IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 14/2003, Seite 3


EDITORIAL


Über Propheten und Schmusekursakrobaten

Der Streit um die Liberalisierung der Handwerksordnung spitzt sich zu, die Bataillone rollen aufeinander zu: CDU/CSU und FDP kontra SPD und Bündnis 90 / Die Grünen. Vertreter der Opposition werfen der Regierung vor, sie wolle das Handwerk zerschlagen und kündigten erbitterten Widerstand an. Der Reform muss der unionsdominierte Bundesrat zustimmen. Doch es kommt Bewegung auf: Frau Merkel korrespondiert mit dem Bundeskanzler, Herr Glos mit dem Wirtschaftsminister Clement.

Das SHK-Handwerk macht bundesweit mobil, wohl wissend, dass diplomatische Zurückhaltung und Schmusekurs-Mentalität mit Minister Clement nichts mehr bringen: Wer jetzt nicht aufsteht, dem bleibt das Sitzenbleiben. Die Verbandsvertreter sind ebenfalls auf der Spur.

Die Bundesregierung hofft mit der Reform der Handwerksordnung (weitere Ausführungen dazu finden Sie auf Seite 48 ff in dieser Ausgabe der IKZ-HAUSTECHNIK) auf einen Gründungsboom, auf neue Arbeitsplätze, mehr Lehrlinge und weniger Arbeitslosigkeit.

Der Vorsitzende der Monopolkommission, Martin Hellwig, glaubt sogar, dass die Zerschlagung der Handwerksordnung rd. 1 Mio. neuer Jobs schaffen wird. Ich frage mich: Was ist dieser Mann für ein Träumer?

Die staunende Öffentlichkeit wird glauben gemacht, dass die Reform der Handwerksordnung das Allheilmittel zur Gesundung der deutschen Wirtschaft sei.

Bei allem Respekt, sehr geehrter Herr Minister Clement, glauben Sie wirklich an diese Heilsversprechungen? Das sind doch nur zweifelhafte Hoffnungen, die gehen doch völlig an der Wirklichkeit vorbei.

1 Mio. neuer Arbeitsplätze im Handwerk? Wo sollen denn bitte schön die Aufträge für diese Menschen herkommen? Wo wollen Sie neue Kunden finden, die in unsicheren Zeiten Geld für handwerkliche Leistungen aufbringen?

Die Menschen haben Angst, sie haben Zukunftsängste. Deshalb haben wir einen dramatischen Nachfragerückgang, und das sagen nicht nur Verbandsvertreter, das können die Unternehmer bezeugen, wie es in ihren Betrieben, auch in der SHK-Branche, aussieht. Die Menschen haben keine Hoffnung mehr, weil sie kein Vertrauen mehr in die Bundesregierung haben - kein Vertrauen mehr!

Mit den Berufen des Installateur- und Heizungsbauer-Handwerks sowie des Klempners bleiben die großen SHK-Handwerke nach wie vor als Vollhandwerke in der sog. Anlage A der Handwerksordnung - doch gezählt wird erst zum Schluss.

Der Kampf beginnt erst, auch um die Erhaltung der Apparate- und Behälterbauer als Vollhandwerk.

Doch es gibt mehr und mehr Zweifel an der Richtigkeit des Regierungsvorhabens in den Reihen der SPD. Hier setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass eine massive Aushöhlung des Meisterbriefes und eine ungeregelte Zulassung handwerklicher Teiltätigkeiten durch das sog. "Kleinunternehmergesetz" Ausbildung und Nachhaltigkeit im Handwerk gefährden.

So haben die SPD-geführten Bundesländer Schleswig-Holstein und ganz aktuell Mecklenburg-Vorpommern gleichlautende Anträge an den Bundesrat verabschiedet, in denen sowohl das sog. "Kleinunternehmergesetz" wie auch die große Novelle der Handwerksordnung abgelehnt werden.

Somit wächst die Chance, eine Zerschlagung wichtiger handwerklicher Strukturen in den kommenden Wochen zu vereiteln.

Diese wachsenden Zweifel in der SPD sind nicht zuletzt ein Erfolg zahlreicher Initiativen von Handwerksorganisationen in den Ländern und vor Ort, die in den vergangenen Wochen "ihre Abgeordneten intensiv informiert und vor den Gefahren der Regierungsentwürfe gewarnt haben".

Ich möchte Sie deshalb ausdrücklich ermuntern, mit der Pflege der Abgeordneten des Bundestages und der Länder in den kommenden Wochen fortzufahren und die Besuche noch zu intensivieren.

Die Argumente Ausbildung und Nachhaltigkeit, neben dem Kriterium der Gefahrengeneigtheit, greifen bei den Abgeordneten der Regierungsparteien.

Was soll der Wahnsinn, dass angesichts der sich abzeichnenden Lehrstellenkrise ausgerechnet in dieser Situation wichtige Strukturen der Ausbildung zerschlagen werden?

Denn eins steht fest: Die sog. "Ich-AGs" schaffen keine Arbeitsplätze und erst recht keine Ausbildungsplätze. Wachstum, Beschäftigung und Ausbildung können nur von stabilen Betrieben garantiert werden. Melden Sie sich auf der Website www.jazummeisterbrief.de, wo jeder Handwerksunternehmer Argumentationsunterlagen und zusätzliche Informationen findet.

Dem Düsseldorfer Handwerkspräsident, Prof. Schulhoff, ist nur zuzustimmen, wenn er formuliert: Gott schütze das Handwerk - vor Propheten unbewiesener Paradiese und den Dosenpfandideologen in diesem Land, von denen wir viel zu viele haben.

Dr. Hans-Georg Geißdörfer
Hauptgeschäftsführer
Fachverband Sanitär Heizung Klima
Nordrhein-Westfalen


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