IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 3/2002, Seite 34 ff


HEIZUNGSTECHNIK


Die Anwendung der DIN V 4701-10

Energetische Bewertung heiz- und raumlufttechnischer Anlagen

Dr.-Ing. Boris Kruppa*

Die energetische Bewertung der gesamten Anlagentechnik wird in der DIN V 4701-10 behandelt. Diese Vornorm ist mit Ausgabedatum Februar 2001 erstmals veröffentlicht worden und gibt dem Anlagenbauer und Planer die Möglichkeit, die Verluste der eingesetzten Anlagentechnik zu quantifizieren und die Vorteile effizienter Technik aufzuzeigen. Die wesentlichen Inhalte und Zusammenhänge dieser neuen Norm sollen in diesem Beitrag kurz erläutert werden.

In Kürze wird die neue Energieeinsparverordnung (EnEV)in Kraft treten und damit gleichzeitig die Wärmeschutz- und Heizungsanlagenverordnungen ersetzen. Die EnEV sieht eine ganzheitliche Bewertung neu zu errichtender Gebäude anhand des Jahres-Primärenergiebedarfs für Heizung, Lüftung und Trinkwassererwärmung vor. Mit der Einführung eines Rechenverfahrens zur energetischen Bewertung der Anlagentechnik - festgelegt in der DIN V 4701-10 - werden Bauphysik und Anlagentechnik erstmals eng miteinander in einer Verordnung verknüpft. Zukünftig können z. B. Dämm-Maßnahmen am Gebäude mit einer energetischen Verbesserung der Heizungsanlage kompensiert werden. Da die Hauptanforderung der Verordnung auf Basis der eingesetzten Primärenergie erfolgt, wird zudem ein korrekter Vergleich der Energieträger durchgeführt.

Ziele der DIN V 4701-10

Die DIN V 4701-10 verfolgt mehrere Ziele, die sich sowohl auf das Rechenverfahren als auch auf die praktische Anwendung beziehen. Diese sind:

- die Ermittlung und Ausweisung der Verluste in jedem Prozessbereich der Anlagentechnik (Verteilung, Erzeugung usw.), um eine vergleichende Bewertung der energetischen Qualität der eingesetzten Komponenten und Systeme zu ermöglichen;

- die Angabe einer einzigen Kennzahl für die gesamte Anlagentechnik als zusammenfassendes Ergebnis der o. g. Berechnungen. Diese Kennzahl ist in der Norm als Anlagen-Aufwandszahl eP bezeichnet und ist ein Maß für die energetische Qualität der Anlagentechnik auf Basis der eingesetzten Primärenergie;

- die Darbietung mehrerer Möglichkeiten, um die vorgenannten Verluste in den Prozessbereichen (Kennwerte) und die Anlagen-Aufwandszahl in Abhängigkeit des Anwendungsfalls und der gewünschten bzw. möglichen Planungstiefe zu bestimmen;

- die Möglichkeit der Einbringung von Herstellerangaben für Komponenten und Produkte der Anlagentechnik in das Bewertungsverfahren.

Bild 1: Bestimmung der Anlagen-Aufwandszahl eP am Beispiel eines Wohngebäudes mit zentraler Heizung und Trinkwassererwärmung.

Die Primärenergie-Aufwandszahl eP

Die Berechnung einer Anlage nach DIN V 4701-10 liefert als Ergebnis den Primärenergiebedarf der Anlage, der benötigt wird, um den Jahres-Heizwärmebedarf des Gebäudes zu decken. Das Ergebnis der Berechnung wird in Form einer Verhältniszahl ausgedrückt, der so genannten Anlagen-Aufwandszahl eP:

Aus dieser Definition (Kehrwert des Nutzungsgrades) folgt, dass eine Anlage energetisch umso effektiver arbeitet, je kleiner die Anlagen-Aufwandszahl eP ist. Neben dem Primärenergiebedarf weist die Norm auch getrennt für jeden Energieträger den Endenergiebedarf aus, da dies für den Betreiber zur Abschätzung der Energie-Verbrauchskosten interessant ist.

