IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 10/2002, Seite 38 ff.


AUSSTELLUNG


Kooperation von ZVSHK und ZVEH ermöglicht Arbeiten im jeweils anderen Handwerk

Dienstleistung erweitern

Handwerker im Bereich Sanitär und Heizung sowie Elektro können künftig gewerkeübergreifendes Arbeiten in größerem Maße als bisher ausführen. Ermöglicht hat dies eine Verbändevereinbarung, die zwischen dem ZVSHK und dem ZVEH Mitte April unterzeichnet wurde. Somit dürfen SHK-Betriebe künftig auch Elektroarbeiten ausführen und Elektriker sich im Bereich Sanitär und Heizung betätigen. Voraussetzung dafür ist eine 240-Stunden-Qualifizierungsmaßnahme.

Die Verbände reagierten damit auf Veränderungen im Markt, der technisch durch immer umfangreichere Dienstleistungen bei der Gebäudetechnik und -bewirtschaftung geprägt ist. Mit der Vereinbarung sollen gewerkeübergreifende Ansätze innerhalb des Handwerks gefördert sowie Kooperationen von Fachbetrieben aus beiden Handwerken unterstützt werden. Voraussetzung ist eine Teileintragung nach § 7a der Handwerksordnung für das Elektrotechniker-Handwerk bzw. für das Installateur- und Heizungsbauer-Handwerk. Ein Handwerksmeister aus dem Sanitär- und Heizungs- oder Elektro-Bereich kann jetzt die Teileintragung im jeweils anderen Handwerk erreichen, wenn er in die Handwerksrolle eingetragen ist und einen bundeseinheitlichen Weiterbildungslehrgang absolviert hat. Dafür wurde bereits ein Rahmenlehrplan mit insgesamt 240 Unterrichtsstunden ausgearbeitet, der Kenntnisse und Fertigkeiten zur Ausführung von Tätigkeiten im jeweils anderen Bereich vermittelt.

Von Bock und Polach: "Ein Pisa II im Handwerk wollen wir nicht erleben."

Auf dieser Grundlage können die Handwerkskammern eine einheitliche Verfahrensweise bei der Eintragung in die Handwerksrolle mit dem Teileintrag im jeweils anderen Handwerk praktizieren. Einem solchen Handwerksunternehmen eröffnen sich folgende Möglichkeiten:

Die Redaktion der IKZ-HAUSTECHNIK wollte möglichst viele Einzelheiten rund um den demonstrativen Schulterschluss der beiden Handwerksverbände in Erfahrung bringen. Nur wenige Stunden nach der Unterzeichnung ergab sich am 16. April auf der Messe "Light + Building" in Frankfurt Gelegenheit zu einem "Werkstattspitzengespräch" mit den beiden Präsidenten Bruno Schliefke (ZVSHK) und Karl Hagedorn (ZVEH) sowie den Hauptgeschäftsführern Michael von Bock und Polach (ZVSHK) und Heinz-Werner Schult (ZVEH).

Redaktion: Elektro und Sanitär/Heizung haben zwar Berührungspunkte, beide Handwerke könnten jedoch auch ganz gut weiter nebeneinander bestehen. Was hat die Handwerksorganisationen veranlasst aufeinander zuzugehen?

Hagedorn: Die Elektrotechnik greift in weite Bereiche der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik ein. Deshalb kommt verstärkt der Wunsch aus dem SHK-Bereich, dies mit abdecken zu können. Ebenso hat sich vom Generalunternehmer bis zum Eigenheimbesitzer die Idee "alles aus einer Hand" stark verbreitet. Der Kunde will jetzt oftmals nur einen Ansprechpartner, der quer durch alle Gewerke eine Problemlösung schaffen soll - und darauf wollen sich viele Handwerksunternehmer aus dem Bereich Elektro und auch aus dem SHK-Bereich bestmöglich einstellen. Deshalb haben wir uns in den Handwerksorganisationen gemeinsam auf die Suche nach Lösungen gemacht.

