IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 23/2001, Seite 52 ff


ARBEITSSCHUTZ-SPEZIAL


Neues zum Gefahrguttransport

Dr. Klaus Kersting · Dipl.-Ing. Jens Petzold*

Insider wissen es längst - alle anderen haben es wahrscheinlich erwartet: Die Gefahrgutverordnung Straße ist wieder einmal geändert worden. Diesmal wurde eine umfangreiche Umstrukturierung vorgenommen. Im Zuge europäischer Harmonisierung und Standardisierung sind die ADR/RID (Straßen- und Schienengefahrguttransportvorschriften) zum 1. Juli 2001 in neu strukturierter Form - zumindest formell - in Kraft getreten.

Die Neustrukturierung umfasst eine völlig neue Gliederung des ADR/RID. Das bisherige Randnummernsystem wird durch eine numerische Gliederung ersetzt. Das ADR wird in insgesamt 9 Teile untergliedert, wobei die Teile 1 bis 7 gemeinsame Vorschriften für ADR und RID beinhalten und die Teile 8 und 9 nur straßenspezifische Vorschriften enthalten.

Die neue Struktur des ADR im Überblick:

Teil 1: Allgemeine Vorschriften (Befreiungen, Definitionen, Schulung usw.)
Teil 2: Klassifizierung
Teil 3: Gefahrgutverzeichnis und begrenzte Mengen
Teil 4: Verwendung von Verpackungen, IBC und Tanks
Teil 5: Versand (Kennzeichnung, Bezettelung, Dokumentation)
Teil 6: Bau- und Prüfvorschriften für Verpackungen, IBC und Tanks
Teil 7: Beförderung, Be- und Entladung, Handhabung
Teil 8: Fahrzeugbesatzung, Ausrüstung und Betrieb der Fahrzeuge
Teil 9: Bau und Zulassung von Fahrzeugen

Kernstück des neuen ADR ist sicherlich die Tabelle A im Kapitel 3.2. In dieser Tabelle sind alle gefährlichen Stoffe und Gegenstände - sortiert nach UN-Nummern - aufgeführt. Die wichtigsten Informationen zu jedem gefährlichen Stoff oder Gegenstand sind in codierter Form in dieser 22-spaltigen Tabelle enthalten, so z.B. die Klassifizierung oder die Kennzeichnung mit Verpackungsvorschriften. Die bisherige Klassifizierung wurde geändert. Sie besteht nun aus der stoffspezifischen UN-Nummer und der Verpackungsklasse.

Die für die Baubranche wichtige Regelung hinsichtlich Freistellung von Kleinmengen (bisher Rn 10011 ADR) wird nun in 1.1.3 "Freistellungen" (Teil 1, Kapitel 1, Abschnitt 3), speziell in 1.1.3.6 behandelt. Vorteilhaft ist, dass in diesem Abschnitt alle Freistellungen zusammengefasst sind.

Die neuen Vorschriften sollen seit dem 1. Juli 2001 anwendbar sein. Aufgrund der umfangreichen Neuerungen ist jedoch eine 18-monatige Übergangsfrist vorgesehen, d.h. bis Ende 2002 wird das ADR/RID sowohl in bisherigen als auch neuer Form angewendet werden.

Bild 1: Bei Spraydosen ist die Gefahrgutkennzeichnung auf dem Karton. Die einzelne Spraydose ist nicht gekennzeichnet.

Schulungsbedarf bei Baubetrieben

Viele Produkte, die Baubetriebe bei ihren täglichen Arbeiten verwenden, sind Gefahrgüter im Sinne des Gefahrgutbeförderungsgesetzes. Beispiele sind Kraftstoffe, Gase und Spraydosen. Aber auch lösemittelhaltige Farben und Klebstoffe, saure oder alkalische Reiniger sowie Epoxidharze sind Gefahrgüter. Nicht immer ist auf den ersten Blick ersichtlich, ob es sich bei einem Produkt um Gefahrgut handelt (Bild 1). Einen sicheren Hinweis liefert hier das Sicherheitsdatenblatt.

