IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 8/2003, Seite 51 ff.


KLIMATECHNIK


Wohl und Wehe der Wohnungslüftung

Dipl.-Ing. (FH) Oliver Solcher*

Jede 5. sanierte Wohnung in Deutschland weist einen Schimmelbefall aufgrund unzureichender Lüftung auf, Tendenz steigend! Diese Gebäude wurden nach den Regeln der Technik modernisiert: Sie weisen eine Fassadendämmung auf, haben neue Fenster, Wärmebrücken wurden eliminiert, die Gebäude sind dicht. Und trotzdem Schimmel. Schimmel aufgrund von nicht abgeführter Feuchtigkeit - von unzureichender Lüftung. Mangelhafte Lüftung heißt hier: Planungsfehler, Ausführungsfehler, falsch genutzt, nicht gewartet oder die Lüftung beim Sanierungskonzept schlichtweg weggelassen. Dieser Artikel beschäftigt sich deshalb mit den Lüftungsbedürfnissen von Mensch und Gebäude und mit den Schwierigkeiten, ein funktionierendes Lüftungssystem in Wohngebäude zu integrieren.

Die Einflussgrößen auf die Wohnungslüftung: Das richtige Zusammenspiel gewährleistet die Funktion.

Wohnungslüftung ist ein komplexes System, das nur dann zur Zufriedenheit aller funktionieren kann, wenn die Zusammenhänge von allen Beteiligten begriffen werden. Das System der Wohnungslüftung kann, wie Bild 1 zeigt, in drei Ebenen unterteilt werden. Nur wenn schon auf der ersten Ebene alle Parameter richtig erfasst, kommuniziert und umgesetzt werden, kann das System funktionieren. Die Zusammenhänge, Probleme und Auswirkungen auf die Wohnungslüftung sollen im Folgenden näher erläutert werden.

Leider häufig anzutreffen: Die Lüfteranbindung aus Flexrohr ist geknickt. Mit diesem verminderten Querschnitt ist der im Ausblasrohr geknebelte Lüfter natürlich sehr laut.

System Gebäude

Das Gebäude mit der Haustechnik (wie Heizung und Lüftung), die Gebäudenutzer und deren Nutzungsverhalten und die Umwelt (wie Wind, Temperatur und Luftfeuchte) bilden ein System, das aufeinander abgestimmt werden muss. Der Nutzer steht mit seinen Bedürfnissen nach einer sauberen, gesunden Frischluft im Zentrum. Im Standardfall, d.h. in einer Mietwohnung, wird der Mieter jedoch keinerlei Verantwortung übernehmen. Die Haustechnik muss funktionieren. Für die immer noch weit verbreitete Fensterlüftung heißt das jedoch auch, dass der Mieter die Fenster genauso häufig öffnet wie vor der Sanierung, nämlich gar nicht. Vorher war das Gebäude undicht und es stellte sich eine ausreichende, freie Lüftung über die Fugen ein. Diese Undichtigkeiten werden durch eine Modernisierung beseitigt.

Gebäudedichtheit notwendig

Soll die Lüftungsanlage Sinn machen und funktionieren, muss das Gebäude ausreichend dicht sein, die Bauteilübergänge wärmebrückenfrei gestaltet sein und eine ausreichende Fassadendämmung muss verhindern, dass sich Raumluftfeuchte im Winter auf den Innenwänden niederschlägt. Das installierte Lüftungssystem soll im besten Fall stets den bauphysikalisch und hygienisch notwendigen Luftwechsel energetisch günstig zur Verfügung stellen. Es soll zugfrei, ohne Beeinträchtigung des Nutzers lüften. Das subjektive Empfinden des Nutzers ist jedoch auch hier schwer einzuschätzen. Lüfter werden abgeklemmt, Abluft- und Zuluftöffnungen verschlossen oder verstopft, da der Mieter von dem Nutzen der Anlage nicht überzeugt ist und meint mit seinen Maßnahmen Energie einzusparen. Hier muss eine sehr viel stärkere Aufklärung betrieben werden. Der Mieter darf nicht mit der Anlage allein gelassen werden. Nur wenn er die Anlage versteht und von dem Nutzen überzeugt ist, wird er sie entsprechend der Planung nutzen.