Redaktion: Die Anforderungen in den einzelnen Gewerken sind relativ hoch und wachsen sicher noch weiter. Welcher einzelne Handwerker soll es leisten können, über seine spezifischen Kenntnisse hinaus noch mit gewerkeübergreifendem Wissen zu überzeugen, zumal der Durchschnittsbetrieb nur etwa sieben Mitarbeiter zählt?

Zu einem Werkstattgespräch trafen sich am Rande der "aircontect" Vertreter des Elektro- und SHK-Handwerks. In der Runde (v.l.) Dirk Schlattmann, Fachorgan sbz, Bruno Schliefke, Karl Hagedorn, Heinz Werner Schult, Michael von Bock und Polach sowie Günther Klauke, Fachorgan IKZ-HAUSTECHNIK.

Hagedorn: Wir rechnen jetzt nicht mit einem Ansturm von Interessenten, die nun im jeweils anderen Gewerk tätig werden wollen. Das wird der Markt regeln.

Redaktion: Wieviele Elektro-Fachbetriebe kommen denn Ihrer Einschätzung nach für die Maßnahme in Frage?

Hagedorn: Exakte Zahlen gibt der Markt nicht her, doch gehen wir davon aus, dass von 40 000 Betrieben, die grundsätzlich für das erweiterte Leistungsangebot in Frage kommen könnten, derzeit bereits etwa 10 000 Betriebe zumindest zeitweilig auch im SHK-Bereich tätig sind.

Schult: Diese Zahl wird durch Kundenerwartungen und verstärkte handwerkliche Kooperationen sicher steigen.

Schliefke: In beiden Verbänden beobachten wir den Markt und der Trend ist klar: Das was wir jetzt in geordnete Bahnen lenken wollen, wird bereits vielfach praktiziert...

Hagedorn:...und wir müssen unseren Betrieben die Möglichkeit bieten, dass sie die Anforderungen des Marktes möglichst gut erfüllen können, damit nicht zu viele Anbieter außerhalb des Handwerks zum Zuge kommen.

Redaktion: Also ein Schulterschluss gegen die Contracter und Generalunternehmer?

Schliefke: Es sind nicht nur die Großen, es geht auch um die Armada der Hausmeister, die mit wenig Kompetenz in unseren Gewerken hantieren. Natürlich ist die Fülle an Fachwissen in jedem unserer Gewerke schon jetzt schwindelerregend. Manch ein gestandener Heizungsbauer wird deshalb auch in Zukunft ganz bewusst keinen Draht selbst anschließen wollen, sondern sich lieber Kooperationen bedienen...

Redaktion:...das unterstützen die Verbände weiterhin?

Schliefke: Ja natürlich wollen wir das auch! Auf jeden Fall ist es von großem Vorteil, wenn man in einem Kundengespräch fundierte Kenntnisse über das jeweils andere Gewerk hat. Dann eröffnen sich Chancen zu erkennen, wie man ein Gesamtangebot unterbreiten kann. Ob die Arbeiten dann letztlich in Eigenregie oder durch Kooperation erledigt werden, ist von untergeordneter Bedeutung.

ZVSHK-Präsident Bruno Schliefke: "Was wir jetzt in geordnete Bahnen lenken, wird bereits vielfach praktiziert."

Hagedorn: Mit dem erweiterten Handlungsspielraum, den es in dieser Größe im Handwerk bisher noch nicht gegeben hat, sollen unsere Betriebsinhaber ihre Möglichkeiten besser nutzen können. Tätigkeitsfelder bis hin zur Nische sollen so gestaltet werden, wie es der Fachbetrieb am besten bewältigen kann.

Redaktion: Bei der angespannten Marktlage wird mancher Betrieb, der jetzt mit der Verbändevereinbarung konfrontiert wird, eher Verlustängste haben als in der Entwicklung neue Chancen zu sehen. Schließlich kostet die Weiterbildung auch Zeit und Geld. Rechnen Sie auch mit Widerständen?

Hagedorn: Natürlich, die haben wir schon, aber die Meinungen sind sehr konträr. Einer unserer Landesverbände spricht sich klar dagegen aus. Wiederum andere Mitgliedsverbände zeigten in den letzten Wochen deutliches Unverständnis, warum die Vereinbarung noch immer nicht unterschrieben worden war.

