IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 18/2003, Seite 32 ff.


INTERVIEW


Einstieg in den Contractingmarkt

Kooperation zwischen den Stadtwerken und der SHK-Innung im Kreis Neuss

In enger Zusammenarbeit betreiben die Stadtwerke Neuss und die SHK-Innung Kreis Neuss seit April 2002 ein Contracting-Modell (Wärmelieferung). Zur Zeit werden über diesen "WärmeServiceNeuss" (WSN) mehr als 240 Endkunden mit Wärme und Warmwasser beliefert - Tendenz steigend. Redakteur Detlev Knecht sprach mit hochrangigen Vertretern aus Innung, Kreishandwerkerschaft und Stadtwerke über den strukturellen Aufbau und die Hintergründe der Kooperation.

IKZ-HAUSTECHNIK: Jedes neue Produkt verlangt eine vorherige Markt- und Zielgruppenanalyse. Welche Kunden sprechen Sie mit dem Wärmeservice an?

WSN: Wir bieten den Wärmeservice für unser Tarifkunden-Segment an. Das heißt Ein- und Mehrfamilienhäuser mit bis zu 24 Wohneinheiten. Dafür haben wir als Stadtwerke Neuss zusammen mit der SHK-Innung Kreis Neuss standardisierte Contracting-Verträge entwickelt. Standardisiert deshalb, um das gesamte Konzept so einfach wie möglich zu halten. Herausgekommen sind drei Varianten: Bestand, Sanierung, Neubau.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Art von Leistungen bzw. Materialien/Produkte umfasst ein solcher Vertrag?

WSN: Grundsätzlich bezieht der Kunde das Produkt "Wärme". Um die Technik kümmern wir uns. Das heißt, bis zu einem bestimmten Wärmeübergabepunkt - meist den Hauptabsperrungen der Heizungsanlage - hat der Kunde mit dem Wärmeerzeuger, der Gasversorgung einschließlich aller Rohrleitungen und Armaturen nichts zu tun.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie lange läuft ein solcher Contracting-Vertrag?

WSN: Bei der Sanierung und beim Neubau - also bei Neuanlagen - sind es 15 Jahre. Bei dem Kauf einer bereits vorhandenen Anlage richtet sich die Vertragsdauer nach dem Alter des Kessels. Wir rechnen auch hier mit einer Lebensdauer von 15 Jahren. Ist der Wärmeerzeuger beispielsweise seit sieben Jahren in Betrieb, würde der Vertrag weitere acht Jahre laufen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie wird mit dem Kunden eine solche Anlage abgerechnet?

WSN: Das ist für den Kunden ganz einfach: Er zahlt für die Vertragslaufzeit einen vorher vereinbarten Preis in Form von Monatspauschalen, der sich aus einem Grundpreis und einem Arbeitspreis - auch Wärmepreis genannt - zusammensetzt. Der Arbeitspreis fällt für die reine Energie an, der Wärmegrundpreis enthält die Investitionskosten, alle Wartungen, mögliche Reparaturen und Verzinsungen. Auch die Gaszählermiete ist im Preis enthalten.

IKZ-HAUSTECHNIK: Da haben Sie ein wichtiges Stichwort gegeben: Der Gaszähler. Für welche Energiearten bieten Sie den Wärmeservice an? Nur für Gas oder auch für Heizöl, Fernwärme oder Strom?

WSN: Anfangs sollte sich der Wärmeservice nur auf Erdgas beschränken. Doch nachdem sehr viele Ölkunden Interesse signalisiert hatten, haben wir nun auch Heizölanlagen mit aufgenommen. Den Einkauf von Heizöl übernimmt jedoch der Kunde selbst. Für ihn fällt also nur der Grundpreis an. Die Energieart Strom wird nicht angeboten, Fernwärme nur in ganz wenigen Fällen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie teilen sich die Verträge zwischen Ein- und Mehrfamilienhäuser auf?

WSN: Etwa 10 Prozent der Contracting-Verträge sind im Mehrfamilienhaus zu finden, der Rest, also 90 Prozent, werden von Eigenheimbesitzern nachgefragt. Die weitere Aufteilung sieht so aus, dass rund 75 Prozent auf die Sanierung, 20 Prozent auf den Verkauf von vorhandenen Anlagen und 5 Prozent auf den Neubau entfallen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Kommen wir zu einem anderen Thema, das das installierende Handwerk betrifft: Wie sieht die Preisgestaltung zwischen dem Fachhandwerk und den Stadtwerken Neuss aus?

WSN: Gemeinsam haben die Stadtwerke und die Innung ein umfangreiches Leistungsverzeichnis erstellt. Da finden sich also im LV Positionen wie Demontage und Montage von Warmwasserspeicher, Kessel und Rohrleitung, die Kaminsanierung, Kondensatableitung mittels Pumpe oder eine Solaranlage für die Warmwasserbereitung. Hinter den einzelnen Bedarfspositionen verbergen sich Preise, die dann an den Handwerker gezahlt werden, wenn ein Auftrag ausgeführt wird. Diese Preise sind mit den Stadtwerken und der Innung ausgehandelt.

