IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 19/2002, Seite 46 ff.


KLIMATECHNIK


Über die Wirkung von Klimaanlagen auf den Menschen

Psychosoziale Einflüsse höher als bislang angenommen

Die Arbeitsanforderungen, das Arbeitsklima sowie weitere psychosoziale Faktoren verursachen beim Menschen Befindensstörungen am Büroarbeitsplatz in viel stärkerem Maße als bislang angenommen. So konnte u.a. nachgewiesen werden, dass die Beschwerderate umso höher liegt, je geringer die Anforderungen an die geistigen Leistungen sind. Gebäude- und Innenraumcharakteristika, wie z.B. Raumluftqualität und Raumklima oder das Vorhandensein einer Klimaanlage spielen im Vergleich dazu eine eher untergeordnete Rolle.

Geschlecht, Lebenssituation, Bildungsstand und typische Tätigkeitsmerkmale beeinflussen die Akzeptanz eines Arbeitsplatzes weit mehr als bislang angenommen. Die als Hauptverursacher des so genannten Sick Building Syndromes (SBS) vermuteten Klimaanlagen spielen dagegen eine geringere Rolle, müssen aber weiterhin in einem ursächlichen Zusammenhang zum SBS gesehen werden. Zu diesem Ergebnis kam ein interdisziplinäres Forschungsteam im Rahmen des so genannten ProKlimA-Projektes "Positive und negative Wirkungen raumlufttechnischer Anlagen auf Befindlichkeit, Leistungsfähigkeit und Gesundheit". Ausgangspunkt der zwischen August 1994 und Januar 2000 durchgeführten Untersuchungen war die Vermutung, Befindensstörungen in Gebäuden (also Reizerscheinungen von Auge, Haut, Nase, Mund und Hals sowie vegetative Beschwerden wie Kopfschmerzen und allgemeines Unwohlsein) seien in erster Linie auf Lüftungs- und Klimaanlagen zurückzuführen.

Exakt 4592 Arbeitsplätze in 14 Bürogebäuden wurden im Rahmen des ProKlimA-Projektes untersucht. Rund 600 Parameter rund um Gebäude, Klimaanlagen, Büroräume und Arbeitsplätze wurden in einem Vier-Ebenen-Modell zusammengetragen.

Vier-Ebenen-Modell erhöht Aussagekraft

Entscheidend für die statistisch abgesicherte Aussagekraft der teilweise sehr komplexen Zusammenhänge ist ein von den Projektbeteiligten entwickeltes Datenmodell, das weltweit erstmals in dieser Größenordnung eingesetzt wurde. Es beruht auf einer hierarchischen Zuordnung der Daten auf die vier Bezugsebenen Gebäude, Anlagen, Raum/Messpunkt und Person/Arbeitsplatz. Durch eine der untersuchten Person zugeordneten ID-Nummer ist es möglich, ein alle Einflüsse umfassendes Profil zu erstellen, um beispielsweise Merkmale der RLT-Anlagen, Tätigkeit der Person, CO2-Gehalt der Raumluft und Beleuchtungsstärke am Arbeitsplatz mit den Befindlichkeitsaussagen der jeweiligen Person gegenüberzustellen. Damit lassen sich nicht nur die unmittelbaren Einflussfaktoren auf die Befindlichkeit am Arbeitsplatz ermitteln, sondern auch Wechselbeziehungen zwischen Klimaanlage, Raumluft und Effekte auf den Menschen aufdecken. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind ein wichtiger Beitrag zur Schaffung verbesserter Planungsgrundsätze zum Bau von gesunden Gebäuden bzw. zur Beurteilung des physischen und psychischen Wohlbefindens am Arbeitsplatz.

Als befindlichkeitsgestört gilt, wer in zwei Organbereichen jeweils drei Symptome als mindestens "etwas störend" bewertet. Untersucht wurden Auge, Nase, Haut, Mund, Hals und das vegetative System.

