IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/2003, Seite 131 ff.


HEIZUNGSTECHNIK


Erste Betriebserfahrungen an einem solarunterstützten Nahwärmesystem

Dr. Ulrich Schirmer, Thorsten Urbaneck*

Bei dem Vorhaben "Gewerbepark solaris" in Chemnitz handelt es sich um eine Pilotanlage mit saisonalem Kies-Wasser-Solarwärmespeicher. Gegenstand dieser Darstellung soll eine Qualitätsanalyse des Bauprozesses und der Gesamtanlage sein. Ein wichtiger Einflussfaktor ist der Kostendruck in der Baubranche. Viele Mängel sind auf diese Ursache zurückzuführen. In den meisten Fällen konnten der Ausführende bzw. der Auftraggeber doch von der vorgeschlagenen Lösung überzeugt werden. Das heißt, die Planung und Betreuung vor Ort nimmt eine Schlüsselrolle ein. Wenn diese fachliche und organisatorische Grundlage gegeben ist, kann heute eine solarthermische Großanlage technisch ausgereift errichtet werden.

Das Bürogebäude "B 11", das heizungsseitig vom Kieswasserspeicher versorgt wird; auf dem Dach das Kollektorfeld. Links im Vordergrund befindet sich das Parkdeck mit dem kleineren Kollektorfeld von 150 m2.

Umsetzung des Konzeptes

Der ursächliche Anstoß zu dem Projekt kam vom ITW (Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik) der Uni Stuttgart. Von diesem Urkonzept ist allerdings nahezu nichts mehr erhalten. Sowohl in der Planungsphase als auch noch während des Baus änderten sich mehrfach wesentliche Rahmenbedingungen. Simulationsrechnungen mittels TRNSYS halfen Aufschluss über die Leistungsfähigkeit einiger dieser Varianten zu erhalten.

Variante A: Sie beinhaltet die Funktion Direkt-Solar-Heizen, d.h., die Wärme aus dem Solarkreislauf wird ohne Zwischenspeicherung im Puffer direkt zum Abnehmer geschickt. Diese Lösung zeichnet sich durch den geringsten technischen Aufwand aus. Variante A ist die Basisvariante für den energetischen Vergleich und entspricht zwar nicht der Idealvorstellung des flexiblen Nahwärmesystems, stellt aber das Optimum des zum damaligen Zeitpunkt realisierbaren dar.

Variante B: Optional wurde von 1997 bis 1999 eine Match-Flow-Variante (Bild 1) mit dem Ziel einer maximalen Solarenergienutzung in Betracht gezogen und näher untersucht. Match-Flow bedeutet ein angepasster (variabler) Volumenstrom im Kollektor- und Speicherbeladekreislauf, also je nach Bedarf low flow oder high flow. Aus Gründen der schwierigeren technischen Umsetzung und organisatorischer Unsicherheiten wurde dieses Konzept letztlich fallen gelassen.

Variante C: Der Betreiber nahm kurz vor Baubeginn Änderungen an Variante A vor. Es kam ein zusätzlicher Wärmeübertrager (Bild 2) für das Direkt-Solar-Heizen im Kollektorkreislauf hinzu, mit der Folge, dass keine optimale Leistungsanpassung zwischen Kollektorfeld und Heizsystem sowie der Speicherbeladung realisiert werden kann. Weiter wurde der Beladewärmeübertrager mit einer mittleren Temperaturdifferenz von 10 K statt den geforderten 5 K eingesetzt. Diese Änderungen haben eine Minderung der angewendeten Energie auf 77% zur Folge. Zu beachten ist hierbei noch, dass nur Hardwareänderungen erfolgten, aber das Regelungsregime auf Variante A abgestellt war.

Detailansicht des größeren Kollektorfeldes von rund 390 m2 auf dem Dach des Bürogebäudes "B 11".
Einzeldarstellung der mit dem Kollektorfeld überdachten Parkfläche von 150 m2.

Die Änderung von wenigen Parametern kann einen großen Einfluss auf den Ertrag ausüben. Deshalb stellen nicht überprüfte und zumeist kurzfristige Entscheidungen ein beachtliches Risikopotenzial hinsichtlich Ertragsminderung bzw. Erhöhung der solaren Gestehungskosten dar.

In Abstimmung mit dem Betreiber ist dieser Zustand zur Inbetriebnahme der zweiten Ausbaustufe regelungs- bzw. programmtechnisch geändert worden, sodass der zu erwartende Ertrag sich Variante A nähert.