Das Rechenverfahren der DIN V 4701-10

Die DIN V 4701-10 ist so konzipiert worden, dass sie flexibel eingesetzt werden kann, je nachdem wie viele Detailkenntnisse der Anwender über die Anlagentechnik hat. Im einfachsten Fall genügen sehr wenige Daten, wie die beheizte Nutzfläche AN, der Jahres-Heizwärmebedarf Qh und eine kurze Beschreibung der eingesetzten Anlagentechnik (z. B. Brennwertkessel, Aufstellung im beheizten Bereich, Art der Trinkwassererwärmung usw.). Die Aufwandszahl kann für so ein System direkt aus einem Diagramm abgelesen werden.

Andererseits kann jede einzelne Verlustgröße der Anlagentechnik (Kennwert) auch genau ermittelt werden, wie beispielsweise die exakte Bestimmung der Verteilverluste einer Heizungsanlage. Parameter wie Rohrleitungslängen, Dämmschichtstärke, mittlere Vor- und Rücklauftemperaturen des Heiznetzes gehen in diese Berechnung ein.

Bild 2: Aufwandszahl-Diagramm.

Die Norm bietet generell drei Möglichkeiten, um die Kennwerte bzw. die Anlagen-Aufwandszahl eP mit unterschiedlichem Rechenaufwand und Detaillierungsgrad zu bestimmen;

1. die detaillierte Bestimmung einzelner bzw. aller Kennwerte nach den Berechnungsalgorithmen in Abschnitt 5 der Norm (Detailliertes Verfahren);

2. die Nutzung tabellierter Standardkennwerte in Anhang C.1 bis C.4 der Norm (Tabellenverfahren);

3. die Verwendung von Diagrammen definierter Anlagensysteme auf Basis der tabellierten Standardkennwerte z. B. in Anhang C.5 der Norm (Diagrammverfahren).

Allen drei Verfahren liegt ein und derselbe Rechenalgorithmus zugrunde (Abschnitt 4 der Norm). Die Reduktion der für die Berechnung notwendigen Detailkenntnisse erfolgt durch Festlegung von Randbedingungen und Parametern der physikalischen Grundgleichungen, die alle in der Norm dokumentiert werden. Das Diagrammverfahren und das Tabellenverfahren leiten sich somit direkt aus dem detaillierten Verfahren durch die Festlegung auf gewisse Standard-Kennwerte ab. Standardkennwerte werden im allgemeinen immer dann verwendet, wenn keine genauen Planungsdaten oder Produktkennwerte bekannt sind. Die Standardkennwerte orientieren sich an marktüblichen unteren energetischen Durchschnittswerten. Deren Verwendung führt im Allgemeinen zu einem auf der sicheren Seite liegenden Ergebnis.

Anwendungsleitfaden zur DIN V 4701-10
Der Bundesindustrieverband Heizungs-, Klima-, Sanitärtechnik/Technische Gebäudesysteme e.V. (BHKS) hat einen Anwendungsleitfaden mit dazugehöriger EXCEL-Applikation zur DIN V 4701 Teil 10 herausgegeben. Das Tabellenkalkulationsprogramm soll als praktische Arbeitshilfe bei der Ermittlung der Anlagenaufwandszahl nach dem Tabellenverfahren der DIN V 4701-10 dienen. Die 48-seitige Broschüre mit beiliegender Diskette ist zum Preis von 25,60 Euro erhältlich.
BHKS, Weberstraße 33, 53113 Bonn, Tel.: 02 28 / 9 49 17-0; Fax: 02 28 / 9 49 17 - 17.

Diagrammverfahren

Die Festlegung der Randbedingungen bei der Vereinfachung zum Diagrammverfahren (Bild 2) ist so erfolgt, dass die Anlagen-Aufwandszahl neben der verwendeten Anlagentechnik nur noch von den Gebäudeparametern Nutzfläche AN und spezifischer Jahres-Heizwärmebedarf qh abhängt. Diese Abhängigkeit von nur zwei Parametern ermöglicht es, die Anlagen-Aufwandszahl einer konkreten Anlage für alle Arten von Gebäuden in einem einzigen Diagramm darzustellen. Damit ist das Aufwandszahl-Diagramm für den Anwender eine sehr schnelle Möglichkeit, die Anlagen-Aufwandszahl für ein beliebiges Gebäude direkt und ohne Berechnungen zu bestimmen.

