IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 15/2003, Seite 3


EDITORIAL


Mit Vollgas rückwärts

Ob Wärmeerzeuger oder Duschabtrennungen, Armaturen oder Sanitärkeramik: Der deutsche SHK-Markt ist auf Talfahrt. Beispiele gefällig? 2002 wurden im Vergleich zu 1996 in Deutschland rund ein Drittel weniger Wärmeerzeuger und Sanitärkeramik verkauft; in den vergangenen zweieinhalb Jahren verbuchte die Armaturenindustrie im Inland lt. VDMA ein Minus von 21 Prozent (siehe auch Seite 54 ff). So oder ähnlich sieht es auch bei anderen Produktgruppen aus.

Diese Zahlen allein betrachtet lösen bereits ein mulmiges Gefühl in der Magengegend aus. Erst recht dann, wenn man sie im Zusammenhang mit anderen Teilaspekten des SHK-Marktes sieht. So bedurfte es lediglich eines Zeitraumes von vier Jahren, um den Anteil der über die Profischiene vertriebenen Handbrausen von 46 Prozent auf 32 Prozent einbrechen zu lassen. Erschwerend kommen ein kontinuierlicher Preiskampf nach dem Motto "Geiz ist geil" sowie neuere Vertriebskanäle wie etwa Discounter oder Internetmarktplätze hinzu. Nicht zuletzt sorgen die schlechten Zahlen bei den Neubauten und die Diskussionen um die Streichung der Eigenheimzulage für Kaufzurückhaltung der Konsumenten.

Insgesamt betrachtet ein wirtschaftliches Umfeld, das einer Katastrophe sehr nahe kommt. Zumal parallel die Importe aus Ländern mit billigster Produktion teilweise stark steigen und auch das Exportgeschäft, mit dem sich so mancher einheimischer SHK-Produzent seit geraumer Zeit über Wasser gehalten hat, ebenfalls ins Wanken gerät.

Vor diesem Hintergrund sind Discountanbieter von Armaturen und Internet-Marktplätze mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Sind die Discounter die Gewinner beim Brausenverkauf, so finden sich im Internet bei ebay.com mittlerweile Produkte aller Markenhersteller. Teilweise zu Preisen, die dem SHK-Handwerksunternehmer Tränen in die Augen treiben, denn die zu verzeichnenden Preisunterschiede zu seinen Offerten lassen sich gegenüber den Konsumenten nicht mehr rechtfertigen. Selbst wenn auf diesem Marktplatz zur Zeit noch keine großen Umsätze getätigt werden, ist der Schaden enorm. Die Augen davor zu verschließen, könnte für den schwerkranken Patienten "professioneller Vertrieb" schlussendlich den Todesstoß bedeuten.

Für die SHK-Profis aus Industrie, Handel und Handwerk kein schöner Gedanke. Aber sagt nicht ein altes deutsches Sprichwort "Gefahr erkannt, Gefahr gebannt"? Damit ist allerdings nicht gemeint, die bloße Kenntnis über Sachverhalte sei die Lösung der Probleme. Vielmehr beinhaltet der Spruch den Gedanken, bei Kenntnis eines Problems handlungsfähig zu sein und nicht blind ins Verderben zu laufen. Eben diese Handlungsfähigkeit ist jetzt gefragt. Wenn wirklich alle Beteiligten den professionellen Vertriebsweg auch zukünftig beibehalten wollen, dann gilt es zu handeln und sich schnellstmöglich auf die veränderten Marktbedingungen einzustellen. Auch mit der Maßgabe, dass man den "Rosinenpickern" die Unterstützung entzieht. Und zwar unabhängig davon, auf welcher Vertriebsebene sie zu finden sind. Sonst wird aus einer mehr oder weniger kontrollierten Rückwärtsfahrt möglicherweise ein freier Fall.

Wie sagt der deutsche Soziologe, Wirtschaftswissenschaftler und FDP-Politiker Prof. Dr. phil. Sir Ralf Dahrendorf: "Der Kern der Marktwirtschaft liegt darin, dass sie eben kein System ist. Wer sie zum System zu erheben versucht, schafft selbst eine Ideologie, die genauso zerstörerisch ist wie der Sozialismus."

Günther Klauke
Chefredakteur IKZ-HAUSTECHNIK

 


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