IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 21/2001, Seite 58 ff


UNTERNEHMENSFÜHRUNG


Strategien für Ihren Erfolg

Teil 2: Analyse von Ist-Situation und speziellen Stärken

W. Neise, Cuxhaven

Nach der Benennung der vier Grundprinzipien für ein strategisches Marketing im letzten Beitrag, geht es nun um die konkrete Anwendung der Erfolgsstrategie EKS. In der Praxis vollzieht sie sich in sieben Phasen. Am Anfang steht dabei die Analyse der momentanen Situation des Unternehmens sowie die Bestimmung seiner speziellen Stärken.

Umsetzung der Strategie für den eigenen Betrieb

Die Strategie wird aus dem jeweiligen Ist-Zustand in sieben Phasen mit aufeinander aufbauenden Schritten entwickelt. Mancher Handwerksmeister glaubt, die ersten Schritte bereits ausgeführt zu haben, seine speziellen Stärken gegenüber den Mitbewerbern schon zu kennen und hat in einer bestimmten Aufgabenstellung und Zielgruppe festen Fuß gefasst. Trotzdem sollten die ersten Schritte noch einmal überlegt und gegebenenfalls verbessert beziehungsweise präzisiert werden.

Werden die ersten Schritte nicht präzise ausgeführt, so werden auch die nachfolgenden unpräzise oder gar unmöglich. Ist einer der folgenden Schritte nicht oder nur schwer ausführbar, muss man zum vorherigen Schritt zurückgehen.

Andererseits muss man die Feinheiten der einzelnen Schritte nicht übertreiben, denn unter strategisch Blinden ist selbst der Einäugige König. Durch die praktische und konsequente Umsetzung der einzelnen Schritte stellen sich erste Erfolge sehr schnell ein. Die Details und Feinheiten der einzelnen Schritte entwickeln sich durch die ausgelösten Informations- und Lernprozesse zunehmend von selbst.

Es kommt generell auf das richtige strategische Denken und Handeln an, nicht so sehr auf Details.

Die sieben Schritte der Strategieentwicklung

Ihre ganz individuelle Reise zum Erfolg verläuft in sieben aufeinander aufbauenden Phasen.

Phase 1: Analyse der strategischen Ist-Situation und der speziellen Stärken

In der ersten Phase gewinnen Sie einen Überblick über Ihr persönliches Leistungspotenzial und das Ihres Unternehmens. Hinzu kommt - was das Wichtigste ist - dass Sie ermitteln, was diese Stärken im Vergleich zu Ihren Mitbewerbern wert sind. Meistens gelingt es schon in dieser Phase, aus einzelnen Stärken ganz neue Marktchancen und Profilierungen abzuleiten.

Phase 2: Analyse des erfolgversprechendsten Spezialgebietes

Die ausgefallenste Leistung ist keinen Euro wert, wenn sich nicht irgend jemand findet, der für diese Leistung zu zahlen bereit ist. In der zweiten Phase suchen und finden Sie das Spezialgebiet, auf dem Sie das, was Sie oder Ihr Unternehmen am besten können, am gewinnbringendsten für andere (und damit auch für Sie selbst) einsetzen können. Hier legen Sie den Grundstein für Ihren Erfolg.

Phase 3: Suche nach der geeigneten Zielgruppe

Für jedes Spezialgebiet gibt es unendlich viele verschiedene Zielgruppen mit sehr unterschiedlichen Problemen und Bedürfnissen. In dieser Phase machen Sie nun einen ganz entscheidenden Schritt: Sie finden heraus, welche Zielgruppe Ihre Leistungen am dringendsten braucht und bei welcher Sie die größten Erfolgschancen haben.

Phase 4: Analyse des von der Zielgruppe am brennendsten empfundenen Problems

In diesem Strategieschritt nähern Sie sich der Aufgabe, den so genannten zwingenden Nutzen zu entwickeln - das heißt, eine Leistung, die Ihre Zielgruppe annehmen muss, um selbst erfolgreich oder konkurrenzfähig zu sein.