In Anhang C.5 der Norm sind Aufwandszahl-Diagramme für sechs typische Anlagen dargestellt. In einem Beiblatt zur DIN sollen demnächst 71 weitere Anlagenkombinationen veröffentlicht werden (Bild 3). Das Beiblatt wird voraussichtlich im Februar dieses Jahres veröffentlicht. Eine Besonderheit der Aufwandszahl-Diagramme der Norm ist, dass sie ausschließlich mit den Kennwerten für Standardkomponenten ermittelt wurden.

Bild 3: Beiblatt zur DIN V 4701-10 mit Planungshilfe.

Tabellenverfahren

Aufgrund der Vielzahl der möglichen Anlagen-/ Gerätekombinationen ist es nicht möglich, die Anlagen-Aufwandszahlen aller Kombinationen in Form von Aufwandszahl-Diagrammen zu bestimmen. Wenn kein Diagramm für die gewünschte Anlage vorliegt, muss diese anhand der Rechenalgorithmen der Norm berechnet werden. Dazu bietet die Norm Berechnungstabellenblätter an, die den Rechenalgorithmus wiedergeben und in die die einzelnen Verlustkennwerte, wie z. B. die Verteilverluste, direkt in kWh/(m2 a) oder als Aufwandszahl eingetragen werden. Die Werte für Standardkomponenten und Installationen sind als Tabellen in Anhang C für verschiedene sinnvolle Varianten dargestellt und können direkt verwendet werden. Dies ist im Bild 4 am Beispiel der Verteilverluste für die Trinkwassererwärmung geschehen.

Detailliertes Berechnungsverfahren

Wenn Planungsdaten oder Herstellerangaben zu den eingebauten Komponenten vorliegen, lassen sich die Kennwerte exakter bestimmen. Am Beispiel von Bild 4 liegt im Tabellenverfahren als Standardwert für den Wärmeverlust der Zirkulationsleitungen von 11,6 kWh/(m2 a) eine gesamte Rohrleitungslänge von 51 m zugrunde. Wenn aufgrund der vorliegenden Rohrleitungsplanung diese Angaben bekannt sind, kann dieser Verlustwert in der Regel verbessert werden. Gleiches gilt auch für Herstellerangaben zu Komponenten wie Heizkessel, Pumpen, Speicher usw. Durch den Einbau hocheffizienter Geräte lassen sich die Standardwerte des Tabellenverfahrens um bis zu 50% verbessern.

Bild 4: Ausfüllen der Berechnungstabellenblätter (links) unter Verwendung der Tabellen für Standardwerte im Anhang C (Tabellenverfahren).

Einsparpotenziale ausnutzen

Die DIN V 4701-10 gibt dem Planer die Möglichkeit, das volle Einsparpotenzial guter Anlagentechnik darzustellen und auszunutzen. Die niedrigsten Anlagen-Aufwandszahlen können erreicht werden:

- durch den Einsatz von energiesparenden Anlagentechniken, z. B. Solaranlagen oder Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung;

- durch gute Planung der Anlagentechnik, z.B. indem Rohrleitungslängen so kurz wie möglich gehalten, oder Komponenten in die beheizte Gebäudehülle gesetzt werden;

- durch Verwendung hocheffizienter Geräte, z. B. gut gedämmte Trinkwasserspeicher oder Kessel mit einem überdurchschnittlich hohen Wirkungsgrad.

Besonders im Zusammenhang mit der Energieeinsparverordnung sollte die Auswahl und Festlegung von effizienter Anlagentechnik so früh wie möglich beginnen, da dies dazu beiträgt, den vom Gesetzgeber geforderten Primärenergie-Grenzwert einzuhalten bzw. ihn zu unterschreiten. Ferner erhöht eine geringe Anlagen-Aufwandszahl den Gestaltungsspielraum des Architekten.  

 


*) Dr.-Ing. Boris Kruppa, Leiter Technisches Referat im Bundesindustrieverband Heizungs-, Klima-, Sanitärtechnik e.V./Technische Gebäudesysteme


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