Kollektorfeld

Auf dem Dach eines Bürogebäudes wurden direkt durchströmte Vakuumröhren in vier Module mit einer gesamten Absorberfläche von 388,5 m2 und fünf Module auf dem Parkdeck mit einer gesamten Absorberfläche von 150 m2 in Reihe geschaltet. Für die Einregulierung der berechneten Volumenströme waren einfache Absperrventile ausreichend, weil mit den magnetisch-induktiven Durchflussmessgeräten die tatsächlichen Volumenströme bestimmt wurden. Ist diese zusätzliche Messtechnik nicht vorhanden, kann die Temperatur am Kollektorfeldausgang bei maximaler Einstrahlung und stationären Verhältnissen zur Einregulierung verwendet werden. Alternativ ist auch der Einsatz von Mengenabgleichventilen möglich.

Bild 1: Anlagenschema des solaren Nahwärmesystems, erste Ausbaustufe; Varianten A und B.
Bild 2: Anlagenschema des solaren Nahwärmesystems mit der Erweiterung der zweiten Ausbaustufe. Einkopplung des Blockheizkraftwerkes zur Beladung des Kies-Wasser-Speichers; Variante C.

Die erste Verrohrung (Bild 3) ist mit den serienmäßig gelieferten flexiblen Verbindungsschläuchen durchgeführt worden. Diese gewellten Edelstahlschläuche wurden zugeschnitten und mit dem Kollektor mittels einer Schneidringverschraubung verbunden. Diese Art der Verbindung hatte den Nachteil, dass der Schneidring auf zwei oder drei Wellbergen saß. Eine ausreichende Dichtfläche konnte nur durch sehr starkes Anziehen der Verschraubung erreicht werden, mit der Folge, dass sich auch das Kupferrohr des Kollektorsammelrohres verformte. Dieser Sachverhalt ist als konstruktiver Fehler einzuschätzen.

Weiterhin sind die Verbindungsschläuche in axialer Richtung (Bild 4) mechanisch durch die temperaturbedingte, zyklische Längenänderung der in Reihe geschalteten Kollektorsammelrohre beansprucht worden. Nach drei Monaten Winterbetriebszeit kam es zu einer Verlängerung dieser Wellrohre (Bild 4). Das Rohr änderte seine Form, sodass sich die Wärmedämmung einschließlich des Mantels verformte oder sogar aufplatzte. Das Problem wurde mit folgenden Maßnahmen gelöst:

Der Luft im Kollektorkreis muss die Möglichkeit gegeben werden, sich während des Betriebes und im Ruhezustand des Kollektorkreislaufes an geeigneten Stellen sammeln zu können. Das setzt auch ein ausreichendes Sammelvolumen voraus. Dieser Sachverhalt wurde in der Errichtungsphase nicht konsequent beachtet und nur teilweise umgesetzt. Die Folge ist, dass nach einer Befüllung der Kollektorkreis mehrfach über längere Zeiträume manuell nachentlüftet werden muss. Ist der Betreiber nicht so engagiert, kommt es zwangsläufig zur Leistungsminderung und verstärkter Korrosion.

Während der Inbetriebnahmephase kam es aus verschiedenen Gründen mehrfach zum Stagnationsfall. Beobachtet wurde ein ruhiger Phasenwechsel, d.h. keine Dampfschläge usw., und zumindest kein unmittelbarer Ausfall von Röhren. Am Kollektorfeldeingang und -ausgang lagen die Spitzenwerte der Temperatur dann bei 170°C.

Aus Kostengründen und aus Gründen der Temperaturbeständigkeit ist Mineralwolle im Außenbereich als Wärmedämmmaterial verwendet worden. Die Verarbeitung des Aluminiummantels weist eine hohe Qualität auf. Dennoch ist die Mineralwolle zumindest an den zugänglichen Stellen feucht. Das Regenwasser dringt offensichtlich über die Fugen des Mantels ein. Temperaturbeständige, geschlossenzellige Isolierstoffe, die speziell für solarthermische Anlagen entwickelt wurden, sollten vorzugsweise eingesetzt werden.

Bild 3: Verdrückter Anschluss des Kollektor-Sammelrohres und dazugehörige Schneidringverschraubung; erste Verrohrung mit axial angeordnetem Wellrohr.
Bild 4: Beispielhaftes langes Wellrohr nach thermisch-mechanischer Beanspruchung in Einbaulage. Kurzes Wellrohr ohne und nach thermisch-mechanischer Beanspruchung.
Bild 5: Neue Lösung der Anschlussverrohrung: 90°-Bögen aus hochflexiblem Wellrohr und zusätzlich axiale Dehnungsausgleicher in der Strangmitte.

Anlagentechnik

Wegen der Erweiterbarkeit und der Revisionsmöglichkeit von geschraubten Plattenwärmeübertragern ist die Entscheidung zugunsten dieses Bautyps gefallen. Trotz wechselnder Temperaturen im Kollektorkreis und versehentlich verursachter kurzzeitiger Temperaturspitzen sind die Wärmeübertrager dicht und erfüllen die laut Planung geforderten Leistungen.