Mit einer Dichtheitsprüfung wird die Ausführung der Gebäudehülle nach den Bauarbeiten ermittelt. Studien der TU Dresden** haben ergeben, dass sich über Gebäudeundichtigkeiten im Mittel nach der Sanierung ein Luftwechsel von 0,1 h-1 ergibt. Bauphysikalisch notwendig ist jedoch ein Luftwechsel zwischen 0,3 und 0,8 h-1. Über die Gebäudehülle allein kann also keine ausreichende Lüftung mehr erreicht werden.

Schön kunstvoll aber ein hoher Widerstand: Verknotete Lüfteranbindung aus Flexrohr. Ganz abgesehen von der an diesem Strang nicht vorhandenen unteren Reinigungsöffnung.

Mangelnde Wartung ist der Regelfall

Genauso unzuverlässig wie beim Lüften verhält sich der Mieter in der Regel, wenn es um die Wartung der Lüftungsanlage geht. Filter werden nicht gewechselt, Reinigungsintervalle nicht eingehalten. Erst wenn die Anlage laut wird oder ausfällt, wird reklamiert. Nur ein Wartungsvertrag oder eine Übertragung der Wartungsarbeiten an den Hausmeister der Wohnanlage wird dauerhaft eine saubere, funktionsfähige Lüftungsanlage gewährleisten.

Umwelteinflüsse

Wind- und Temperaturverhältnisse verändern die Luftströmungen im Gebäude, die auf Druckdifferenzen oder Auftrieb basieren. So kann eine Windrichtungsänderung, eine Änderung des Winddrucks auf der Fassade oder ein starker Unterdruck auf der windabgewandten Gebäudeseite die Volumenströme in Zuluftelementen verändern - bis hin zur Strömungsumkehr.

Die Anbindung des Flexrohres in den Schacht ist hier nicht ausgeführt worden und das Rohr zudem stark gequetscht. Ein ordnungsgemäßes Aufstecken des Lüfters auf das Rohr kann hier nicht gewährleistet werden.

System Ersteller

Architekt, Planer und ausführende Kräfte bilden eine Einheit, von deren korrekter Arbeit die Funktion der Lüftungsanlage abhängt. An erster Stelle stehen der Architekt und der Planer. Sie müssen das System Gebäude begriffen haben und richtige Planungsparameter treffen. Sie müssen die Lüftungsanlage korrekt planen und so in das Gebäude integrieren, dass sie auch funktionieren kann. Die ausführenden Kräfte müssen dann entsprechend der Vorgaben die Lüftungsanlage auch korrekt installieren.

Gravierende Planungsfehler

Doch selbst wenn alle Parameter zur Dimensionierung richtig bestimmt und ein passendes Lüftungssystem ausgewählt wurde, können immer noch genug Fehler gemacht werden, die die Lüftungsmaßnahme aushebeln. Als erstes muss die Anlage so in das Gebäude integriert werden, dass deren Funktion gewährleistet ist. Werden Zuluft-, Abluft- und Überströmräume nicht korrekt definiert, findet u.U. ein Luftstrom von belasteten in weniger belastete Räume statt. Wird z.B. die Abluft nur aus dem Bad abgeführt, werden Küchenwrasen durch den Flur ins Bad ziehen.

Die Durchströmung der einzelnen Räume wird durch die Positionierung der Ab- und Zuluftöffnungen bestimmt. Sie müssen so in den Raum eingebracht werden, dass ein zugfreier Luftaustausch der gesamten Raumluft erfolgen kann. Eine in Türnähe montierte Zu- oder Abluftöffnung wird den Raum nicht ausreichend durchlüften, da sich eine Kurzschlussströmung mit der Überströmöffnung der Tür einstellen wird.