Beschwerden auch bei Fensterlüftung

Geht man zunächst von einer Einzelgewichtung aller erhobenen Parameter aus, ergibt sich für Befindensstörungen in den untersuchten Bürogebäuden folgendes Bild:

Klimaanlagen sind besser als ihr Ruf. Voraussetzung für eine breite Akzeptanz des Nutzers ist allerdings die konsequente Einhaltung hygienischer Standards, beispielsweise der VDI-Hygienerichtlinie 6022.

Psychosoziale Faktoren überlagern Stellenwert des Raumklimas

Werden in der übergreifenden Auswertung alle Einflussgrößen gleichzeitig in ihrer Wirkung auf die Befindlichkeit beurteilt, so zeigt sich ein stärkeres Gewicht der psychosozialen Daten im Vergleich zu den Gebäude- und Innenraumcharakteristika. Daraus folgt, dass der Einfluss von Geschlecht, Arbeitszufriedenheit und Tätigkeit ungleich höher zu bewerten ist als das Raumklima. Durch diese Betrachtungsweise verändern sich die Aussageschwerpunkte zugunsten der klimatisierten Büros, d.h. die Auswertung lässt kein signifikantes Risiko für Befindlichkeitsstörungen durch Klimaanlagen mehr erkennen. Folgende Schlussfolgerungen lassen sich daraus ableiten:

Bei Gegenüberstellung der gewichteten Ergebnisse kommt man zu dem Schluss, dass psychosoziale und arbeitsbedingte Faktoren besonders dann auffällig werden, wenn die raumklimatischen Belastungen gering sind. In der vorliegenden Untersuchung war dies in der Mehrzahl der Gebäude der Fall. Veraltete und schlecht gewartete Anlagen wiesen allerdings eine höhere Rate an Befindlichkeitsstörungen auf.

Nutzer möchte Raumklima selbst bestimmen

Neben Hinweisen zur Gestaltung von Arbeitsplätzen gibt die Studie auch zahlreiche Anregungen zur Verbesserung der Akzeptanz von Klimaanlagen. So äußerten 85 Prozent der ca. 4600 befragten Personen den Wunsch nach direktem Einfluss auf das Raumklima, also einer Einzelraumregelung. Die Untersuchung zeigte auch, dass die konsequente Einhaltung hygienischer Standards, wie sie beispielsweise in der VDI-Richtlinie 6022 "Hygienebewusste Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung" festgeschrieben sind, die Akzeptanz des Nutzers positiv beeinflusst.

Der ProKlimA-Forschungsbericht "Positive und negative Auswirkungen raumlufttechnischer Anlagen auf Gesundheit, Befindlichkeit und Leistungsfähigkeit" erscheint voraussichtlich Dezember 2002 im Fraunhofer IRB-Verlag, Stuttgart, Tel.: 0711/970-2524.


Struktur der Untersuchungsarbeit

Die aus sieben Forschungsdisziplinen bestehende Projektgruppe Klima und Arbeit (ProKlimA) hatte die Aufgabe, statistisch verwertbare Daten zum Sick Building Syndrome aus den Bereichen Arbeitswissenschaft, Bauphysik, Technik, Chemie, Biologie, Psychologie und Medizin zu ermitteln. In der ersten Projektphase wurden 14 Bürogebäude mit zusammen 4592 Arbeitsplätzen bewertet. In einer zweiten Phase nahm das Forschungsteam 1497 dieser Arbeitsplätze nochmals genauer unter die Lupe, von denen 859 Arbeitsplätze klimatisiert und 638 über Fenster belüftet waren. Insgesamt wurden rund 600 Parameter analysiert. Das Untersuchungsspektrum reichte von personenbezogenen, sensorischen Befindlichkeitsprofilen über psychologische und soziodemografische Fragestellungen bis hin zu objektiven und subjektiven Bewertungen der Gebäude, der raumlufttechnischen Anlagen und des Raumklimas am Arbeitsplatz. Besonderes Augenmerk wurde auf die Erfassung personenbezogener chemischer, physikalischer, mikrobiologischer, arbeitswissenschaftlicher und psychologischer Messgrößen sowie auf die Durchführung medizinischer Untersuchungen gelegt. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).


B i l d e r :   Margot Dertinger-Schmid


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