Sie nahmen an dem Gespräch mit der IKZ-HAUSTECHNIK teil und standen Rede und Antwort:
- Heinz Runde, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke Neuss
- Roland Gilges, Leiter Abteilung Contracting bei den Stadtwerken Neuss
- Paul Neukirchen, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Kreis Neuss und Geschäftsführer der SHK-Innung Kreis Neuss
- Hermann-Josef Cleve, Vorstandsmitglied der SHK-Innung Kreis Neuss. Er war vonseiten des Handwerks maßgeblich an der Vertragsgestaltung zwischen Innung und Stadtwerken beteiligt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Schauen wir auf den Wärmeerzeuger, der sicherlich den größten finanziellen Anteil in jedem Leistungsverzeichnis ausmacht. Je nach Hersteller sind da gravierende Preisunterschiede im Einkauf möglich. Kann der Kunde das Fabrikat frei wählen oder konzentrieren Sie sich ausschließlich auf ein bestimmtes Fabrikat, das Sie vorschreiben?

WSN: Weder das eine noch das andere. Der Endkunde kann zwischen den vier Herstellern Buderus, Viessmann, Vaillant und Junkers wählen. Da sich deren Qualität und Preise nicht wesentlich voneinander unterscheiden, kommt es auch nicht zu erheblichen Schwankungen im Angebotspreis. Bisher haben wir mit dieser Regelung keine Probleme gehabt, weil ja die vier Hersteller ein hohes Image in der Bevölkerung genießen. Dennoch sind vereinzelt Fabrikatsänderungen seitens des Fachhandwerks bzw. der Endkunden aufgekommen, auf die wir nach individueller Abstimmung eingehen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie wird eine Wartung mit dem Handwerker abgerechnet? Und, vielleicht sogar viel wichtiger, wie wird der Preis bei einer Reparatur festgelegt?

WSN: Für die Wartung existiert ein Festpreis, den der Handwerker den Stadtwerken in Rechnung stellt. Dieser Preis ist zwischen der Innung einerseits und den Stadtwerken Neuss andererseits im Vorfeld ausgehandelt worden. Im Gegensatz zu einer Wartung lässt sich der Reparaturfall natürlich nicht vorher kalkulieren. Dann stellt der Fachhandwerker eine Rechnung über die geleistete Arbeit aus, die er - ganz wichtig - nicht dem Endkunden, sondern den Stadtwerken einreicht. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass durch dieses Contracting-Modell die Schwarzarbeit abnimmt. Denn die Wartung liegt nun in den Händen des Fachhandwerks.

Für das "Produkt" Wärmelieferung gibt es für die drei Fälle Kauf, Sanierung, Neubau jeweils einen Vertrag mit sich unterscheidenden Leistungsverzeichnissen und Preisen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Kann sich jeder SHK-Handwerksbetrieb dem Wärmeservice Neuss anschließen?

WSN: Nein. Da es sich hier um eine Kooperation mit der SHK-Innung Kreis Neuss handelt, können auch nur angeschlossene Betriebe mitmachen. Inzwischen haben sich von rund 200 Innungsbetrieben mehr als 80 Firmen das Contracting-Modell auf die Fahnen geschrieben. Jedes einzelne Innungsmitglied entscheidet für sich, ob es beim Wärmeservice mitmachen möchte oder nicht. Eine Zwangsmitgliedschaft gibt es nicht.

IKZ-HAUSTECHNIK: Hat der Handwerker den Stadtwerken Neuss gegenüber finanzielle Verpflichtungen, wenn er sich dem Konzept anschließt?

WSN: Nein. Weder in Form einer einmaligen Aufnahmegebühr, noch in Form von monatlichen Mitgliedsraten. Eine Teilnahme ist völlig kostenlos. Der Fachhandwerker muss sich lediglich verpflichten, eine ordentliche Arbeit abzuliefern. Aber das wird ja von jedem Kunden erwartet.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wer entscheidet im Falle einer Vertragsunterzeichnung, wer von den 80 angeschlossenen Fachhandwerkern den Auftrag über die Anlage erhält?

WSN: Das entscheidet ausschließlich der Endkunde. Hat er bereits einen Fachhandwerksbetrieb, der die regelmäßige Wartung übernimmt, wird sicher seine Wahl auf ihn fallen. In dem anderen Fall, wenn also der Kunde keinen favorisierten Handwerker hat oder sein Wunschunternehmen nicht an dem Modell Wärmeservice teilnimmt, erhält der Kunde eine Liste aller beteiligten Unternehmen, nach der er dann seine Wahl trifft. Oft sitzt das Unternehmen in seiner unmittelbaren Nähe.

IKZ-HAUSTECHNIK: Stadtwerke und SHK-Innungen leben friedlich nebeneinander, solange der Energieversorger nicht in Handwerksleistungen eindringt. Das ist aber hier der Fall, obschon eine Kooperation vorliegt. Kritiker könnten zynisch bemerken, dass Sie als Innung mit den Stadtwerken eine Zwangsehe eingegangen sind. Schließlich wird dem Handwerksbetrieb ein Stück unternehmerische Bewegungsfreiheit genommen.

WSN: Wir Fachhandwerker der Innung haben als Partner im Wärmeservice ja nun nicht ausschließlich in diesem Segment zu tun. Unser Betätigungsfeld ist eher noch erweitert, weil auch Aufträge über das Contracting-Modell generiert werden. Wichtig auch der Umstand, dass die Abrechnungspreise feststehen, während bei der individuellen Auftragsverhandlung beim Kunden Preisnachlässe möglich sind. Beim Contracting gibt es so etwas aber nicht. Zudem sind für eine Laufzeit von 15 Jahren die jährlichen Wartungen gesichert.


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