IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/2002, Seite 94 f.


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Betonkernaktivierung konditioniert Hamburgs Kontore in der Speicherstadt

Die Speicherstadt im Süden Hamburgs mit Wohn- und Gewerbeflächen umschließt ein Areal von 33 Hektar.

Die 120 Jahre alte Speicherstadt - mithin Hamburgs wichtigste Denkmal-Landschaft - wandelt sich: In die einstigen Speicherböden für exotische Waren aus aller Welt ziehen zunehmend Büros, Praxen, Ateliers und Softwarefirmen ein. Die denkmalgeschützten Backsteinfassaden bleiben unversehrt, allein im Inneren ist die Nutzungsänderung sichtbar. Lagerräume werden bis auf die Balkenlagen entfernt, danach die Böden neu aufgebaut, Trennwände gezogen, moderne Haustechnik installiert.

Der Bauherr HHLA (Hamburger Hafen- und Lagerhaus AG) forderte den Planern ein Konditionierungskonzept ab, das thermische Behaglichkeit mit energieeffizienter Technik verquickt. Des Weiteren eine Lösung, die sich möglichst einfach und unauffällig in die Substanz integrieren lässt. Diskreter Klimakomfort für anspruchsvolle Hanseaten, die das Understatement pflegen - so ließe sich die Planungsmaxime auf den Punkt bringen. Bauherr und Beratungsteam wählten die stille und zugfreie Betonkernaktivierung, bei der die wasserdurchströmte Speichermasse der Geschossdecken als Wärmetauscher dient. Sie wurde zunächst im Gebäudeblock S installiert.

Wirtschaftlich ausgeklügelt

Die Betonkernaktivierung temperiert den Raum durch Strahlungsaustausch, vergleichbar einer Kühldecke und einer Fußbodenheizung. Integrierte Wasserkreisläufe halten den Beton zwischen den Balkenlagen ganzjährig auf einem schmalen Temperaturband zwischen 17 und 23°C. Das genügt, um die Grundlast für die Heizung und nahezu die gesamte Kühllast zu decken und Raumtemperaturen zwischen 20 und 26°C zu gewährleisten. Die Kältemaschine arbeitet nur wenige Monate im Jahr, um das geringe Defizit auszugleichen. Die Auslegungstemperaturen betragen beim Heizwasser 25/23°C, beim Kaltwasser 16/20°C.

Im Sommer ist es aufgrund der Speicherwirkung möglich, die Kühlarbeit in die Nacht, also in die Niedertarifzeit, zu verschieben. Die unterkühlte Masse lädt sich tagsüber unter dem Einfluss der inneren und äußeren Lasten langsam wieder auf. Nachts folgt dann erneut der "Entladevorgang" durch mechanische oder freie Kühlung.

Die alten Speicher, hier der Block S, sind sieben- und achtstöckige Lagerhäuser. Die Speicherstadt besteht aus 17 Lagerhäusern mit einer Gesamtfläche von 330.000m2.

Die Betonkernaktivierung spart nicht nur Energie- sondern auch Investitionskosten, bedingt durch den relativ klein bemessenen Kälteerzeuger - und weil keine abgehängten Decken notwendig sind.

Die Speicherstadt ist natürlich für die Betonkernaktivierung geradezu prädestiniert: Die große, zusammenhängende Gebäudemasse verzögert von vornherein die Auswirkung der Außentemperaturschwankungen auf den Gebäudekern. Der Temperaturgang zeigt wie in einer mittelalterlichen Kathedrale nur geringe Schwankungen. Somit lässt sich mit bescheidenem Energieaufwand die thermische Behaglichkeit ganzjährig sicherstellen. Es wäre angesichts dieser Voraussetzung keine wirtschaftliche Lösung, ein herkömmliches Heizsystem zu installieren und eine separate Klimaanlage für die kurzen Bedarfsspitzen draufzusatteln - von deren aufwendigen Regelung abgesehen.

Strangschema für die Heiz- und Kaltwasserversorgung.

Von Hand verlegt

Im Urzustand bestanden die Trenndecken in den Gebäudeblöcken nur aus Balkenlagen und Dielenbrettern. Eine schalldämmende Trennebene war nicht erforderlich. Der Umbau zur modernen Büroimmobilie macht indes einen wirkungsvollen Schallschutz unverzichtbar. Aufgrund dieser Forderung werden die 70 cm breiten Zwischenräume der Balkenlagen mit einer 18 cm dicken Betonschicht ausgegossen. Die Schalungsbretter zwischen den freigelegten Balken bilden zugleich die Wanne für die Rohrverlegung des Heiz-/Kühl-Systems.

Verlegung der PE-Xa-Rohre auf die untere Bewehrung. Je zwei Felder bilden später einen Heizkreis.

Wegen der individuellen Gestaltung der Stockwerke und Balkenlagen wird auf die manuelle Vorortverlegung zurückgegriffen und auf vorgefertigte Rohrregister verzichtet. Normalerweise lässt sich mit der Modulvariante, wie sie in Neubauten angewandt wird, ein Zeitvorteil von bis zu 60% verwirklichen.

Die Heizungsfirma Schwarz + Grantz erklärt das Verlegemuster: In jedes Deckenfeld werden etwa 60 m Rohr mittig in den Beton eingegossen. Je zwei Felder bilden einen Heizkreis mit 120 m Länge, der an ein Tichelmann-System angeschlossen ist. Der Tichelmann-Verteiler liegt an der Stirnseite des jeweiligen Büros. Insgesamt werden rund 3.000 m2 Deckenfläche entsprechend ausgestattet. Im Herbst 2001 waren die ersten Büros im Block S bezugsfertig.

Der Umbau der Speicherstadt ist Bestandteil der "HafenCity", dem größten städtebaulichen Vorhaben in Deutschland, das innerhalb der nächsten Jahrzehnte über 150 Hektar Hafenfläche im Süden der Hafenstadt modernisieren und einer gemischten Nutzung mit Wohn- und Büroflächen zuführen will.

 

@ Internetinformationen:
www.velta.de
www.gt-consult.de


B i l d e r : Landesmedienzentrum Hamburg
Wirsbo-Velta GmbH & Co. KG, Norderstedt

G r a f i k e n : GT Consult Planungsbüro, Hamburg


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