IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 18/2002, Seite 30 ff.



Die Einrichtung barrierefreier Bäder:

Anspruchsvolle Klientel erfordert weitreichende Produktkonzepte

Unser Beispiel zeigt die Vielseitigkeit der Griffe: Die Bodendeckenstange mit stabiler Wandabstützung ist Ein- und Ausstiegshilfe. Am U-Griff - der platzsparend auch die Handbrause trägt - findet man mit beiden Händen standfesten Halt.

Vor zwei Jahrzehnten gab es den Begriff "barrierefrei" noch nicht. Hilfen für Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit wurden eher zufällig entwickelt und mit wenig Engagement vermarktet. Wo der eine oder andere Hersteller eine Marktlücke entdeckte, entstanden einzelne Produkte wie die Duschabtrennung mit flachem oder gar keinem Bodenprofil, der mit einem Rollstuhl unterfahrbare Waschtisch und der kippbare Spiegel. Die speziellen Hilfsprodukte für Behinderte kaufte man im Sanitätshaus.

Erst seit Mitte der 90er-Jahre bildet sich der Markt für barrierefreie Bäder, dessen Zuwachsraten bereits heute deutlich über denen der herkömmlichen Badeinrichtung liegen. Jedoch: je mehr sich dieser neue Markt perfektioniert, desto klarer wird: Die Einrichtung von Handicap-Bädern verlangt sowohl vom Hersteller wie auch vom Installateur ein neues Hintergrundwissen und weitsichtige Produktkonzepte. Denn die Zielgruppe der Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit stellt nicht nur ganz spezielle Anforderungen, sie ist auch besonders breit diversifiziert. Unser folgender Bericht fasst die wesentlichen Handicaps mit den erforderlichen Planungsüberlegungen zusammen und stellt an Beispielen Produkte für die unterschiedlichen Problemstellungen vor.

Wer möchte den vergrößernden Kosmetikspiegel als Handicap-Produkt bezeichnen? Und dennoch: Er hilft bei dem meist ersten Anzeichen des Alterns: der nachlassenden Sehkraft. Der abgebildete Spiegel besitzt ein patentiertes elektronisches Vorschaltgerät für flackerfreien Schnellstart und flimmerfreien Betrieb.

Die Handicaps

Die eingeschränkte Bewegungsfähigkeit ist der Oberbegriff für das besonders breite Spektrum der Handicaps. Es umfasst fortschreitende, rückläufige und abrupt eintretende Behinderungsprozesse, die die Badausstattung für eine effiziente Unterstützung berücksichtigen muss.

Aus Untersuchungen weiß man heute, dass das Alter eigentlich bereits mit 40 beginnt, wenn nämlich die Sehkraft abnimmt und man daher im Bad ohne Brille auskommen muss (Stichwort: Rasier- bzw. Kosmetikspiegel), wenn sich Muskelkraft und Beweglichkeit verringern (Stichwort: Duschsitz zum Füße waschen). Das Altern jedenfalls ist ein fortschreitender Prozess, der sich über Jahrzehnte hinzieht. Er muss vom Badeinrichter besonders sensibel begleitet werden, kennt man doch 80-jährige, die - auf Hilfen im Bad angesprochen - antworten: "So was brauchen wir noch nicht."

Einen wichtigen Wachstumsimpuls erhält der Markt der Senioren von den 50- bis 60-Jährigen, wenn die Kinder ihre eigenen Wege gehen und das Bad noch einmal neu hergerichtet werden soll. Hier ist eine weitsichtige Beratung erforderlich, die die hohen ästhetischen Ansprüche mit den absehbaren Einschränkungen in Einklang bringt. Ein Produkt, das diesem Aspekt beispielhaft gerecht wird, ist der Einhebelmischer. Zunächst ist er anspruchsvolles Designobjekt. Später erleichtert er dann die Bedienung der Armatur, wenn die Kräfte zum Öffnen und Schließen eines Drehventils nicht mehr ausreichen oder die beidhändige Betätigung einer Zweigriffarmatur nicht mehr möglich ist.

