IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 5/2002, Seite 55 ff


RECHT-ECK


Rechtsprechungsentwicklung

Arbeitsrecht aus dem Jahre 2001

RA Friedrich-W. Stohlmann

Im Nachfolgenden sollen einige wichtige Gerichtsentscheidungen im Arbeitsrecht dargestellt werden, die für alle SHK-Betriebe wichtig sind.

Bereitschaftsdienst und privates Arbeitsrecht

In Arbeits- oder Tarifverträgen finden sich gelegentlich Regelungen, nach denen Arbeitnehmer zum Bereitschaftsdienst oder zum so genannten Hintergrunddienst (Rufbereitschaft) herangezogen werden können. Unter Bereitschaftsdienst ist zu verstehen, dass Arbeitnehmer sich an einer vom Arbeitgeber festgelegten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufhalten müssen, um bei Bedarf ihre volle Arbeitstätigkeit unverzüglich aufzunehmen. Hintergrunddienst (Rufbereitschaft) verpflichtet den Arbeitnehmer in gleicher Weise, auf Abruf die Arbeit, z.B. im Falle eines Rohrbruches, aufzunehmen; der Arbeitnehmer kann sich jedoch hierfür an einem Ort seiner Wahl aufhalten, der dem Arbeitgeber anzuzeigen ist oder von dem aus er über Kommunikationsmittel jederzeit erreichbar ist. Als Arbeitszeit wird hierbei in beiden Fällen nur die auf Abruf tatsächlich geleistete Arbeit angesehen. Abgrenzungs- und Auslegungsschwierigkeiten können sich dann aber beim Urlaubsentgelt ergeben. Streitig ist auch häufig, wie der Bereitschaftsdienst/die Rufbereitschaft allgemein zu vergüten sind.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 des Bundesurlaubsgesetzes bemisst sich das während des Urlaubs zu zahlende Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erzielt hat, sofern nicht gesonderte tarifvertragliche Regelungen bestehen. Nach dem Bundesurlaubsgesetz sind aber die Überstunden aus dem zu ermittelnden Durchschnittsverdienst herauszunehmen.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts stellen Bereitschafts- und Hintergrunddienste auch insoweit keine Überstunden im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes dar, als Arbeitnehmer zur Arbeit abgerufen werden und ihre volle Arbeitsleistung erbringen.

Soweit Tarifverträge vorsehen, dass bei der Berechnung des während des Urlaubs weiterzuzahlenden Arbeitsverdienstes variable Lohn- bzw. Gehaltsbestandteile zu berücksichtigen sind, so sind derartige Einsatzzeiten innerhalb der letzten 6 abgerechneten Monate zu berücksichtigen. Das Bundesarbeitsgericht hat die Vergütung für Rufbereitschaft als variablen Lohnbestandteil im Sinne des Tarifvertrages der Eisen- und Stahlindustrie NRW angesehen.

Unterrichtung des Arbeitnehmers über Überstundenverpflichtung

Der deutsche Gesetzgeber hat durch das Nachweisgesetz die EG-Richtlinie über die Pflichten des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen in nationales Recht umgesetzt. Gemäß §2 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes hat der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Nachweisgesetzes enthält einen Katalog der Vertragsbedingungen, die in die Niederschrift mindestens aufzunehmen sind. Das Wort "mindestens" weist darauf hin, dass die Aufzählung keine abschließende Regelung darstellt.

Wie der Europäische Gerichtshof nunmehr im Hinblick auf die streiterhebliche Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Ableistung von Überstunden entschieden hat, ist die Richtlinie so zu verstehen, dass alle die Gegenstände in der Niederschrift oder im Arbeitsvertrag aufzuführen sind, die für das Arbeitsverhältnis wesentlich sind. Hierzu gehört auch der Umfang der Arbeitspflicht. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber eine Kündigung ausgesprochen, weil der Arbeitnehmer sich geweigert hatte, Überstunden zu leisten. Nach seinem Vortrag hatte der Arbeitnehmer sich bereit erklärt, auf Anordnung der Firma bei Kapazitätsengpässen Überstunden auszuführen. Der Arbeitnehmer hingegen behauptet, er habe sich nur für Notfälle zu Überstunden bereit erklärt. Wenn der Arbeitgeber die Nachweispflicht verletzt, so berührt dies die Wirksamkeit des geschlossenen Arbeitsvertrages nicht, sodass die Streitfrage vom Europäischen Gerichtshof nicht endgültig entschieden wurde.

