunkt?

Walter Viegener: Vorrangig Rohrverbindungstechnik und Rohrsysteme. Daneben spielen aber auch Entwässerungstechnik sowie Vorwand- und Spülsysteme eine Rolle.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sie wollen demnach speziell im Exportgeschäft weiter wachsen. Wo liegt der Exportanteil heute und wo würden Sie ihn gerne sehen?

Heinz-Bernd Viegener: Derzeit liegt der Exportanteil bei ca. 30 Prozent. Wir beabsichtigen eine Steigerung auf etwa 50 Prozent.

IKZ-HAUSTECHNIK: Setzen Sie dabei ausschließlich auf die bisherigen Geschäftsfelder?

Walter Viegener: Zunächst ja, aber für die Zukunft sind neue Geschäftsfelder - wenn sie zu Viega passen - auch nicht auszuschließen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Demnach bleibt es für Viega im Wesentlichen bei Produkten "in der Wand".

Heinz-Bernd Viegener: Wenn man Gebäude betrachtet, ja. Aber denken Sie auch an die Design-Produkte wie den Geruchverschluss Eleganta und die Visign-Linien der Betätigungsplatten unserer UP-Spülkästen. Sie machen uns für Konsumenten sichtbarer und stärken die Marke Viega vor Ort, was wir auch weiter forcieren werden. Darüber hinaus sind wir im Bereich der Installationstechnik für Industrieanlagen und Schiffsbau tätig. Aber wir streben beispielsweise keine Sanitärkeramik-, Duschabtrennungs- oder Zulaufarmaturenfertigung an.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sind weitere Produktinnovationen aus dem Hause Viega in Kürze zu erwarten?

Walter Viegener: Mit Geopress haben wir gerade bewiesen, dass unsere Innovationsstärke für echte Überraschungen gut ist. Geopress ist das erste System mit Pressverbindern für erdverlegte Polyethylenrohre im Versorgungsbereich.

IKZ-HAUSTECHNIK: Für welche Medien und in welchen Dimensionen wird das Produkt angeboten?

Heinz-Bernd Viegener: Für Trinkwasser und Gas zunächst bis 63 mm. Dimensionen bis 90 mm sind in Vorbereitung.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie organisieren Sie den Bereich Forschung und Entwicklung?

Walter Viegener: Grundlage für unsere Forschungs- und Entwicklungstätigkeit sind klar strukturierte Geschäftsfelder, die wir strikt prozessorientiert führen - von der neuen Idee bis zur Bereitstellung. Unsere beiden Forschungs- und Entwicklungszentren sind quasi die Denkstube für Produktinnovationen. Dort ist die Ausrichtung aller Viega-Erzeugnisse nach gesetzlichen Vorgaben und das Erfüllen von Zulassungskriterien eine Selbstverständlichkeit. Wenn ich "Denkstube" sage, steht aber noch etwas anderes im Vordergrund: Nämlich Praxisorientierung und Kundennähe als zentrale Werte, die wir schon in der frühen Phase der Produktentwicklung berücksichtigen, damit das Ergebnis Markenqualität hat.

IKZ-HAUSTECHNIK: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland sind derzeit sehr schwierig. Was muss Ihrer Meinung nach geschehen…

Walter Viegener: …endlich die längst fälligen Reformen umsetzen! In Deutschland ist genug geredet worden. Taten sind überfällig. Steuer- und andere Abgabelasten müssen dringend gesenkt werden. Wenn Gewerbetreibende mit immer neuen Abgaben und Vorschriften konfrontiert werden, darf man sich nicht wundern, wenn viele Unternehmer Deutschland den Rücken kehren. Die Unternehmen müssen in ihren Handlungen wieder freier werden, um bereit zu sein, vorrangig in Deutschland zu investieren.

IKZ-HAUSTECHNIK: Im Rahmen der Agenda 2010 möchte die Bundesregierung die Handwerksordnung erneut novellieren. Der Meisterbrief steht dabei zur Diskussion. Was hält ein Hersteller technisch anspruchsvoller Produkte von solchen Überlegungen?

Heinz-Bernd Viegener: In kaum einem anderen Land bewegt man sich im Baubereich auf einem so hohen technischen Stand wie in Deutschland. Wie bereits erwähnt, setzt Viega auf qualitativ hochwertige Erzeugnisse und Innovationen in allen Unternehmensleistungen. Um die Zufriedenheit der Endgebraucher zu sichern, bedarf es auch qualifizierter Fachhandwerker. In den Meisterbetrieben heutiger Prägung wird dieser Anspruch erfüllt. Auch ein Geselle, der fünf Jahre in verantwortlicher Position tätig war, hat sicher die praktische Qualifikation, doch ob er einen Betrieb mit allen Konsequenzen führen kann, vermag ich nicht zu beurteilen. Was noch schwerer wiegt, ist die Frage nach der zukünftigen Ausbildung neuer Mitarbeiter. Schon heute bildet das SHK-Handwerk erheblich weniger Nachwuchs aus. Ob in Gesellen-Unternehmen überhaupt ausgebildet werden darf, ist noch offen. Die Zahl der Auszubildenden könnte sich noch weiter verringern, und letztlich könnte der Inhalt der Ausbildung Schaden nehmen. Für uns als Hersteller anspruchsvoller Produkte hat sich die Meisterbetrieb-Lösung bewährt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie halten Sie es bei Viega mit der Ausbildung?

Walter Viegener: Ausbildung hat bei uns eine lange Tradition. Wir bilden seit Anfang der 30er-Jahre aus und haben in konjunkturell schwierigen Zeiten oft über den eigenen Bedarf hinaus Lehrstellen geschaffen, um jungen Leute eine Perspektive zu geben. Der Stand der jüngeren Vergangenheit liegt konstant bei 150 Azubis in fünfzehn verschiedenen Berufen. Die Übernahmequote nach erfolgreich abgeschlossener Lehre beträgt übrigens genauso konstant fast 99%. Ausbildung sehen wir als eine der wichtigsten Zukunftsinvestitionen und nehmen sie entsprechend ernst. Nicht zuletzt deshalb hatten wir im Juni dieses Jahres ganz besonderen Grund zur Freude. Daniel Roller, einer unserer Auszubildenden in Großheringen, hat bei der Berufsweltmeisterschaft in St. Gallen den 1. Preis im Berufsbild Polymechaniker errungen. Darauf sind wir stolz, denn es beweist, dass wir auch auf dem Gebiet der Ausbildung führend sind.


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