Eine wichtige und oft unterschätzte Funktion kommt den Schmutzfängern, Filtern oder Abscheidern zu. Sie sind Langzeit-Garant für den geplanten Wärmeübergang. Allerdings können sie auch die Ursache für einen Stagnationsfall sein, wenn sie nicht kontrolliert und gereinigt werden. Diese Maßnahmen sollten unbedingt bei Inbetriebnahme und Wiederinbetriebnahme durchgeführt werden. Nach den vorliegenden Erfahrungen ist dann nur noch eine Kontrolle in größeren Abständen von mehreren Monaten notwendig. Ursache für verstopfte Filter können Korrosionspartikel wie Rost der Stahlleitungen sein.

Mess-, Steuer- und Regeltechnik

Außerordentlich positive Erfahrungen wurden bei der gemeinsamen Programmierung und Optimierung mit der ausführenden Firma gemacht. Die unter TRNSYS getesteten Steuer- und Regelbedingungen konnten direkt bei der Programmierung der DDC-Technik verwendet werden. Es handelt sich vorwiegend um Temperaturdifferenzen und logische Operationen. Die Leistungsfähigkeit dieser Technik, insbesondere die flexible Gestaltungsmöglichkeit des Steuer- und Regelalgorithmus und umfangreiche Hilfsprogramme, ist für komplexe Anlagen wie solare Nahwärmesysteme notwendig und nützlich. Voraussetzung für einen derartigen Erfolg ist allerdings die Kooperation mit einem sehr aufgeschlossenen, interessierten und experimentierfreudigen DDC-Programmierer.

Die Messtechnik des wissenschaftlichen Begleitprogramms konnte Fehlfunktionen durch Messungen schnell und zuverlässig erkennen. Existierten verschiedene Meinungen zu einer technischen Lösung, waren Messwerte, vor allem Tagesverläufe, ein sehr gutes Hilfsmittel zur objektiven Beurteilung. Für Anlagen die nicht in diesem Umfang betreut werden, sind mehr Datenpunkte zur Kontrolle und mehr Aufwand seitens der Überwachung notwendig. Als sehr wichtig wird die ständige Überwachung der Funktion eingeschätzt. Sie garantiert maßgeblich den tatsächlichen Anlagenertrag, weil sich eventuelle Ausfallzeiten am stärksten auf die Energiebilanz auswirken.

Zusammenfassung:

Ausführende im Anlagenbau:

 

Internetinformationen:
www.solarthermie2000.de
(Unterabschnitt Teilprogramm 3)
http://www.tu-chemnitz.de/mbv/SolTherm


L i t e r a t u r :

[1] Urbaneck, T.; Schirmer, U.: Der Chemnitzer Kies-Wasser-Speicher - Dokumentation. Achtes Symposium "Thermische Solarenergie"; Staffelstein, 1998.

[2] Urbaneck, T.; Schirmer, U.: Solar unterstützte Nahwärmeversorgung - Pilotanlage SOLARIS Chemnitz Statusbericht ’98. Status-Seminar "Solarunterstützte Nahwärmeversorgung"; Neckarsulm, 1998.

[3] Urbaneck, T.; Schirmer, U.: Solar unterstütztes Nahwärmesystem - Stand des Vorhabens. Neuntes Symposium "Thermische Solarenergie"; Staffelstein, 1999.

[4] Urbaneck, T.; Schirmer, U.: Central solar heating plant with gravel water storage in Chemnitz (Germany). Eurosun 2000, Kopenhagen, 2000.

[5] Klein, S. A. et. al.: TRNSYS - A transient system simulation program. Solar Energy Laboratory, University of Wisconsin-Madison, Madison, WI 53706 USA, 1994.

[6] Peuser, F. A.; Croy, R.; Schuhmacher, J.; Weiß, R.: Langzeiterfahrungen mit thermischen Solaranlagen. Eigenveröffentlichung der ZfS - Rationelle Energietechnik GmbH, Hilden, 1997.

[7] Hahne, E. et. al.: Solare Nahwärme - Ein Leitfaden für die Praxis: ein Informationspaket. Hrsg. Fachinformationszentrum Karlsruhe, Gesellschaft für Wissenschaftlich-Technische Information mbH, 1998.

[8] Urbaneck, T.; Göring, J.: Neue Wege bei der Absicherung großer Kollektorfelder. HLH 7/2002.


*) Ulrich Schirmer und Thorsten Urbaneck: Technische Universität Chemnitz, Professur Technische Thermodynamik, Projektgruppe SOLARTHERMIE


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