Die Frage, welche Konsequenzen es hat, wenn der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach dem Nachweisgesetz nicht oder nicht vollständig nachkommt, ist höchstrichterlich noch ungeklärt. Hier bleibt die zukünftige Rechtsprechung abzuwarten.

Haftung des Arbeitgebers

Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung

Bekanntlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, neben der Auszahlung des Nettolohns an den Arbeitnehmer die Steuern an das Finanzamt abzuführen und den so genannten Gesamtsozialversicherungsbeitrag (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) der Krankenkasse als gesetzlich bestimmte Einzugsstelle zuzuleiten. Der einzelne Arbeitnehmer hat für den Beitrag gegenüber den Sozialversicherungsträgern selbst dann nicht aufzukommen, wenn sein Arbeitgeber diese Verpflichtung nicht erfüllt.

Unterlässt der Arbeitgeber die fristgerechte Zahlung der fälligen Arbeitnehmerbeiträge, so haftet er nicht nur zivilrechtlich für die Zahlungen, vielmehr ist ein solches Verhalten auch strafrechtlich nach §266a StGB sanktioniert. Der Bundesgerichtshof hat zwischenzeitlich mehrfach entschieden, die Strafbarkeit nach §266 a StGB sei nicht davon abhängig, ob es zu einer Lohnauszahlung an den oder die Arbeitnehmer gekommen ist, entscheidend sei, dass die Versicherungsbeiträge zurückgehalten würden. Allerdings ist ein strafbares Verhalten nur dann gegeben, wenn auch finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, die für die Beitragszahlung ausreichen. Ist auch Letzteres nicht der Fall - und dies dem Arbeitgeber nicht anzulasten - so greift auch die strafrechtliche Sanktion nicht.

In der genannten Entscheidung weist der Bundesgerichtshof auch darauf hin, dass es zu den Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH gehört, sich in einer finanziellen Krise des Unternehmens über die Einhaltung von erteilten Anweisungen zur pünktlichen Zahlung fälliger Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung durch geeignete Maßnahmen zu vergewissern. Bei Verletzung dieser Pflichten kann sich eine deliktische Haftung des GmbH-Geschäftsführers für die offenen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung ergeben, d. h. der Geschäftsführer haftet mit seinem Privatvermögen.

Verletzung von Hinweispflichten bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages

Im Rahmen einer einvernehmlichen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag können den Arbeitgeber Hinweis- und Aufklärungspflichten treffen, deren Voraussetzungen und Umfang sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben. Hierbei sind die gegenseitigen Interessen und alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits früher judiziert, dass den Arbeitgeber gesteigerte Hinweispflichten vor allem dann treffen, wenn der Aufhebungsvertrag auf seine Initiative hin und in seinem Interesse zu Stande kommt. Auch wenn der Wunsch zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages vom Arbeitnehmer ausgeht, besteht im Hinblick auf die durch Eintreten einer Sperrfrist (§144 SGB III) entstehenden Rechtsnachteile eine Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer. Dies gilt jedenfalls insofern, als auf solche eventuell eintretenden Rechtsnachteile und auf die Möglichkeit, nähere Informationen beim Arbeitsamt einzuholen, hinzuweisen ist.

Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Schwangerschaft oder Schwerbehinderteneigenschaft

Das Fragerecht des Arbeitgebers gegenüber einem einzustellenden Arbeitnehmer besteht nicht unbegrenzt. Nicht erlaubt sind z.B. Fragen nach Religions-, Partei- oder Gewerkschaftszugehörigkeit.

Die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft hat das BAG bisher ausnahmsweise dann für erlaubt angesehen, wenn sie objektiv durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist, etwa wenn am Arbeitsplatz gesundheitliche Gefahren drohen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dürfte nach einer Schwangerschaft in Zukunft wohl nicht mehr gefragt werden.