Die geplante Luftströmung kann sich jedoch nur bei einer ausreichenden inneren und äußeren Gebäudedichtheit einstellen. Die Dichtheit der Gebäudehülle wird durch eine Dichtheitsprüfung gewährleistet. Ist jedoch das Gebäude intern undicht, z.B. am Boden-Wand-Übergang oder an den Schächten, so wird es zu ungeplanten Überströmungen zu anderen Gebäudeabschnitten kommen.

Flexrohr zu kurz. Ein korrekter Anschluss ist so nicht mehr möglich. Zudem ist auch hier das Rohr nicht ordnungsgemäß eingeputzt worden.

Für eine funktionierende Lüftungsanlage müssen die Komponenten richtig ausgelegt sein und zueinander passen: Die korrekte Realisierung der Volumenströme, sowohl der Zuluft- als auch der korrespondierenden Abluftmengen wird von der Wahl der Zu- und Abluftelemente, des Kanalnetzes, anderer Komponenten wie Filter und WRG-Einheit und nicht zuletzt von den Ventilatoren abhängen.

Ist eine Abluftanlage mit zu kleinen oder zu wenigen - im schlimmsten Fall keinen - Zuluftöffnungen ausgestattet, ist das Nachströmen von Frischluft nicht gewährleistet, die Lüfter laufen auf einer höheren Drehzahl (Schall) und der Unterdruck im Gebäude ist ggf. höher als die zulässigen 8 Pa (Ausgasen des Kamins).

Eine einzelne Abluftanlage im Bad oder in der Toilette ist z.B. immer gleichzeitig auch eine Wohnungslüftung, da die Zuluft aus den Wohnräumen nachströmt. Hier müssen also in den Zulufträumen entsprechend der Abluftmenge Zuluftelemente integriert werden.

Das Kanalnetz muss nach den geforderten Volumenströmen und der Kennlinie des Ventilators ausgelegt werden. Findet hier keine sorgfältige Berechnung statt, führt das zu falschen Volumenströmen. Hier muss natürlich auch die spätere Ausführung des Kanalnetzes durch den Installateur berücksichtigt werden. Über die Ausführung der Anbindung der Ventilatoren bzw. des Lüftungsgerätes und der weiteren Komponenten muss eine genaue Ausführungsanweisung gegeben werden, die später auf der Baustelle auch kontrolliert werden sollte. Nur dann ist gewährleistet, dass die realen Widerstände der Anlage auch mit den errechneten übereinstimmen.

Lüfter nicht wandbündig eingebaut. Die Fuge wurde zwar verschlossen, von fachgerechter Arbeit kann aber nicht gesprochen werden. Die Abluft kann auch an Blende und Filter vorbei angesaugt werden, Folge: schwarze Spuren an der Wand und ein verschmutzter Lüfter.

Um eine Akzeptanz der Lüftungsmaßnahme zu erreichen, darf der Nutzer nicht beeinträchtigt werden: Er wird sich über inneren Schall (Lüftungsanlage) als auch über laute Geräusche von außen beschweren. Auch kalte oder starke Luftströmungen im Raum wird er als unangenehm empfinden. Nicht entkoppelte Rohrnetze und Lüftungsgeräte übertragen den Körperschall an die Umgebung. Deshalb führen fehlende Schalldämpfer zu Beeinträchtigung durch Anlagengeräusche aber auch durch Schallübertragung zwischen benachbarten Räumen (Telephonie).