Je klarer Sie Ihre Zielgruppe mit allen ihren Eigenschaften und Wünschen vor sich sehen, desto leichter können Sie deren brennendsten Probleme erkennen. Denn die Zielgruppe honoriert Problemlösungen (Bild 1).

Bild 1: Zielgruppenanalyse.

Phase 5: Innovationsstrategie

Dies ist die entscheidende Phase der Strategie. Hier geht es um nichts anderes, als um diejenige Problemlösung, die Sie in den Augen der Zielgruppe zur Nr.1 macht. Sie verschafft Ihnen den entscheidenden Wettbewerbsvorsprung vor der Konkurrenz. Die Innovation ist das zentrale Problem unserer Zeit.

Phase 6: Kooperationsstrategie

Wenn es Ihnen in Phase 5 gelungen ist, für das brennendste Zielgruppenproblem eine überzeugende Lösung zu entwerfen, werden Sie mit großer Sicherheit an einen Punkt stoßen, wo Sie ohne externe Hilfe nicht weiterkommen. Statt nun Ihre Kräfte darauf zu verwenden, andere zu bekämpfen und sich im Wettbewerb aufzureiben, ist es sehr viel sinnvoller, gemeinsam zu arbeiten und Ihre Energie darauf zu verwenden, bessere und attraktivere Leistungen zu entwickeln.

Phase 7: Stetiger Erfolg durch Ausrichtung auf das konstante Grundbedürfnis

Die Befriedigung des so genannten konstanten Grundbedürfnisses einer Zielgruppe ist das langfristige Unternehmungsziel. In dieser Phase lernen Sie, wie Sie Ihre einmal erreichte Marktposition dauerhaft gegen Wettbewerber verteidigen und sogar ausbauen können.

Phasenablauf

Die Strategie löst mit jedem Schritt spezifische Informations- und Lernprozesse aus, die den nächsten Schritt erleichtern. In immer neuen Durchläufen der sieben Phasen führt die Strategie zu einer immer genaueren Orientierung auf die speziellen Stärken, Aufgabenfelder, Zielgruppen und brennendsten Probleme des Wachstums (Bild 2).

Bild 2: Ablauf der sieben Phasen der EKS.

Analyse von strategischer Ist-Situation und speziellen Stärken

Warum sollten Sie Ihre speziellen Stärken kennen? Lassen Sie mich ein Beispiel anführen: Im Kreis von Heizungs- und Sanitärhandwerksmeistern wurde folgende Frage gestellt: Warum sollte ein Kunde gerade Ihrem Betrieb den Auftrag erteilen?

Die anfängliche Sprachlosigkeit führte dann langsam zu folgenden Aussagen:

Alle diese Aussagen bieten dem Kunden keine Entscheidungsgrundlage, da kein klarer Nutzen für die Wünsche und Anforderungen des Kunden erklärt wurde. Der Kunde erwartet selbstverständlich die Verwendung von normgerechten und sicherem Installationsmaterial für seinen Auftrag. Da man davon ausgehen kann, dass alle Betriebe gleiche Materialien vom Großhandel beziehen - sprich die Armaturen und Kessel des gleichen Herstellers installiert werden - stellt sich die Frage, wo denn der besondere Unterschied für den Nutzen des Kunden liegt.

Wie man an diesem Beispiel erkennen kann, fällt es dem Heizungs- und Sanitärhandwerk offensichtlich schwer, sich durch eine besondere Art und Weise aus der Wettbewerbersituation heraus durch eine klare, verständliche Darstellung der eigenen fachlichen und sozialen Kompetenz in Hinblick auf die Kundenwünsche zu präsentieren. Geben Sie dem ausgewählten Kunden eine einfache Entscheidungshilfe indem Sie anders sind wie die anderen!