Das BAG erachtet die Frage, ob eine Schwerbehinderung vorliegt, als uneingeschränkt zulässig, wobei sich das Fragerecht auch darauf erstreckt, ob ein Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter (oder ein Gleichstellungsantrag beim Arbeitsamt) bereits gestellt wurde. Zu unterscheiden ist allerdings nach der Rechtsprechung des BAG zwischen der Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft und der Frage nach dem Bestehen einer Behinderung. Letztere darf nur dann gestellt werden, wenn die Behinderung die Eignung des Bewerbers für die vorgesehene Tätigkeit beeinträchtigt.

Während für den Arbeitnehmer die wahrheitswidrige Beantwortung unerlaubt gestellter Fragen folgenlos ist, berechtigt die unrichtige Beantwortung einer zulässigen Frage des Arbeitgebers die Anfechtung des Arbeitsvertrages nach § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung.

Kündigung und Kündigungsschutz

Betriebsbedingte Kündigung

Voraussetzung einer betriebsbedingten Kündigung ist zunächst, dass im Betrieb ein Arbeitsplatz ersatzlos weggefallen ist. Die aus Anlass einer (zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes führenden) organisatorischen Maßnahme ausgesprochene Kündigung ist nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz bedingt, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Dies ergibt sich aus dem allgemein im Kündigungsrecht geltenden "Ultima-ratio-Grundsatz", dem vor allem bei der betriebsbedingten Kündigung maßgebliche Bedeutung zukommt. Eine Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens nicht weiter beschäftigt werden kann. Obwohl nach dem Gesetzeswortlaut diese Rechtsfolge davon abhängt, dass der Betriebsrat aus diesem Grunde frist- und formgerecht widersprochen hat, besteht Einigkeit darüber, dass Gleiches gilt, wenn der Betriebsrat der Kündigung nicht widersprochen hat oder ein betriebsratsloser Betrieb vorliegt. Die unternehmensbezogen zu prüfende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit muss sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich und zumutbar sein. Dies setzt voraus, dass ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten (schlechteren) Bedingungen vorhanden ist, und der Arbeitnehmer über die hierfür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt.

Auflösungsantrag des Arbeitgebers

Obwohl das Kündigungsschutzgesetz in erster Linie dem Schutz des Arbeitsplatzes dient, kann in bestimmten Fällen das Arbeitsverhältnis bei unwirksamer Kündigung auch auf Antrag des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden, § 9 Kündigungsschutzgesetz.

Der Arbeitgeber kann nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz einen Auflösungsantrag allerdings lediglich bei der ordentlichen Kündigung stellen und im Übrigen auch nur dann, wenn die Kündigung lediglich nach § 1 des Kündigungsschutzgesetzes sozialwidrig ist.

Dem Auflösungsantrag des Arbeitgebers ist nach §9 Abs. 1 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz nur dann stattzugeben, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Weitergehend ist der Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 14 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz ohne Begründung möglich, wenn es sich um den Personenkreis der Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnlichen leitenden Angestellten handelt, soweit diese zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind. Höchstrichterlich war bisher ungeklärt, ob sich der Satzteil "soweit diese zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind" außer auf leitende Angestellte auch auf Geschäftsführer und Betriebsleiter bezieht. Das BAG hat nunmehr diese Frage im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bejaht und seine Rechtsprechung auch auf diesen Personenkreis ausgedehnt.


Praxishinweis:

Es wird den Fachbetrieben, insbesondere solchen, mit mehr als fünf Beschäftigten, dringend angeraten, sich von Zeit zu Zeit mit aktuellen Arbeitsrechtsfragen zu befassen oder entsprechende Fortbildungsmaßnahmen zu besuchen. Wird beispielsweise bei einem seit 15 Jahren beschäftigten Monteur mit einem Bruttomonatsgehalt von 4800,- DM eine "falsche" Kündigung ausgesprochen und vom Gericht dem genannten Auflösungsantrag des Arbeitnehmers gefolgt, so wird die Abfindung bei ca. 36.000,- DM liegen (15 Jahre x 1/2 Monatsgehalt = 36.000,- DM).

Also: Nicht vergessen, die richtige soziale Auswahl zu treffen.


[Zurück]   [Übersicht]   [www.ikz.de]