Baufehler und deren Abhilfe

Eine weitere entscheidende Schnittstelle im System der Wohnungslüftung stellt der Installateur dar. Seinen Händen obliegt die korrekte Montage und Einregulierung der Lüftungsanlage. Gerade hier werden jedoch immer wieder aufgrund von unzureichender Kenntnis und Nachlässigkeit schwerwiegende Fehler gemacht. Die schnelle Ausführung der Arbeit steht im Vordergrund, leider auf Kosten der Genauigkeit:

Die Liste ließe sich noch verlängern. Eine Einführung der Installateure in die Zusammenhänge der Lüftungs- und Anlagentechnik kann hier helfen. Nur so kann letztendlich gewährleistet werden, dass die Einregulierung der Lüftungsanlage auch erfolgt. Erst durch die Justierung der Zu- und Abluftöffnungen ist deren korrekte Funktion auch gewährleistet.

Ein häufiger Mangel, weil die regelmäßige Wartung vernachlässigt wird: Ein verschmutzter Filter. In diesem Fall jedoch lief während der Bauzeit der Lüfter.

System Investor

Bauherr, Hausverwaltung und Komponentenhersteller sehen ein Gebäude als ein Mittel zur Profitmaximierung an. Sicher spielt auch eine soziale Verantwortung eine Rolle, jedoch muss sich für die Gruppe die Investition finanziell darstellen lassen, sie muss Gewinn abwerfen.

Komponentenhersteller

Das Gewinndenken ist naturgemäß beim Hersteller von Lüftungsanlagen Hintergrund seiner Handlungen. Er berät den Planer und Architekten, den Bauherrn und den ausführenden Betrieb. Das Ziel ist, über den Verkauf und die Installation dauerhaft die Kundenzufriedenheit mit seinem System zu erreichen. Egal ob diese Anlage in dem betreffenden Gebäude Sinn macht oder nicht. Er wird versuchen, das Positive herauszukehren und das Negative unter den Tisch fallen zu lassen. So wird immer wieder von Herstellern von Lüftungsgeräten mit Wärmerückgewinnung gepredigt, nur mit ihren Systemen lässt sich das Niedrigenergiehaus verwirklichen, obwohl sich nachweislich dieselben Primärenergieverbrauchswerte auch mit einer Lüftungsanlage ohne Wärmerückgewinnung erreichen lässt***.

Bauherr

Beim Bauherrn führt dieses kurzfristig angelegte profitorientierte Denken oft dazu, dass die Wohnungslüftung nicht als zwingende Komponente in die Sanierung integriert wird. Die Investitionen sind hoch genug und der Mieter wird schon ausreichend lüften. Eine geringere Investition macht sich aus seiner Sicht schneller bezahlt. Mittelfristig zeigt sich jedoch, dass dieses Denken mit Mehrinvestitionen durch die Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden bezahlt werden muss.

Hausverwaltung

Auch die Hausverwaltung ist für einen reibungslosen Geldfluss in Form von regelmäßigen Mieteinnahmen verantwortlich. Im Fall einer Unterbrechung der Mietzahlungen oder Mietminderung aufgrund von Feuchtigkeitsschäden wird sie den Mieter auf seine Lüftungsverantwortung hinweisen und die korrekte Bauausführung ggf. durch einen Gutachter bestätigen lassen. Der schlecht lüftende Mieter kann zwar nun die Miete nicht mehr mindern, er wird jedoch durch das Gutachten auch nicht mehr lüften als vorher. Beschwerdefreiheit und Mietzahlungen sind in diesem Fall also kein Indiz für eine schadensfreie Wohnung. Die Sanierung ist bis zum nächsten Mieterwechsel aufgeschoben.

 


*) Dipl.-Ing. (FH) Oliver Solcher, LUNOS Lüftungstechnik GmbH, Berlin


**) TU Dresden, Zuluftsicherung von nahezu fugendichten Gebäuden mittels zentraler Lüftungsanlage.


*** Studie der TU Kassel, Niedrigenergiehaussiedlung Leipzig-Knauthain.


B i l d e r :   LUNOS Lüftungstechnik GmbH, Berlin


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