Jedes Unternehmen - auch das Ihrige - hat bestimmte Stärken und genau diese Stärken werden Sie mit dem ersten Schritt dieser Strategie herausfinden.

Die erste Frage ist: Was mache ich - genauer: Für welche Aufgaben oder Leistungen setze ich meine/unsere Kräfte und Mittel ein?

Bei dieser Analyse steht man zwischen der Notwendigkeit, einen generellen Überblick über die Leistungen zu gewinnen und der Gefahr, ihn durch zu viele Details wieder zu verlieren. Man muss die Mitte wahren. Eine einfache Hilfe ist, sich in die Situation eines Feldherren zu versetzen. Er hat das gleiche Problem. Er muss sich generell einen Überblick über die zur Verfügung stehenden Kräfte und deren Einsatz verschaffen. Zu tief ins Detail zu gehen, würde ihn nur verwirren.

Schaffen Sie sich Arbeitsblätter, die sich an Tafel 1 und 2 orientieren. So haben Sie den Vorteil, beliebig viele Einzelleistungen aufnehmen zu können, um sie dann auf die wichtigsten zusammenzustreichen. Hintergrund ist, das bisherige Leistungsprofil kennen zu lernen, um es dann an den verschiedenen Möglichkeiten zu verbessern. Wer ein klares Konzept hat, findet gerade in den sich dynamisch fortwährend verändernden Marktverhältnissen genug Möglichkeiten, genau diese Veränderungen für sich zu nutzen. Ziel Ihrer Analyse muss es sein, ein schärferes und auf eine erfolgversprechende Bedarfslücke gerichtetes Profil zu entwickeln.

Wie Sie Ihre speziellen Stärken finden

Eine vollständige Ist-Analyse umfasst vier Bereiche. Arbeiten Sie heraus, was Sie bisher getan haben und was Sie außerdem tun könnten. Wichtig sind auch immaterielle Vermögenswerte wie Patente, Lizenzen besonderes Know-how. Gehen Sie hier bitte so genau wie möglich vor, auch wenn es am Anfang sehr mühevoll erscheint. Hier einige Beispielfragen:

Bereich 2: Problemlösungserfahrung

Analysieren Sie, welche Probleme Sie bereits gelöst haben. Welche speziellen Kundenprobleme konnten Sie besser als der Mitbewerb lösen. Gibt es weitere Kunden mit den gleichen Schwierigkeiten - vielleicht schon die Entdeckung einer Marktnische?

Stellen Sie sich folgende Fragen:

Bereich 3: Visionen und Ziele

Beschreiben Sie Ihre Visionen und Ziele! Jeder Mensch, also auch Sie, hat Ziele, Wunschvorstellungen, Vorbilder, Leitbilder und Visionen. Sie steuern bewusst oder unbewusst auch die Entwicklung Ihres Unternehmens in positiver oder negativer Richtung. Wer die Nr. 1 im Schach werden will, verhält sich anders als jemand, der dies im Tennis sein möchte. Beantworten Sie sich folgende Fragen:

Bereich 4: Beziehungen und Image

Untersuchen Sie, welche Beziehungen und welches Image Sie im Markt haben. Beziehungen, Image und andere immateriellen Werte werden von Menschen, die überwiegend materialistisch denken, unterschätzt. Im Spiegel der anderen sieht man sich oft besser als im eigenen. Fragen Sie Mitarbeiter (Fragebogen ohne Namensnennung), Freunde, Kunden und Geschäftspartner, was man Ihnen zutraut, welches Image Sie haben. Bitten Sie um ehrliche Aussagen, Sie werden erstaunt sein.

Auch hier einige kleine Gedankenstützen:

Ihre speziellen Stärken

Stärken wahllos aufschreiben und intuitiv selektieren

Notieren Sie völlig wahllos und wertfrei alle Stärken die sich aus den Fragen der einzelnen Bereiche ergeben. Markieren Sie dann diejenigen, die Ihnen intuitiv am wichtigsten erscheinen (Tafel 1).