Häufig können Erleichterungen in Anspruch genommen werden, da die transportierten Mengen verhältnismäßig klein sind. Über die anzuwendenden Regelungen bei den einzelnen Transporten und die Vorteile der Kleinmengenregelung ist schon ausführlich berichtet worden. Interessierte Baubetriebe haben zudem die Möglichkeit, bei ihrer zuständigen Bau-Berufsgenossenschaft die Broschüre "Transport von Gefahrgütern" (Bild 2, Abruf-Nr. 806.5) anzufordern.

Ungeachtet der Erleichterungen, die sich bei der Durchführung von Kleinmengentransporten für die Betriebe ergeben, bestehen weiterhin die Verpflichtungen, die sich aus der Gefahrgutbeauftragtenverordnung (GbV) ergeben. Betriebe, die ausschließlich Kleinmengentransporte durchführen, sind zwar von der Bestellung eines Gefahrgutbeauftragten befreit. Allerdings bestehen weiterhin die im Folgenden beschriebenen Verantwortlichkeiten für verschiedene Personen, deren Tätigkeiten Gefahrguttransporte betreffen.

Bild 2: Broschüre "Transport von Gefahrgütern".

Die GbV unterscheidet drei Personenkreise:

Die größte Verantwortung trägt der Unternehmer. Da er jedoch die einzelnen Transporte nicht selbst überwachen kann, sollte er die Verantwortung für diese Transporte z.B. an Disponenten oder Poliere übertragen. Im Sinne der GbV ist diese Delegation die Benennung einer beauftragten Person. Entsprechend der GbV können nur solche Personen zu beauftragten Personen benannt werden, die einen Entscheidungsspielraum haben und somit eigenverantwortlich im Auftrag des Unternehmers handeln. Ein Polier oder Disponent wird aber erst dann zu einer beauftragten Person, wenn der Unternehmer ihn dazu schriftlich bestellt (Bild 3). Außerdem muss der Unternehmer dafür sorgen, dass die beauftragte Person Kenntnisse über die gefahrgutrechtlichen Regelungen für ihren Aufgabenbereich hat. Unterlässt der Unternehmer die Bestellung einer beauftragten Person, so verbleibt die Verantwortung beim Unternehmer.

Der dritte Personenkreis, dessen Tätigkeiten auch den Transport von Gefahrgütern betrifft, sind z.B. die Fahrzeugführer und auch Personen, die Gefahrgüter be- und entladen. Diese Personen werden in der Gefahrgutbeauftragtenverordnung als sonstige verantwortliche Personen bezeichnet. Diese Personen müssen z.B. wissen, ob es sich bei den Produkten um Gefahrgüter handelt, wie sie gekennzeichnet sein müssen und wie Gefahrgüter auf die Fahrzeuge zu verladen sind.

Sowohl die beauftragten als auch die sonstig verantwortlichen Personen müssen über die für sie geltenden gefahrgutrechtlichen Regelungen geschult werden. Der Schulungsinhalt muss auf die jeweilige betriebliche Situation (z.B. beförderte Gefahrgüter, Aufgabenbereich) ausgerichtet sein. Die Schulungen sind in regelmäßigen Abständen zu wiederholen; als Richtwert wird ein Intervall von 1 bis 2 Jahren vorgeschlagen; aber spätestens nach Änderungen von relevanten Gesetzen und Verordnungen muss eine neue Unterweisung durchgeführt werden. Über die Schulung ist eine Bescheinigung mit Angaben über Zeitpunkt, Dauer und Inhalt der Unterweisung auszustellen (Bild 4). Die GbV kennt keine Vorschriften über die Dauer oder den Umfang derartiger Schulungen.

Für die Durchführung der Schulungen und das Vorliegen von Schulungsbescheinigungen ist der Unternehmer verantwortlich. Verfügt er über ausreichende Kenntnisse, so kann er diese Schulungen selber durchführen und die Bescheinigung ausstellen. Seit dem 1. Januar 2000 ist das Fehlen von Schulungsbescheinigungen für den Unternehmer bußgeldbewährt.

 


* Dr. Klaus Kersting, Arbeitsgemeinschaft der Bau-Berufsgenossenschaften, Frankfurt am Main
Dipl.-Ing. Jens Petzold, Tiefbau-Berufsgenossenschaft, Dresden


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