IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 18/2003, Seite 49 f


REPORT


Jedem Nutzer sein Wunschklima

Mit hybrider Lüftung zu mehr Komfort bei geringerem Energieverbrauch

Forscher am Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Holzkirchen sind in Zusammenarbeit mit Industriepartnern der idealen Arbeitsumgebung ein Stück näher gerückt. Nicht nur das Raumklima, also Raumlufttemperatur, -feuchte und -qualität müssen stimmen, sondern auch Raumakustik, Beleuchtung und Sonnenschutz. Ganz wichtig sind Fenster zum Öffnen. Die "Hybride Lüftung" kommt diesen Anforderungen derzeit am nächsten. Im Rahmen eines Verbundprojektes wurden Einzelsysteme, bestehend aus Klimasegel, Licht- und Beschattungstechnik sowie automatisierter Fensterlüftung logisch miteinander verknüpft und auf eine Raumautomation aufgeschaltet. Ein Novum: Der Nutzer kann sich sein Wunschklima einstellen; die Automatik sorgt im Hintergrund weiterhin für die notwendige Sicherheit und minimiert den Energieeinsatz.

Messraum "Hybride Lüftung" im Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Holzkirchen mit abgehängtem Klimasegel, aufgesetztem Umluftkühl-/Heizgerät sowie integriertem Lichtsystem. Am Schreibtisch sitzend der Behaglichkeits-Dummy "DRESSMAN", auf der Schreibplatte ein Behaglichkeitssensor zur Regelung des individuellen Raumklimas.

Die Akzeptanz von Raumklimaanlagen hat sich in den letzten Jahren durch die Entwicklung komfortabler Systeme wesentlich verbessert. Dennoch gibt es selbst an hochwertig ausgestatteten Arbeitsplätzen immer noch Klagen. Deren Ursachen resultieren meist aus der unzureichenden Abstimmung von Licht, Sonnenschutz, Heizung bzw. Kühlung und Lüftung. Oft kommen auch noch raumakustische Probleme hinzu. Durch den Trend zu Bauteiltemperiersystemen und dem damit verbundenen Verzicht auf abgehängte Decken hat die "Halligkeit" in Büros zum Teil unangenehme Formen angenommen. Hinzu kommt, dass jedes Gewerk bislang seine eigene Regelstrategie verfolgt, was zu Fehlfunktionen führen kann. Gewerke übergreifende Regelstrategien zur Optimierung des Raumkomforts bei minimalem Energieeinsatz für Raumklima und Beleuchtung sind bislang eher die Ausnahme.

Der hybrid belüftete Musterarbeitsplatz am Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Holzkirchen besteht aus folgenden Einzelkomponenten:

- Klimasegel als abgehängtes Deckenelement mit Heiz-/Kühlfunktion sowie einem in die Decke integrierten Umluftheiz-/Kühlsystem zur schnellen Anpassung der Heiz-/ Kühlleistung an den tatsächlichen Bedarf. In Kombination mit Betonkerntemperierung sind somit Kühllastdichten bis zu 100 W/m2 Bürofläche beherrschbar. Ein wichtiger Zusatznutzen des abgehängten Deckensegels ist die Schallabsorption, eine in Gebäuden mit Betonkerntemperierung wichtige Funktion, um die Nachhallzeit zu verkürzen und damit die raumakustische Qualität zu verbessern;

- Sonnenschutzeinrichtung mit den Funktionen Hitzeschutz, Blendschutz, Tageslichtversorgung und Sichtverbindung nach außen. Durch die besondere Gestaltung der neuartigen Genius Lamelle lässt sich sowohl die Kühllast mindern als auch der Anteil von Kunstlicht im Innenraum wirkungsvoll senken - wichtige Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Klimatisierung. Zudem wird den ergonomischen Anforderungen an moderne Büroarbeitsplätze Rechnung getragen. Eine LonWorks- oder EIB-Schnittstelle erlaubt die Einbindung in ein übergeordnetes Raummanagement bzw. die Koppelung mit einem Lichtmanagement;

- automatisiertes Fensterlüftungssystem für einen kontrollierten, natürlichen Luftaustausch sowie zur gezielten Nachtauskühlung. Die Lüftungsfunktion und die Witterungssensorik sind im Fensterantrieb integriert, der anstelle des Drehgriffs montiert wird und das Fenster über den Beschlag bewegt. Die Kommunikation mit der übergeordneten Raumautomation bzw. der Gebäudeautomation erfolgt über ein Lon Works Gateway;

- integriertes Raumautomationssystem für alle Gewerke.

Visualisierung der Messergebnisse am PC.

Zur Absicherung der Behaglichkeitsparameter, wie Raumlufttemperatur, Temperatur des Deckensegels und Luftgeschwindigkeit am Arbeitsplatz, wird ein vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik entwickelter intelligenter Behaglichkeitssensor (künstliche Haut) eingesetzt. Für die Langzeitmessungen im IBP-Labor kommt das nach objektiven Kriterien arbeitende Behaglichkeitsmessgerät "DRESSMAN (Dummy Representing Suit for Simulation of Human Heatloss)" zum Einsatz.

Damit der Nutzer bei der Vielzahl an Einstellmöglichkeiten nicht die Übersicht verliert, werden alle Bedienfunktionen auf einem zentralen Raumbediengerät zusammengefasst. Innerhalb bestimmter Bandbreiten kann der Nutzer sein gewünschtes Raumklima damit selbst bestimmen.

Nach Beendigung der Testphase unter Laborbedingungen wird das Gewerke übergreifende Raumklimatisierungskonzept "Hybride Lüftung" am Office Innovation Center Stuttgart (OIC) im Praxisbetrieb über einen Zeitraum von mehreren Monaten getestet.


Konsortium "Innovative hybride Lüftung für Büroräume"

Das Verbundprojekt "Hybride Lüftung" wurde im Rahmen des europäischen Forschungsprojektes "Hybrid Ventilation in New and Retrofitted Office Buildings" der Internationalen Energieagentur (IEA), Annex 35, aufgelegt. Dem Konsortium gehören folgende Unternehmen an:


Das Fachwort: "Hybride Lüftung"

Hybrid bedeutet laut Duden "von zweierlei Herkunft, zwitterhaft". Übertragen auf eine Raumluftanlage versteht man unter "Hybrider Lüftung" die Kombination von natürlicher, "freier" Lüftung über ein automatisiertes Fenster mit einem mechanischen Lüftungssystem. Da beide Systeme Vor- und Nachteile aufweisen - im ungünstigsten Fall können sie auch gegeneinander arbeiten - müssen die Systeme so miteinander verknüpft werden, dass sich die Vorteile summieren. Ziel der hybriden Lüftung ist primär die Minimierung von Heiz- und Kühlenergie sowie der elektrischen Antriebsenergie für Ventilatoren und Pumpen. Eine zusätzliche Senkung des Energieeinsatzes ist durch eine logische Verknüpfung der hybriden Lüftung mit den Einrichtungen für Sonnenschutz, Tageslicht und Beleuchtung möglich. Ungeachtet der individuellen Wahlmöglichkeiten des Nutzers müssen alle sicherheitsrelevanten Parameter der einzelnen Systeme, wie beispielsweise Sturm- und Regensicherung, das mechanische Verriegeln der Fenster zu definierten Zeiten oder der Schutz des Gebäudes vor Auskühlung bzw. Überhitzung, eingehalten werden.


[Zurück]   [Übersicht]   [www.ikz.de]