Relative Stärken gegenüber der Konkurrenz ermitteln

Fragen Sie sich nun, wie stark diese Eigenschaften im Verhältnis zu einem vergleichbaren Konkurrenten ausgeprägt sind - Bewertungsskala 0 bis 100 (Tafel 2).

Stärken aus Sicht der Zielgruppe

Fragen Sie sich nun, wie Ihre Zielgruppe diese Stärken bewerten würde. Abweichungen gegenüber Ihrer Bewertung geben Hinweis darauf, ob das Eigenbild von dem Bild abweicht, das Außenstehende haben.

Erfolgversprechendste Stärken herausarbeiten

Sortieren Sie die am höchsten bewerteten Stärken heraus und tragen diese mit ihren Werten in eine Tabelle analog zu Bild 3 (Stärkenprofil) ein. Betrachten Sie nun Ihr spezielles Stärkenprofil! Welche Stärken sind die herausragendsten? Ergibt sich eventuell aus der Verbindung einzelner Stärken schon eine herausragende Leistung?

Hinweise zur Bewertung:

1. Wie beurteilen Sie selbst Ihre Stärken im Vergleich zu Mitbewerbern?

2. Wie werden diese Stärken von Ihrer Zielgruppe bewertet?

Die Orientierungspunkte:
0 = unterentwickelte Stärke
50 = durchschnittliche Stärke
100 = herausragende Stärke

Zeichnen Sie wie im Bild 3 mit unterschiedlichen Farben bis zu dem entsprechenden Punkt.

Bild 3: Ihr Stärkeprofil: Tragen Sie Ihre wesentlichen Stärken in das Stärkeprofil ein und erstellen Sie wie im Bild dargestellt eine Balkengrafik. Diskutieren Sie das Ergebnis mit Personen, die Ihnen vertraut sind und von denen Sie eine offene und faire Kritik erwarten können.

Grad der persönlichen Identifikation einschätzen

Identifizieren Sie sich mit dem Ergebnis? Wenn nicht, dann suchen Sie andere Kombinationen. Beachten Sie dabei immer: Alles was Sie gerne tun, machen Sie besonders gut und das sollte das Ergebnis Ihrer strategischen Stärkenanalyse sein.

Zusammenfassung

Viele Unternehmer behaupten, ihre speziellen Stärken und Neigungen im Kopf zu haben und absolvieren diese so einfach erscheinende Überlegungen in Gedanken. Die schriftliche Aufgliederung der Leistungen und deren bildliche Darstellung der Ergebnisse sind aber unumgänglich. Eine Strategie kann man nicht im Kopf entwickeln. Sie müssen den Ist-Zustand optisch sichtbar machen, um die Einzelfaktoren und ihre Kombinierbarkeit erkennen zu können und sich schließlich für die beste Möglichkeit entscheiden. Viele Handwerker neigen dazu, die Unterschiede zwischen den Mitbewerbern tendenziell einzuebnen, sich immer gleicher zu machen. Getreu nach dem Motto: Einer schaut vom anderen ab. Die Kleinen nehmen sich die Größeren und Erfolgreichen als Vorbild, obwohl sie ihnen gegenüber ganz spezielle Stärken besitzen - wie etwa größere Flexibilität, niedrigere Gemeinkosten, kürzere Entscheidungswege, mehr Kreativität. Mit dem Me-too-Verhalten ahmen sich viele Heizungs- und Sanitärbetriebe gegenseitig nach. Deshalb ist der Bereich Neubauinstallation und öffentliche Ausschreibungen durch ein Überangebot von Handwerksleistungen stark belastet. Die dynamischen Veränderungen bei allen Abnehmern von technischen Dienstleistungen schaffen dagegen immer neue Nischen. Diese zu erkennen und zu besetzen ist risikoloser und lohnender als die Nachahmungsstrategie. Fortsetzung folgt.  


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