Redaktion: Die Erweiterung der Kompetenzen im jeweils anderen Gewerk, wie es der § 7a der Handwerksordnung vorsieht, ist mit einer 240-Stunden-Schulung verknüpft. Wie soll dies in der Praxis aussehen?

Hagedorn: Wir auf der Elektro-Seite haben bereits seit längerem praktische Erfahrungen in der Bundesfachschule in Oldenburg sammeln können. Denn dort wird im Ausbildungsbereich mit der SHK-Innung eng zusammengearbeitet.

Schult: Auch im Elektronikzentrum Stuttgart läuft bereits eine Fortbildung für 80 Personen, die durch Eigeninitiative ins Leben gerufen wurde, doch nahezu identisch ist mit den Richtlinien unseres 240-Stunden-Kurses. Natürlich möchten die Absolventen jetzt nach Bekanntwerden unserer Initiative, dass der bevorstehende Abschluss auch noch mit Brief und Siegel der Verbändevereinbarung dokumentiert wird. Mit wenigen Schritten der Harmonisierung werden wir das auch hinbekommen und haben damit in Kürze bereits eine Premiere. Überdeutlich wird daran, dass der Markt nach dieser Weiterbildung verlangt. In jedem Fall - auch ohne Verbändevereinbarung - würden solche Fortbildungen angeboten werden. Allerdings wäre dann ein für uns nicht nachvollziehbares, niedriges Niveau zu erwarten.

Redaktion: Wie weit soll denn die Handlungskompetenz nach der Schulung gehen? Haben die Elektro-Fachleute dann auch Zugriff auf die Gas-Installation?

Von Bock und Polach: Nur in einem begrenzten Maß wird es der 240-Stunden-Kurs legitimieren, beispielsweise eine Gaszuleitung zu verlegen. Ganz sicher wird es aber nicht möglich sein, nach TRGI Anlagen zu prüfen oder gar Hausanschlüsse zu realisieren. Hier muss außerdem eine zusätzliche Qualifikation nachgewiesen werden. Dazu sind noch ergänzende Vereinbarungen nötig. Dagegen werden Arbeiten an Trinkwasser- und Abwasseranlagen möglich sein.

Redaktion: Wie werden die Kompetenzen in den Ausbildungsstätten im Detail geregelt - wer bildet was aus?

Von Bock und Polach: Vereinbart ist, dass in einer Schulungsstätte des Elektro-Handwerks die SHK-Fachkenntnisse durch autorisierte SHK-Ausbilder vermittelt werden und genauso im umgekehrten Sinn. Das mag am Anfang einen Harmonisierungsbedarf auslösen, wir sind in beiden Handwerksorganisationen aber fest entschlossen, die Messlatte der Anforderungen auf einheitlich hohem Niveau zu positionieren. Ein Pisa II wollen wir im Handwerk nicht haben!

Schliefke: In der Vergangenheit konnte man nicht von einer bundeseinheitlichen Eintragungspraxis nach § 7a sprechen. Da war sogar schon mal eine Teileintragung nach einem 30-Stunden-Kurs möglich. Unsere neuen zertifizierten Weiterbildungsangebote wird man in Zukunft nicht mehr unterlaufen können.

Karl Hagedorn (links), Präsident des ZVEH und HGF Heinz Werner Schult, ZVEH.

Redaktion: Welche Auswirkung wird die Vereinbarung auf der Lieferantenseite haben?

Von Bock und Polach: Unsere SHK-Betriebe, die ihr Angebot auf Elektro erweitern, werden sicher entsprechende Erwartungen an den SHK-Großhandel äußern und der Markt wird das regeln. Ein Fachgroßhändler wird sich insoweit wohl zusätzliche Kompetenz aneignen müssen, um weiterhin als qualifizierter Partner liefern zu können.

Redaktion: Wie ist denn die Entwicklung im Elektrogroßhandel?

Hagedorn: Eine interessante Entwicklung zeichnet sich allein dadurch ab, dass vor kurzem Cordes & Graefe einen Teil der i-Center übernommen hat. Das sind renommierte Einkaufshäuser für Elektro-Fachbetriebe, die ursprünglich von Siemens ins Leben gerufen worden sind.