Zu den fortschreitenden Behinderungsprozessen gehören Krankheiten wie Parkinson oder Multiple Sklerose. Bei ihnen ist die Dauer des Verlaufs, der sich über wenige Wochen oder über Jahrzehnte hinziehen kann, nicht abzusehen. Eine vernünftige Planung bereitet frühzeitig den schlimmsten Fall vor: Also Umtausch der Badewanne in eine Dusche oder die Montage der Griffe und des Duschhandlaufs. So werden die Belastungen später notwendiger Umbaumaßnahmen in eine Zeit vorverlegt, in der sie der Kranke noch als weniger störend empfindet.

Plötzliche Behinderungen können verursacht werden durch einen Schlaganfall oder eine Amputation (Autounfall/Diabetes). Der Schlaganfallpatient braucht in der Regel keine doppelte Ausstattung mit Griffen. Oft kann auch eine Rückentwicklung der Behinderungen angenommen und mit einer Mindestausstattung berücksichtigt werden. Hilfreich ist ein Gespräch mit dem Hausarzt oder dem Pflegedienst, die den Verlauf der Krankheit objektiver beurteilen als der Patient selbst.

Designobjekt und mögliches Handicap-Produkt zugleich: Der Einhebelmischer sam inline - ausgezeichnet mit dem Red Dot - erleichtert die Betätigung, wenn die Kräfte zum Öffnen und Schließen der Drehventile nicht mehr ausreichen.

Badplanung

Für ein derart breites Spektrum an Behinderungen kann es natürlich keine einheitlichen Regeln und Vorschriften für die Badeinrichtung geben, wie dieses Beispiel zeigt: Die DIN 18024 und 18025 schreibt im Behindertenbad Höhen für das Waschbecken von 80 cm, für WC und Duschsitz von 48 cm vor. Werden diese nicht eingehalten, wollen die Kassen in der Regel nichts leisten wie im Fall einer Frau, die auf zwei Prothesen läuft. Im Bad trägt sie diese nicht, ist daher nur einen Meter groß. Hier führte erst die persönliche, sachkundige Begründung des Badplaners bei dem Leistungsträger dazu, dass die Bezuschussung trotz Abweichung von der vorgeschriebenen Normhöhe erfolgte.

Unser Beispiel lässt auch die Schwierigkeiten erkennen, die der Installateur bei der Einrichtung von Behindertenbädern hat. Eine wirksame Abhilfe kann die Gesellschaft für Gerontotechnik in Iserlohn schaffen. Sie bietet Installateuren ein Franchisekonzept für die Einrichtung barrierefreier Bäder an, in das die komplette Abrechnungsfähigkeit mit allen gängigen Krankenkassen eingeschlossen ist.

Wichtiger Planungsaspekt für das Handicap-Bad ist die Tragfähigkeit der Wände. Sie müssen größeren Belastungen standhalten und ein höheres Maß an Befestigungssicherheit bieten als im herkömmlichen Bad. Ein Mensch, der unsicher auf den Beinen ist, lässt sich eher aus einer gewissen Höhe auf den Duschsitz plumpsen, rutscht leichter aus und sucht festeren Halt am Handlauf als ein gesunder. Jedenfalls wirken auf die Einrichtung oft erheblich höhere Lasten als im normalen Bad.

Ein solcher Griff unterstützt diskret den schwachen Rücken: Als Aufsteh- und Einstiegshilfe. Wenn er die Bewegungsfreiheit stört, lässt er sich an die Wand hochklappen. Vor allem aber: Sein Design eignet sich für die anspruchsvolle Badeinrichtung, unterscheidet er sich doch deutlich von den üblichen Handicap-Hilfen.

Dies sind nur einige Aspekte, die die Planung eines Handicap-Bades ebenso zu begleiten haben wie die weitgehend bekannten grundsätzlichen Überlegungen:

So gilt für die Planung des Handicap-Bades: Alle Überlegungen müssen von einem breiteren Denkansatz ausgehen als im Normalfall. Denn zu den Bedürfnissen des gesunden Menschen addieren sich die speziellen Ansprüche des Behinderten.