In diesem Zusammenhang muss man bemerken, dass die Einkaufsmöglichkeiten im Elektro-Großhandel nie so restriktiv gehandhabt wurden wie auf der SHK-Seite.

Redaktion: Einkaufen konnte jeder?

Hagedorn: Auch hier ist die Bandbreite groß. Ich kenne Großhändler, die sich an den professionellen Vertriebsweg gebunden fühlen und welche, bei denen ist der Laden samstags rappelvoll. Doch wie gesagt, die Hürden waren nie so ausgeprägt wie im SHK-Bereich. Ich wünsche mir, dass nun durch das Hinzukommen von Sanitär-Großhändlern eine gewisse Disziplinierung stattfinden wird.

Redaktion: Könnte im Umkehrschluss nicht ein Aufweichen der Disziplin beim SHK-Großhandel auftreten? Und was ist, wenn Elektro-Großhändler, die an jeden verkaufen, auch noch ein SHK-Angebot mit aufnehmen?

Kooperation von ZVSHK und ZVEH unterzeichnet
Im Rahmen einer Pressekonferenz auf der "light & building" fand die Unterzeichnung der gemeinsamen Vereinbarung zwischen dem ZVSHK und dem ZVEH statt. Die Unterzeichner waren (v.l.) Heinz Werner Schult, Hauptgeschäftsführer des ZVEH, Karl Hagedorn, ZVEH-Präsident, ZVSHK-Präsident Bruno Schliefke und der Hauptgeschäftsführer des ZVSHK Michael von Bock und Polach.

Von Bock und Polach: Wir halten es mit dem Ausspruch von Thomas von Aquin, dem Theologen und Philosophen des 13. Jahrhunderts: "Haltet die Ordnung, die Ordnung hält euch!" - abgesprochen ist mit den maßgeblichen Leuten im Großhandel, dass ein Elektro-Unternehmer, der einen Eintrag nach § 7a nachweisen kann, Ware aus dem SHK-Bereich bekommt. Sollte dennoch undiszipliniert Ware an Unqualifizierte verkauft werden, werden wir gemeinsam mit unserem Großhandel versuchen, die Ordnung im Interesse des Verbrauchers wiederherzustellen.

Redaktion: Aufgrund der vielen gemeinsamen Vorstellungen in den Verbandsspitzen liegt die Frage nahe: Wann werden die beiden Handwerksorganisationen miteinander verschmelzen?

Hagedorn: Das ist auf lange Sicht gesehen die logische Konsequenz, doch man kann das nicht planen. Vielleicht ist es in zehn, fünfzehn Jahren so weit - ich weiß es nicht.

Mit dem Bundesverband der Bürotechniker haben wir vor kurzem eine Zusammenführung abschließen können. Das hat enormer Anstrengungen bedurft. Die Probleme lagen dabei keineswegs in der Sache - das wird bei Elektro und SHK nicht anders sein. Es sind die Menschen, die Mitglieder an der Basis, denen man Zeit geben muss, den Schritten der Verbandsführungen nachzukommen.

Wir haben ein Mandat dafür bekommen, Zukunftsvisionen und Perspektiven zu entwickeln. Nicht zum Verwalten sind wir gewählt worden, sondern um Wege aufzuzeigen, wie die zukünftige wirtschaftliche Existenz unserer Betriebe gesichert werden kann. Deshalb erhebe ich auch den Anspruch Dinge denken zu dürfen und zu müssen und in Abstimmung mit den zuständigen Verbandsgremien in die Tat umzusetzen, die von der Basis im Augenblick nicht recht nachvollzogen werden können.

Von Bock und Polach: Lassen wir es auch in Zukunft so machen, wie wir es gerade tun. Wir entwickeln gemeinsam Projekte, aus denen sich wiederum neue Gemeinsamkeiten entwickeln.


Weitere Infos zu den Schulungen

Zur Zeit läuft die Auswahl der zu zertifizierenden Bildungsstätten. Die Fortbildungsmaßnahmen werden in Zusammenarbeit mit den Landesverbänden angeboten. Weitere Infos gibt es bei den Landesverbänden oder beim ZVSHK unter Tel.: 02241/9299-0 oder via Telefax: 02241/21351

 


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