Hinzu kommt ein ganz wesentlicher Planungsaspekt der langfristigen Kundenzufriedenheit: Auch die Angehörigen benutzen das Bad. Hier sollte eine attraktive Badeinrichtung dazu beitragen, auch deren Bedürfnisses nach Entspannung und Wohlbefinden zu unterstützen.

Ein hohes Maß an Sicherheit bietet die dreifache Befestigung der Stützgriffe mit verdeckten Schrauben.

Produktkonzepte

So wird deutlich: Produkte für Handicap-Bäder können nicht isoliert entwickelt werden. Sie müssen die Lebensprozesse insgesamt berücksichtigen: Das Anspruchsdenken der Senioren, die dezente Unterstützung für leichte Einschränkungen und die kompetente Hilfe, die kranke Menschen benötigen. Was der Badeinrichter im Markt "barrierefrei" benötigt, sind Produktkonzepte, mit denen er die Lebensgeschichte seiner Kunden begleiten kann. Ein Behindertenwaschtisch, ein paar Spezialgriffe reichen heute nicht mehr aus. Auch beim Design entwickelt sich ein Umdenken: Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit möchten von ihrer Badeinrichtung nicht ständig an ihre Behinderung erinnert werden. Auch sie schätzen durchgängige Designkonzepte und schlüssige Produktphilosophien, über die sie kommunizieren können.

Das Handicap-Produkt, das meist als erstes und später am variantenreichsten und zahlreichsten eingesetzt wird, ist der Griff. Er dient zunächst als Sicherheit in der Dusche, später als Aufstehhilfe beim WC, dann als Handlauf an der Wand, in der Dusche und der Wanne. Für den wachsenden Grad der Behinderung müssen Wannenkopfbügel bzw. -stangen und Bodendeckenstangen als Ein- und Ausstiegshilfen zur Verfügung stehen. Wie vielseitig ein solches Griffprogramm zu sein hat, zeigen die U-Griffe. Hier kann sich der Behinderte mit beiden Händen festhalten. Platzsparend ist die Variante mit einer verlängerten Seite, die zugleich als Brausestange dient.

Dies ist die gebräuchlichste Ausstattung einer Handicap-Dusche: Den Handlauf mit klappbarem, gepolsterten Sitz, den Stützklappgriff als Einstiegs- und Aufstehhilfe, der - hochgeschwenkt - Bewegungsfreiheit bietet, die Halte- und Brausestange, deren Position sich vor der endgültigen Befestigung exakt den Bewegungen des Behinderten anpassen lässt.

Die beispielhafte Ausstattung einer Barriere-frei-Dusche zeigt unser Bild: Am Duschhandlauf ist der Klappsitz mit gepolsterter Rückenlehne für den empfindlichen, geschwächten Rücken befestigt. Der Stützklappgriff, der hochgeschwenkt nur wenige Zentimeter in die Dusche hineinragt, behindert den Einstieg nicht und bietet heruntergeklappt und mit seinem Greifknopf sicheren Halt. Ganz auf die Bewegungsgewohnheiten ist die Position der Duschstange eingestellt. Bei der Montage lässt sich die senkrechte Brause- und Haltestange genau dahin verschieben, wo sie den Behinderten am wirkungsvollsten unterstützt. Empfohlen wird, die passende Position der Stange vor der endgültigen Befestigung bei einem Probesitzen herauszufinden und dann erst zu befestigen. Übrigens: Der Duschsitz lässt sich hochklappen und gibt dann auch den Angehörigen beim Duschen mehr Bewegungsfreiheit.

Die Einrichtung eines Bades für Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit stellt eine ganz besondere Herausforderung dar. Sie verlangt detaillierte Kenntnisse der Arten und der Perspektiven aller möglichen Handicaps und zwar ebenso von der Produktentwicklung wie von der Badplanung bis zur sensiblen Einrichtungsberatung. Dafür bewegen sich der Installateur wie auch der Hersteller in einem von der Konjunktur weitgehend unabhängigen Wachstumsmarkt mit interessanten Margen.

 


B i l d e r :   sam


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